Hamburg. Firmen in der Region überraschen mit neuen Produkten. Wir erzählen die Geschichte dahinter. Heute: Mit Kushel nachhaltig abtrocknen.
Es scheint so, als ob viele darauf gewartet hätten. Als die Zwillingsbrüder Jim und John Tichatschek und Mattias Weser im vergangenen Oktober eine Crowdfunding-Kampagne für eine neue nachhaltige Textilmarke starteten, dauerte es gerade einmal 18 Stunden, bis sie das Finanzierungsziel von 15.000 Euro erreicht hatten.
Letztlich sammelten die Hamburger Gründer 36.024 Euro ein – für Kushel, ein Handtuch, von dem es nicht viel mehr gab als die Idee und Fotos im Netz. Die Vision: „Wir wollen ein Produkt herstellen, dass der Umwelt mehr Ressourcen zurückgibt, als bei der Produktion verbraucht werden.“ Im April wurden die knapp 500 Bestellungen in 23 Länder verschickt.
Fasern aus österreichischen Rotbuchen
Es geht um mehr als ums Abtrocknen. Das Gründertrio hat einen besonderen Materialmix ausgetüftelt. Kushel wird mit Holz hergestellt. Verwendet werden Fasern, die aus Rotbuchen aus nachhaltiger Forstwirtschaft (FSC) in Österreich gewonnen werden, sogenanntes Tencel Modal. Dazu kommt Bio-Baumwolle aus der Türkei – im Verhältnis 30 zu 70. Das macht die Handtücher besonders weich und saugfähig. Und ist umweltfreundlicher. „Im Vergleich zur herkömmlichen Produktion wird viel weniger Wasser gebraucht und 44 Prozent weniger CO2 in die Atmosphäre abgegeben“, sagt Jim Tichatschek.
Bei der Weiterverarbeitung setzen die Handtuch-Macher auf möglichst kurze Transportwege und den Einsatz von erneuerbaren Energien. Die Spinnerei sitzt in Griechenland, die Weberei in Nordportugal. Emissionen und Wasserverbrauch werden durch die Finanzierung von Windenergie- und Wasserprojekten kompensiert – und zudem für jedes Handtuch zwei Bäume gepflanzt. „Wir sind die erste klima- und ressourcenpositive Marke“, sagt Mattias Weser selbstbewusst.
Folienverpackung ist aus nachwachsenden Rohstoffen
Im ersten halben Jahr sind mehr als 7000 Kushel-Handtücher verkauft worden. „Wir hatten einen guten Start mit einem monatlichen Umsatz im fünfstelligen Bereich“, sagt Jim Tichatschek, der Volkswirtschaft studiert und den Deutschlandvertrieb für die Rucksackmarke Ethnotek aufgebaut hat. Darüber finanzieren die Gründer das Geschäft mit dem nachhaltigen Handtuch. Aktuell gibt es Kushel in vier Farben und vier Größen im Online-Shop. Noch vor Weihnachten sollen zwei weitere Farben und ein Kinderhandtuch mit Kapuze auf den Markt kommen.
Spätestens im nächsten Jahr soll Kushel auch in ausgewählten Geschäften erhältlich sein. Damit die Handtücher sauber und unbeschädigt bei den Kunden landen, sind sie in eine transparente Folie verpackt, die aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt wird. „Es ist eine Herausforderung, etwas zu finden, dass möglichst umweltfreundlich ist“, sagt Weser, der Kommunikationsdesign studiert hat.
Schon 32.000 Bäume gepflanzt
Auf ihrer Internetseite werben die Start-up-Unternehmer offensiv auch damit, dass sie inzwischen mit drei Baumpartnern in Deutschland, Mexiko und Tansania bereits mehr als 32.000 neue Bäume gepflanzt haben. „Pflanzaktionen sind gerade sehr in“, sagt Tristan Jorde von der Hamburger Verbraucherzentrale. „Aber Wald ist nicht gleich Wald.“ Erst wenn die Art der Aufforstungen genau geklärt sei, könne man beurteilen, ob die Aktion tatsächlich sinnvoll sei, so der Umweltexperte. Bei Kushel klinge das „ganz vernünftig“. Allerdings moniert er, dass die verwendeten Umweltsiegel entweder gar nicht bewertbar oder etwas umstritten seien.
Für die Aufforstungen in Deutschland arbeiten die Kushel-Gründer mit der Klimapatenschaft GmbH in einem Projekt im Klövensteen in Rissen. Im Rahmen eines Baumumstrukturierungsprogramms wird dort Mischwald aufgebaut. „Gut 10.000 Bäumen gehen schon auf unser Konto“, sagt Jim Tichatschek. Im Schnitt kostet ein Setzling einen Euro, wobei die Preise in Europa deutlich höher sind als in Afrika. „Wir pflanzen immer zwei Bäume, weil wir sicher gehen wollen, dass mindestens einer anwächst“, sagt Weser.
Zweite Crowdfunding-Kampagne für Bademantel
Bei den Kunden kommt die Idee so gut an, dass die Gründer inzwischen eine weitere Crowdfunding-Kampagne gestartet haben. Es geht um die Markteinführung eines Kushel-Bademantels, den sie gemeinsam mit Hamburger Gewandmeister und Herrenschneider Max Pötzelberger entwickelt haben. Auch dieses Mal ist die Resonanz groß. Nach wenigen Stunden war auf der Finanzierungsplattform Startnext das erste Ziel von 16.900 Euro erreicht.
Inzwischen haben mehr als 330 Unterstützer 44.000 Euro zugesagt. Ihnen winken deutlich niedrigere Preise für den Bademantel, der später 179 Euro kosten soll. Die Runde läuft bis zum 1. Oktober. Im nächsten Jahr, so viel ist schon klar, planen die Kushel-Erfinder weitere Produkte. „Wir wollen raus aus dem Badezimmer, als Nächstes geht es ins Schlafzimmer“, sagt Tichatschek.