Hamburg. Der Naturschutzbund sieht nur kleine Fortschritte beim Umweltschutz der Ozeanriesen. Wichtige Fragen und Antworten zum Thema.
Die Chefs von Kreuzfahrtreedereien haben derzeit gut lachen: Der Markt wächst und spült ihren Unternehmen hohe Gewinne in die Kassen. Einmal im Jahr schaut die Branche allerdings äußerst nervös Richtung Hamburg: Wenn der Naturschutzbund in seinem Kreuzfahrt-Ranking die größten Umweltsünder unter den Schiffen auf den Weltmeeren brandmarkt. Am Mittwoch war es wieder so weit. Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen rund um Kreuzfahrten und Umwelt.
Wie entwickelt sich der Kreuzfahrtmarkt weltweit und in Deutschland?
Die Branche vermeldet seit Jahren stark steigende Zahlen. Allein im vergangenen Jahr verzeichnete die Branche weltweit ein Wachstum in Höhe von 6,7 Prozent auf 28,5 Millionen Passagiere. In Deutschland buchten 2,2 Millionen Passagiere eine Kreuzfahrt. Das waren drei Prozent mehr als 2017.
Was kritisieren die Umweltschützer?
Der Naturschutzbund (Nabu) wirft der Kreuzfahrtindustrie seit Jahren vor, dass sie ihren Kunden eine heile Welt vorgaukele, mit ihren Schiffen aber massiv der Umwelt schade. Weil die meisten Schiffe mit Schweröl fahren, sind ihre Abgase massiv für die allgemeine Luftverschmutzung verantwortlich, denn sie enthalten viele Schadstoffe, vor allem Rußpartikel. „Dass heute noch Schiffe mit einem jahrzehntealten technischen Standard unterwegs sind, ist ein Skandal“, sagt Malte Siegert, Leiter der Nabu-Natur- und Umweltpolitik in Hamburg.
Was tun die Reedereien,
um ihre Schiffe sauberer zu machen?
Der Nabu sieht leichte Verbesserungen, weil ein Teil der Flotte, wenn auch ein sehr geringer, zunehmend emissionsmindernde Techniken verwendet. Das Gros der Industrie mache aber kaum etwas, so die Kritik. Und die Flotte verursache weiter enorme Treibhausgasemissionen, heißt es vom Nabu.
Wer zählt zu den Gewinnern
des diesjährigen Rankings?
Auf Platz eins des Nabu-Rankings befindet sich die „AIDAnova“ vom deutschen Marktführer Aida Cruises. Sie kann mit Flüssigerdgas (LNG) betrieben werden. So werden Feinstaub, Schwefeloxid- und Schwermetallemissionen vermieden und Stickoxide gegenüber der Nutzung von Schweröl erheblich reduziert. Das Schiff ist dafür vom Deutschen Institut für Gütesicherung als erstes Kreuzfahrtschiff weltweit mit dem Umweltsiegel „Blauer Engel“ ausgezeichnet worden. Gleichauf befindet sich die „Costa Smeralda“, der Neuzugang des italienischen Mutterkonzerns von Aida, Costa Crociere. Auch sie fährt mit LNG. Auf dem dritten Platz folgen drei Schiffe der Hamburger Reederei Hapag-Lloyd, nämlich die „Europa 2“ und die beiden neuen Expeditionsschiffe „Hanseatic Nature“ und „Hanseatic Inspiration“. Sie verfügen über Stickoxid-Katalysatoren und verzichten soweit wie möglich auf den Einsatz von Schweröl. Die Schiffe von TUI Cruises, die auch über Katalysatoren verfügen, waren einst im Ranking Spitze, befinden sich mittlerweile aber nur noch im Mittelfeld. Vor TUI Cruises hat sich der französische Anbieter Ponant geschoben. Die Reederei hat sich freiwillig vom Einsatz von Schweröl verabschiedet.
Wer schneidet besonders schlecht ab?
Die hinteren Plätze abonniert haben die Schiffe der Branchengrößen MSC und Royal Caribbean sowie die vier Schiffe von Viking Ocean Cruises. Ihnen wirft der Nabu vor, weiter mit Schweröl zu fahren und umweltverträgliche Technologien nur insoweit zu verwenden, um gesetzliche Standards einzuhalten.
Kommt das Elektro-Kreuzfahrtschiff?
Bereits am Dienstag vor der Veröffentlichung des neuen Kreuzfahrt-Rankings hatte die Reederei Aida Cruises mit Sitz in Hamburg und Rostock verkündet, in die Elektrifizierung ihrer Schiffe einsteigen zu wollen. Dazu soll zunächst ein Schiff mit Batteriesystemen ausgerüstet werden. Einen entsprechenden Vertrag hätten das Unternehmen und der norwegische Schiffsbatteriehersteller Corvus Energy unterzeichnet. In einem Pilotprojekt soll die erste Lithium-Ionen-Batterie 2020 ihren Dienst an Bord des Schiffes aufnehmen, dessen Namen die Reederei sich noch offen hält. Für eine begrenzte Zeit soll das Schiff mit Batterien betrieben werden – dem Vernehmen nach wohl nicht mehr als eine Stunde am Stück. Außerdem sollen die Batterien während der Hafenliegezeit und bei verschiedenen Manövern zum Einsatz kommen, um den Verbrauch herkömmlicher Treibstoffe zu verringern. Geladen werden sollen die Speicher den Planungen zufolge während des Seebetriebs über die Dieselmotoren. Die Erkenntnisse aus dem Projekt sollen auch auf anderen Schiffen von Aida und Costa Crociere genutzt werden.
Was tut die Politik, um den Schadstoffausstoß der Kreuzfahrt zu mindern?
Von 2020 an dürfen auf den Weltmeeren nur noch Schiffe mit einem Schwefelanteil von 0,5 Prozent fahren. Daran muss sich auch die Kreuzfahrtindustrie halten, die entweder schwefelreduzierte Treibstoffe oder Abgaswaschanlagen auf ihren Schiffen einsetzen wird. Darüber hinaus gibt es nur regionale oder nationale Projekte. Um den Geirangerfjord und den Nærøyfjord zu schützen, verschärft Norwegen beispielsweise die Vorschriften für Schiffe schrittweise. Ab 2026 dürfen Schiffe mit Schweröl dort nicht mehr einfahren. Hamburg hat eine Landstromanlage in Altona, die bisher aber nur von einem Schiff genutzt wird. Einen Nutzungszwang scheut die Stadt, um die Branche nicht zu verschrecken.