Hamburg. Ethikausschuss prüft Abgang des EU-Kommissars. Brüssel kann Günther Oettinger sogar seine Firma verbieten.

Dieser "Seitenwechsel" birgt Brisanz: EU-Kommissar Günther Oettinger (CDU) will mit seiner Lebensgefährtin Friederike Beyer in Hamburg eine Beratungsfirma eröffnen. Sie soll Oettinger Consulting, Wirtschafts- und Politikberatung GmbH heißen. Die "Anschlussjobs" von Top-Politikern haben einen gewissen Hautgout, weil ihnen unterstellt wird, schon als Amtsträger unter dem Einfluss von Lobbyisten zu stehen.

Während es in Deutschland in der Bundesregierung eine gewisse Scham- und Schonfrist gibt, ist davon in Brüssel offenbar keine Rede. Hierzulande musste auch Ronald Pofalla (CDU) warten, ehe er aus dem Bundeskanzleramt zur Deutschen Bahn wechselte. Bundeskanzler Gerhard Schröder rückte recht schnell nach Amtsende 2005 in den Aufsichtsrat von Nordstream. Mehrere Politiker aus Norddeutschland gingen in die Immobilienwirtschaft.

Barroso ging zu Goldman Sachs

Zuletzt erregte in Brüssel EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso für Aufsehen, weil er bei der US-Investmentbank Goldman Sachs anheuerte – als Berater und „Präsident ohne Geschäftsbereich", wie es hieß.

Nun wird der im Oktober scheidende Haushaltskommissar Oettinger ein Fall für den unabhängigen Ethikausschuss der EU-Kommission. Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker habe das Gremium um eine Stellungnahme gebeten, sagte eine Sprecherin am Montag in Brüssel.

Der Ethikausschuss wird untersuchen, ob Oettingers berufliche Pläne für die Zeit nach dem Ausscheiden aus dem Amt mit den Kommissionsregeln vereinbar sind. Zudem soll er prüfen, ob die Unternehmensgründung irgendwelche Auswirkungen auf die noch verbleibende Amtszeit Oettingers haben könnte. Er amtiert bis Ende Oktober.

Oettinger: Anschlussjob in Hamburg kann verboten werden

Am Wochenende war bekannt geworden, dass der frühere baden-württembergische Ministerpräsident nach seinem Ausscheiden als EU-Kommissar in Brüssel als selbstständiger Wirtschafts- und Politikberater arbeiten will. Eine Sprecherin bestätigte die Gründung des Beratungsunternehmens in Hamburg. Die Firma werde aber erst ihre Dienste anbieten, wenn Oettinger nicht mehr EU-Kommissar sei, hieß es. Interessenkonflikte würden so vermieden.

Der Verhaltenskodex für die Mitglieder der Europäischen Kommission sieht es vor, dass auch ehemalige Kommissionsmitglieder die Grundsätze der Unabhängigkeit, Integrität und Diskretion weiterhin beachten müssen. Um dies zu gewährleisten, ist ein zweijähriger Prüfungszeitraum vorgesehen, in dem Kommissionsmitglieder alle ihre beruflichen Tätigkeiten melden müssen. Wenn die beabsichtigte Tätigkeit mit dem früheren Ressort des Kommissionsmitglieds in Verbindung steht, kann sie untersagt werden.

Oettinger war in der Kommission zunächst für Energie (2010-2014) und dann für Digitales (2014-2016) zuständig. Seit 2017 ist er für die Haushaltsplanung der EU verantwortlich.