Hamburg. Die Marke aus Othmarschen wächst und will ihre Produktion in diesem Jahr verdoppeln. Auf längere Sicht muss ein neuer Standort her.

Leewe Köther füllt die weiße Masse aus der Eismaschine in einen Spritzbeutel, geht zum Arbeitstisch und drückt sie dort in eine Form. Die Stiele kommen hinein. Dann packt der 21-Jährige die Form mit der Vanille-Joghurt-Mischung in den Schockfroster. „Alles bei uns ist Handarbeit“, sagt Kö­thers Chef Paul Bellinger, der Gründer der Marke Fips Eis. Später wird noch jedes Eis einzeln mit der Hand glasiert und manuell verpackt. Etwa alle zwei Wochen steht der 40-Jährige noch selbst in der Produktionsküche, die in einem Nebenraum des Cafés Schmidt in Othmarschen liegt. „Es sind die Kleinigkeiten, die für die Produktion wichtig sind – zum Beispiel wie eine Zutat eingerührt wird“, sagt der Vater von drei Kindern. Daher muss er in Übung bleiben.

Vor drei Jahren begann der Betriebswirt die Herstellung des eigenen Eises, stand meist allein auf den 60 Quadratmetern. Heute beschäftigt er zum Eismachen acht Mitarbeiter, darunter zwei Vollzeitkräfte. Das Start-up ist auf dem Weg, erwachsen zu werden und die nächsten Expansionsschritte einzuleiten.

Schwerpunkt Metropolregion

Gab es Fips Eis bisher fast nur in Cafés und Kiosken wie der Strandperle und Ahoi, ist die Marke nun auch in ersten Supermärkten erhältlich. Edeka Struve führt Fips Eis in allen Märkten im Sortiment, Edeka Niemerszein in den Filialen am Mühlenkamp und der Osterstraße 120, und auch bei den Rewe-Geschäften von Glasmeyer ist es im Angebot. „Dass der Einzelhandel für uns mal relevant wird, war für mich immer klar“, sagt Bellinger.

In Zukunft wird er wieder verstärkt Klinkenputzen gehen und Marktleitern Eis und Konzept vorstellen. Der Fokus liege momentan klar auf der Metropolregion, auch wenn es bereits einige Verkaufsstellen in Nordrhein-Westfalen gibt. Der alten Wurzeln wegen: Paul Bellinger studierte einst in Köln, seine Frau Victoria stammt aus Bonn. Der Firmenchef weiß, dass auf die Fertigung viel Arbeit zukommt. „Im Vergleich zu 2018 planen wir dieses Jahr die doppelte Produktionsmenge.“ Genaue Zahlen will er nicht nennen, aber eine obere fünfstellige Stückzahl werde dann schon erreicht.

Aus Fruchtkugeln wurde Eis

Angefangen hat Bellinger 2016 mit 10.000 verkauften Exemplaren – ursprünglich war es ein Familiending. 2015 machte die Familie Urlaub an der Nordsee. „Unsere Tochter hatte schon genug Süßes gegessen, wollte aber noch ein Eis“, sagt Bellinger. Sie bekam es. Aber die Eltern ärgerten sich, warum immer so viel Zucker in den Produkten sein muss. Und statt echten Früchten nur Aromen und Wasser. Paul Bellingers Frau Victoria hatte dann die Idee, selbst Eis herzustellen. Sie experimentierten zu Hause herum, entsafteten Ananas, machten O-Saft und Erdbeerpüree und froren es ein.

„Unser erstes Produkt waren Fruchtkugeln“, sagt Paul Bellinger. Freunde, Nachbarn und Gastronomen dienten als Tester – und waren begeistert. Später boten sie es in einer Calippo-ähnlichen Tüte an. „Viele Erwachsene wollten noch eine cremige Variante“, sagt Bellinger. 2017 kam ein Vanille-Joghurt-Eis in den Geschmacksrichtungen Erdbeere und Orange-Maracuja hinzu. Ein Jahr später wurde das Milcheis-Sortiment mit Vanille und Kakao entwickelt.

„Dieses Jahr kam die Haselnuss hinzu“, so Bellinger. Auf Aromen und andere künstliche Zusätze werde komplett verzichtet, alle Zutaten seien natürlich. Verwendet werde ausschließlich fair gehandelte Schokolade sowie frische Milch und Joghurt in Bioqualität. Bei den Früchten stammen die Orangen aus ökologischem Anbau, die Erdbeeren hingegen nicht – sie überzeugten Bellinger geschmacklich nicht. Denn das Aroma des Obstes ist entscheidend: Es muss sehr hoch sein, weil beim Einfrieren viel verloren geht.

30 Prozent weniger Zucker

Mit der Professionalisierung der Produktion mussten sie von einem Anfangsgrundsatz abrücken. Ganz ohne Zuckerzusatz, der auch für die Cremigkeit des Eises sorgt, kommen sie nicht aus. „Es ist ein Glücksfall, so süße Früchte zu haben, dass es reicht“, sagt Bellinger. Das Eis variierte aber zu stark im Geschmack. Beim Fruchteis stecken nun zum ohnehin enthaltenen Fruchtzucker etwa drei Prozent Rohrzucker drin, beim Vanille-Joghurt- und Milcheis sind es acht bis neun Prozent. Trotzdem enthalte Fips Eis rund 30 Prozent weniger Zucker als industriell hergestelltes Eis.

Beispielsweise gibt Fips Eis für das Vanille-Milcheis mit Schokoladenüberzug pro 100 Milliliter 154 Kilokalorien als Nährwert an. Langneses Magnum schlägt umgerechnet mit 217 Kilokalorien zu Buche. Preislich liegt erwartungsgemäß das konventionell erzeugte Eis vorn: In einem Supermarkt wurde das 120-Milliliter-Magnum für 1,80 Euro gesehen, die 99-Milliliter-Portion bei Fips Eis kostete 2,30 Euro. Bellinger findet den Vergleich schwierig: Schließlich sei der Wareneinsatz durch die frischen Produkte viel höher. Und durch die Manufakturherstellung fallen höhere Personalkosten an.

Sonntags in der Produktionsküche

Schwarze Zahlen hat das Start-up bisher noch nicht geschrieben. Im vorigen Jahr sei ein Gewinn aber nur knapp verfehlt worden, sagt Bellinger: „Die Kostendeckung zu erzielen ist die große Herausforderung und für dieses Jahr das Ziel.“ Den Großteil des Lebensunterhalts für die Familie verdient Victoria Bellinger als Hausärztin. Mittlerweile hat das Ehepaar eine mittlere fünfstellige Summe in das Unternehmen gesteckt, beispielsweise wurden die Eismaschine und ein Kastenwagen gekauft, mit dem die Ware ausgeliefert wird. Und bald dürfte die nächste Investition anstehen.

„Wir platzen aus allen Nähten“, sagt Bellinger. „Im nächsten Jahr wird es schwierig, hier weiter zu produzieren, wenn wir wachsen wollen.“ Schon jetzt seien in benachbarten Häusern Flächen angemietet worden. Verpackungsmaterialien, Zutaten und das fertige Eis müssen gelagert werden. Montags bis sonnabends wird im Normalfall von 8 bis 19 Uhr im Zwei-Schicht-System produziert, manchmal steht Bellinger aber auch sonntags in der Produktionsküche. Die Arbeit mit Lebensmitteln mache ihm viel Spaß, er habe auch schon immer mit der Selbstständigkeit geliebäugelt, sagt er. Auch wenn man sich als Unternehmer um vieles sorge. „Wie läuft die Eismaschine?“, fragt Bellinger in der Produktionsküche Köther mit bangem Blick – sein Mitarbeiter gibt Entwarnung: „Die Eismaschine läuft super.“