Hamburg. Zusammenschluss der Warenhauskonzerne Karstadt und Kaufhof wirkt sich auf Mitarbeiter, Filialen und Kunden aus – ein Überblick.
Über der Eingangstür des Hamburger Haupthauses an der Mönckebergstraße leuchtet der vertraute Karstadt-Schriftzug. Direkt darüber hängt ein großes Plakat: „Galeria Karstadt Kaufhof“ steht darauf in blau-grüner Schrift. Ein paar hundert Meter weiter ist das neue gemeinsame Markenlogo in den Schaufenstern der Kaufhof-Filiale zu sehen.
Es sind die bislang sichtbarsten Zeichen für die Fusion, die die bisherigen Erzrivalen vor gut einem halben Jahr angekündigt haben. In den Häusern hat sich für die Kunden zwischen Kosmetik, Mode, Bettwäsche und französischem Käse bislang kaum etwas geändert. Die Beschäftigten sollen sich zu den Plänen möglichst nicht äußern. Und die Unternehmensleitung unter Karstadt-Chef Stephan Fanderl agiert äußerst verschwiegen. Das Abendblatt gibt dennoch einen Überblick über die Fusion – und was sie für die Stadt Hamburg, Mitarbeiter und Kunden bedeuten könnte.
Was hat sich durch die Fusion von Karstadt und Kaufhof für Kunden geändert?
Es gibt einen gemeinsamen Werbespot. Seit Ende März preisen die beiden Kaufhaus-Ketten ihre aktuellen Wochenangebote in einem gemeinsamen Werbeprospekt unter dem Slogan „Wir sind zusammen deins“ an. Beim Durchblättern wird allerdings schnell klar: Die Gemeinsamkeiten sind begrenzt. Im Kleingedruckten finden sich die Angaben, welche Produkte in welchen der bundesweit insgesamt 178 Häuser und den beiden Online-Shops erhältlich sind. Auf ihren Internetseiten weisen beide Firmen daraufhin, was unter dem gemeinsamen Dach noch nicht funktioniert. Umtauschrecht, Geschenkgutscheine, Kundenkarten gelten weiterhin nur in dem ausstellenden Unternehmen. „Die Zusammenführung ist eine Mammutaufgabe“, sagt Jörg Funder, Professor für Unternehmensführung im Handel an der Hochschule Worms, angesichts der Komplexität des Geschäftsmodells. Auch wann das neue Firmenlogo an allen Warenhäusern installiert sein wird, ist offen. Die Umfirmierung solle – auch aus finanziellen Gründen – nach und nach geschehen. Mehrere Anfragen des Abendblatts zu dem Terminplan für die Hamburger Standorte blieben unbeantwortet.
Warum heißt die neue Warenhaus-Kette Galeria?
„Galeria“ ist die gemeinsame Dachmarke, darunter erscheint der kleinere Zusatz Karstadt Kaufhof. Den Namen hat Kaufhof mit in die Firmenehe gebracht, entstanden war er im Zuge der Zusammenlegung mit der Kette Horten. Farblich nimmt das Logo mit einem Verlauf von blau zu grün die gewohnten Farben von Karstadt (blau) und Kaufhof (grün) auf. Neues Element ist ein Henkel, der eine Einkaufstasche symbolisieren soll. Der neue Markenauftritt war bei Marktforschungen getestet und unter 21 Varianten ausgewählt worden. „Es ist der kleinste gemeinsame Nenner“, sagt Handelsexperte Funder. Unter Karstadt-Mitarbeitern gibt es allerdings kritische Stimmen, weil der Name des Traditionshauses zu klein erscheine. Es gebe die Sorge, dass der Name ganz verschwinden könnte, erfuhr das Abendblatt von Insidern. Das Gemeinschaftsunternehmen hatte allerdings in einem internen Brief an alle Mitarbeiter betont, dass die beiden Ketten unter dem Dach eigenständig bleiben sollen.
Werden in Hamburg Filialen geschlossen?
Bislang gibt es dafür keine Anzeichen. Als im Januar erste Pläne für den neuen Warenhaus-Konzern bekannt wurden, hatte Chef Fanderl betont, dass es keine Standort-Schließungen geben solle. Allerdings hatte er auch deutlich gemacht, das Kaufhof im derzeitigen Zustand „langfristig nicht überlebensfähig“ sei und will Kosten in dreistelliger Millionenhöhe einsparen. In Hamburg betreibt Kaufhof zwei Warenhäuser, in der Innenstadt und im Alstertal Einkaufszentrum in Poppenbüttel. Karstadt ist in Hamburg (einschließlich Norderstedt) mit sieben Standorten und drei räumlich getrennten Filialen von Karstadt Sports vertreten. Das Geschäftsjahr für Karstadt und Kaufhof endet am 30. September – Insider vermuten, dass danach deutlicher wird, wie es mit dem gemeinsamen Unternehmen weitergeht. Funder rechnet nicht mit kurzfristigen Schließungen. Mittelfristig sei allerdings eine Bereinigung des Filialnetzes von fünf bis acht Standorten im Jahr erwartbar. Das entspräche im Handel normalen Maßnahmen im Zuge des Portfoliomanagements, sagt der Professor.
Wie viele Jobs werden gestrichen?
Nach aktuellen Zahlen sollen bei Kaufhof 2800 Vollzeitstellen wegfallen, davon 1000 in der Zentrale in Köln. Zunächst war von einem Abbau von 2600 Stellen die Rede gewesen. Da viele Mitarbeiter teilzeitbeschäftigt sind, wird damit gerechnet, dass mehr als 5500 Mitarbeiter betroffen sind – das wäre fast jeder dritte der bundesweit 18.000-Kaufhof-Beschäftigten. Die Führungsspitze erwartet von den Beschäftigen einen Beitrag von 70 Millionen Euro für die Sanierung des angeschlagenen Warenhaus-Konzerns hatte die Gewerkschaft Ver.di nach einem Spitzengespräch verbreitet, bei dem auch der Chef des Mehrheitseigners Signa, René Benko, dabei war.
„Die Lage bleibt herausfordernd“, sagte Fanderl gerade in einem Interview für das Intranet. Vor allem bei Kaufhof sei die Lage weiter schwierig, nicht zuletzt wegen neuer Warenhäuser, die in den Niederlanden eröffnet wurden. Inzwischen, so meldet es die „Wirtschaftswoche“, macht auch Karstadt wieder Verlust. „Wir sind dabei, das zu drehen, aber das wird nicht ohne spürbare Einschnitte gehen“, so Fanderl. Es gibt Gespräche zwischen Chefetage und Gesamtbetriebsrat. Die Leitung will unter anderem das bisherige Kaufhof-Personal (wie bei Karstadt), in Verkäufer und schlechter bezahlte Warenverräumer aufteilen. Das geht nur mit Zustimmung des Gesamtbetriebsrats, der dagegen Widerstand ankündigte. Inzwischen gibt es Hinweise, dass bei betriebsbedingten Kündigungen die Abfindungen, die in der Gesamtbetriebsvereinbarung von 2015 festgelegt sind, gekürzt werden könnten. Peter Zysik, der Vorsitzende des Gesamtbetriebsrats, kommentiert dies so: „Die Abfindungen werden Teil der Sozialplan-Verhandlungen sein. Die haben noch gar nicht begonnen.“
Fallen in Hamburg Jobs weg?
Davon ist auszugehen. In Hamburg hat der neue Warenhaus-Konzern etwa 1200 Beschäftige, davon arbeiten 350 bei Kaufhof. „Wir wissen nicht, wie und in welcher Form es uns trifft, und müssen abwarten“, sagt Ines Reinhard, Betriebsratschefin im Kaufhof-Haus an der Mönckebergstraße. Auch wenn die Stimmung in der Belegschaft sich etwas beruhigt habe, „die Unwissenheit ist für viele Kollegen zermürbend“, so die Arbeitnehmervertreterin. Das wird noch einige Zeit so bleiben. Es wird damit gerechnet, dass es Mitte Mai die ersten Informationen von der Unternehmensleitung gibt.
Was wird aus den Lebensmittelabteilungen?
Die Lebensmittel- und Gastrobereiche der beiden Ketten werden zusammengelegt. Dazu gehören LeBuffet, Dinea, Karstadt Feinkost und Kaufhof Gourmet. Verantwortlich ist in der Essener Zentrale Peter Obeldobel, der Mitte März in das Gemeinschaftsunternehmen gewechselt war. Er hat neue Formate und Partnerschaften angekündigt. In Hamburg schloss im vergangenen Jahr die Lebensmittelabteilung am Karstadt-Standort Eimsbüttel, im Herbst soll der Markt in der Harburger Filiale dicht gemacht. Offizielle Angaben gibt es dazu nicht. Bei Karstadt Wandsbek gibt es große Befürchtungen, dass dort auch Schluss sein könnte mit dem Verkauf von Lebensmitteln. In direkter Nachbarschaft könnte demnächst Aldi einziehen.
Wie laufen die Verhandlungen über einen Tarifvertrag?
Man könnte sagen: Es herrscht Eiszeit. Ver.di will durchsetzen, dass der Warenhaus-Konzern mit einem Anerkennungstarifvertrag wieder Richtung Rückkehr in den Flächentarifvertrag geht. Auf der Forderungsliste steht zudem eine umfassende Standort- und Beschäftigungssicherung sowie ein nachhaltiges Zukunftskonzept. „Zurzeit hat man eher den Eindruck, dass das neue Unternehmen Galeria Karstadt Kaufhof kaputtgespart und die Existenzgrundlage von zigtausend Beschäftigten ruiniert werden soll“, sagt Ver.di-Bundesvorstandsmitglied Stefanie Nutzenberger. Im Zuge der Sanierung war Karstadt 2013 aus dem Flächentarifvertrag ausgestiegen. Seit 2017 besteht ein Zukunftstarifvertrag, der die vollständige Rückkehr in die Tarifbindung spätestens 2021 vorsieht. Kaufhof hat die Tarifbindung inzwischen ebenfalls ausgesetzt. Die neue Gemeinschaftsfirma will einen sogenannten Segmenttarifvertrag durchsetzen, der die Beschäftigten laut Ver.di schlechter stellt. Die Gewerkschaft hat drei Gesprächsangebote für nach Ostern gemacht und droht mit dem Ende der Friedenspflicht, sollte der Arbeitgeber Gespräche ablehnen – mittlerweile ist die Frist abgelaufen, eine Antwort gab es aus der Firmenzentrale in Essen nicht.