Hamburg. Starke Zuwächse bei Teilzeit und Minijobs führen zu Altersarmut. Warum Hamburger DGB-Chefin kritische Arbeitsmarktbilanz zieht.

Weniger Arbeitslose, mehr sozialversicherungspflichtig Beschäftigte in Hamburg: Monat für Monat präsentiert die Arbeitsagentur Hamburg eine Statistik, die immer besser aussieht. Doch in diesen Jubel möchte Hamburgs DGB-Chefin Katja Karger nicht einstimmen. „Der Skandal ist die Zunahme an schlechter Arbeit in Hamburg“, sagt sie. Sie meint damit Arbeitsplätze, die durch Befristung, niedrige Bezahlung und hohe Unsicherheit gekennzeichnet sind, sogenannte atypische Beschäftigungsverhältnisse. Von den knapp 990.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Hamburg betrifft das immerhin 40 Prozent, so der DGB in seiner Analyse des Hamburger Arbeitsmarktes.

Viele müssen trotz Arbeit aufstocken

Das schlägt sich auch in der Bezahlung nieder. Ein atypisch Beschäftigter hat einen Stundenlohn von 14,30 Euro. Normal beschäftigte verdienen 23 Euro in der Stunde. „Wir brauchen mehr gute Arbeit in Hamburg“, fordert Karger. Denn für viele seien Leiharbeit, Teilzeit und Minijobs die Realität.

Zwar erkennt der DGB an, dass die Arbeitslosigkeit in der Hansestadt innerhalb eines Jahres um fünf Prozent auf 63.477 Jobsuchende gesunken ist und die Zahl der Langzeitarbeitslosen sogar um 13,3 Prozent abgenommen hat. „Die Statistik ist zwar korrekt, aber manche Zahlen werden eben häufiger als andere genannt“, so Karger. Zu den 63.477 Arbeitslosen kommen weitere 92.292 sogenannte Unterbeschäftigte, also Jobsuchende, die Bewerbungstrainings machen, Kurse absolvieren oder Deutsch pauken. Sie werden in die offizielle Arbeitslosenzahl nicht mit eingerechnet. Rund 33.000 Beschäftigte werden so schlecht bezahlt, dass sie aufstocken müssen.

Jeder zweite Neuvertrag ist befristet

Die Arbeitsagentur räumt zwar ein, dass die Unterbeschäftigung hoch sei, verweist aber darauf, dass auch diese Zahlen seit Jahrzehnten veröffentlicht werden. „Da diese Hamburger dem Arbeitsmarkt nicht unmittelbar zur Verfügung stehen, gehen sie nicht in die Arbeitslosenzahl ein“, sagt Sönke Fock, Chef der Agentur für Arbeit. Das sei gesetzlich so geregelt.

Wer in Hamburg neu in Beschäftigung kommt, muss sich oft mit einem befristeten Job abfinden. 52 Prozent der Neueinstellungen sind befristet. Von diesen wird nur die Hälfte übernommen und davon ist jeder dritte Arbeitsvertrag erneut befristet. „Das ist nicht akzeptabel“, sagt Hamburgs DGB-Chefin Karger. „Solange es so hohe Befristungen bei Neueinstellungen gibt, sollten die Arbeitgeber nicht über Fachkräftemangel klagen.“ Insgesamt sind 13 Prozent der Arbeitsverträge in der Hansestadt befristet. Dennoch hat sich Quote seit Anfang der 1990er Jahre verdoppelt.

Die Hamburger DGB-Vorsitzende Katja
Karger.
Die Hamburger DGB-Vorsitzende Katja Karger. © HA | Roland Magunia

In den vergangenen 15 Jahren hat die Zahl die Teilzeitbeschäftigten in Hamburg um 108 Prozent zugenommen, bemängelt der DGB. Vollzeitstellen gibt es nur 17 Prozent mehr. „Die Teilzeitjobs führen vor allem zu Altersarmut“, sagt Karger. Außerdem werden die Teilzeitjobs, die es vor allem in der Gastronomie und im Einzelhandel gibt, nach Einschätzung des DGB noch mit einem Minijob kombiniert, um überhaupt ein Auskommen in Hamburg mit den hohen Mieten und Lebenshaltungskosten zu haben.

Arbeitsagentur widerspricht

„Von den 17.500 unbesetzten Stellen, die bei und gemeldet sind, entfallen lediglich knapp 13 Prozent auf Teilzeitangebote“, sagt Fock. „Die Jobsuchenden können also wählen.“ Die Zunahme der Teilzeitbeschäftigung begründet er mit Wünschen nach der Vereinbarkeit von Beruf und Familie.

Hart kritisierte die DGB-Chefin die hohe Zahl an Minijobs, die sie abschaffen will. „Es gibt weder für Minijobs im gewerblichen Bereich noch bei privaten Haushalten eine Berechtigung. Unsere Akzeptanzquote liegt bei null Prozent“, so Karger. In den vergangenen 15 Jahren sind die Minijobber im Nebenjob um 166 Prozent gestiegen. Insgesamt gibt es in Hamburg 176.000 Minijobs. Zwar räumte Karger ein, dass diese Jobs den Betreffenden steuerliche Vorteile bringen, aber viele realisieren nicht, dass damit Altersarmut programmiert ist. Besonders Frauen seien davon betroffen.