Hamburg. Viele der 56 Filialen und Jobs stehen auf dem Spiel, sollten Commerzbank und Deutsche Bank zusammengehen. Auch in Hamburg.
Noch vor 15 Jahren waren „Dresdner Bank“ und „Vereins- und Westbank“ äußerst prominente Namen in der Hamburger Bankenszene. Beide gibt es heute in dieser Form nicht mehr. Doch schon bald könnte der Branche eine noch viel gravierendere Veränderung bevorstehen: Die Vorstände der Deutschen Bank und der Commerzbank sprechen über eine Fusion.
Zwar ist noch unklar, ob es tatsächlich zu diesem Zusammenschluss kommen wird. Sollte er aber beschlossen werden, hätte das weitreichende Folgen für die Präsenz der beiden Kreditinstitute in der Hansestadt, was das Personal und die Zahl der Filialen angeht. „Ich mag mir gar nicht ausmalen, was das bedeuten würde“, sagt Ira Gloe-Semler, Leiterin des Bereich Finanzdienstleistungen bei der Gewerkschaft Ver.di in Hamburg. Sie rechnet mit einem „massiven Arbeitsplatzabbau“ und bezieht eine klare Position zu den aktuellen Sondierungen: „Wir sind gegen eine Fusion und werden versuchen, sie zu verhindern.“
Aber auch die Zahl der Standorte beider Geldhäuser in Hamburg würde wohl deutlich sinken: „Sinn und Zweck eines solchen Zusammenschlusses wäre es, die Kosten zu senken – und dazu bietet sich zuerst das Filialnetz an, sagt Martin Faust, Professor für Bankbetriebslehre an der Frankfurt School of Finance and Management. Von den bundesweit gut 1000 Filialen der Commerzbank und den rund 530 Niederlassungen der Deutschen Bank könne im Fall der Fusion ungefähr jede dritte Filiale wegfallen, berichtet die „Bild“ unter Berufung auf Unternehmenskreise. Übertragen auf Hamburg wären damit knapp 20 der zusammen 56 Filialen betroffen.
Auswirkungen in Innenstadt besonders groß
„In Innenstadtlagen wären die Auswirkungen besonders groß“, erwartet Faust. Wie die Karte in der Grafik zeigt, liegen die Zweigstellen der beiden Kreditinstitute in der Hansestadt in etlichen Vierteln eng benachbart. Dies gilt etwa für die Gegend um den Winterhuder Marktplatz, für die Osterstraße in Eimsbüttel oder den Paul-Nevermann-Platz in Altona.
„Gerade die Commerzbank hat bundesweit noch sehr viele Filialen, was sich aus meiner Sicht nicht wirklich rechnet“, sagt Branchenexperte Faust. Allerdings ließen sich Schließungen nach einer entsprechenden Entscheidung meist nicht kurzfristig umsetzen, weil Mietverträge zu beachten seien.
Wie sich eine Fusion unter großen Geldhäusern auf längere Sicht auswirken kann, zeigt das Beispiel der Übernahme der Dresdner Bank durch die Commerzbank im Jahr 2008. Hatten die beiden Konzerne damals zusammen 87 Filialen in Hamburg, verfügt die Commerzbank heute gerade noch über 36 Zweigstellen im Stadtgebiet, 50 sind es in der Metropolregion. Doch auch die Deutsche Bank hat das Niederlassungsnetz kräftig ausgedünnt. Sie hatte 2008 noch 46 Filialen in Hamburg, heute sind es 20.
Das Online-Banking wird immer stärker genutzt
Denn in der gesamten Branche macht sich die Digitalisierung und die damit einhergehende Veränderung des Kundenverhaltens bemerkbar: Das Online-Banking wird immer stärker genutzt, einfache Bankdienstleistungen werden somit immer seltener in der Zweigstelle vor Ort abgewickelt.
Selbst die Beratung im Fall komplexerer finanzieller Vorhaben, etwa die Baufinanzierung oder die Planung der Altersvorsorge, ist nicht mehr unbedingt an die Filiale gebunden. Angesichts dieses Wandels hat selbst die Haspa die Zahl ihrer Standorte kräftig verringert: Im Jahr 2008 gab es noch 180 Filialen, aktuell sind es rund 130 – und innerhalb von fünf Jahren soll die Zahl weiter auf etwa 100 abnehmen, wie im Dezember bekannt wurde.
Allerdings leidet Deutschlands zweitwichtigster Bankenstandort mit zuletzt 18.000 Beschäftigten auch noch aus anderen Gründen. So hat die Krise der HSH Nordbank tiefe Spuren hinterlassen. Nach ihrer Privatisierung und unter dem neuen Namen Hamburg Commercial Bank setzt sich der Schrumpfkurs fort: Bis Ende 2020 will die ehemalige Landesbank in Hamburg etwa 230 Vollzeitstellen weniger haben als zum Jahresende 2018.
Falls die Vorstände der Deutschen Bank und der Commerzbank eine Fusion beschließen sollten, würden in Hamburg nicht nur in den Filialen Arbeitsplätze wegfallen. „Doppelfunktionen ergäben sich zum Beispiel auch in Abteilungen, die Kreditentscheidungen treffen“, erklärt Faust. Zudem gälte im Hinblick auf die Kundenzahl nicht etwa die simple Gleichung „Eins plus Eins ergibt Zwei“, so der Experte: „Etliche Firmenkunden unterhalten Geschäftsbeziehungen mit beiden Banken, auch bei vermögenden Privatkunden kommt das nicht selten vor.“ Man könne darüber hinaus nicht ausschließen, dass sich manche Kunden so sehr mit einem der beiden Institute verbunden fühlen, dass sie nach einer Fusion aus Enttäuschung abwandern.
Deutsche Bank steht schlechter da als Commerzbank
Doch eines dürfe bei der aktuellen Diskussion um mögliche Arbeitsplatzverluste nicht vergessen werden, sagt Faust: „Einsparungen müssten bei den beiden Banken ohnehin vorgenommen werden, auch wenn sie sich nicht zusammenschließen sollten.“ Die Deutsche Bank steht nach Einschätzung des Branchenkenners schlechter da als der potenzielle Fusionspartner: „Sie hat international im Investmentbanking in den zurückliegenden Jahren erheblich an Bedeutung verloren und ist im Inland relativ schwach, hat aber nicht die finanziellen Mittel, um das Geschäft hier deutlich auszuweiten.“ Die Commerzbank hingegen sei auf dem Heimatmarkt besser aufgestellt.
Sollte der Zusammenschluss kommen, entstünde die mit Abstand größte deutsche Bank mit weltweit rund 38 Millionen Privat- und Firmenkunden, anfänglich rund 140.000 Mitarbeitern, einem Marktanteil in Deutschland von rund 20 Prozent und einer Bilanzsumme von fast zwei Billionen Euro. Trotz dieser beeindruckenden Zahlen wäre sie nach internationalen Maßstäben immer noch ein Leichtgewicht; vor allem US-amerikanische und chinesische Geldhäuser rangieren weit darüber.
Dabei hatte Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) im vergangenen Jahr geklagt, hiesige Banken hätten nicht mehr die „Größenordnung und die Globalität“, die notwendig sei, um Unternehmen bei ihren Geschäften auf der ganzen Welt zu begleiten. Er gilt in Finanzkreisen als Unterstützer einer Fusion und soll hinter den Kulissen darauf gedrängt haben.
Darauf spielt auch die Gewerkschafterin Gloe-Semler an: „Vielleicht setzen sich die Vorstände ja jetzt nur zusammen, um von Herrn Scholz in Ruhe gelassen zu werden.“