Hamburg. Firmen in der Region überraschen mit neuen Produkten. Wir erzählen die Geschichte. Heute: Zahn-Hero mit Xylit.
Morgens, wenn er kurz vor sieben aufsteht, geht er als Erstes an den Computer. Noch bevor er sich anzieht, bevor er frühstückt, checkt er seine E-Mails und die eingegangenen Bestellungen. „Das ist jedes Mal wieder aufregend“, sagt Torsten Engelbrecht (52). Jeden Tag gehen neue Aufträge und Anfragen ein. Über Amazon, die eigene Website oder Zahnarztpraxen. Im Januar haben Engelbrecht und seine Frau Maria Rodriguez (46) Zahn-Hero auf den Markt gebracht – Xylit-Gummibärchen, die nach Angaben der Gründer weltweit einzigartig sind. Das Besondere an Zahn-Hero: Die Gummibärchen sind mit den Zuckeraustauschstoffen Xylit und Maltitsirup gesüßt, die zur Erhaltung der Zahnmineralisierung beitragen sollen. „Das heißt: Sie sind zahnfreundlich“, sagt Maria Rodriguez und verweist auf Studien, in denen nachgewiesen worden sei, dass Xylit helfen kann, Karies zu vermeiden.
Warum es angesichts dieser positiven Wirkung nicht schon längst zahnfreundliche Gummibärchen und Co. gibt? Das haben sich Maria Rodriguez und Torsten Engelbrecht vor sechs Jahren auch gefragt, als ihr Sohn Liam in die Kita und dort erstmals mit Süßigkeiten in Berührung kam. Sie machten sich auf die Suche nach einer Alternative zu den gängigen Fruchtgummis – und fanden: nichts. „Weil ich selbst Probleme mit den Zähnen hatte, wollte ich das meinen Kindern ersparen und habe mich intensiv mit dem Thema Zahngesundheit beschäftigt“, sagt Torsten Engelbrecht. Da er bei seinen Recherchen immer wieder auf das Thema Xylit stieß, entschloss sich die Familie schließlich, selbst ein zahnfreundliches Fruchtgummi auf den Markt zu bringen.
Warnung vor zu hohen Erwartungen
Die Suche nach einem Wissenschaftler, der mit ihnen die Rezeptur entwickelte, war einfach – die Suche nach einem Hersteller aber ein großes Problem. Selbst in Polen und Belgien haben die Gründer bei Produzenten angefragt. „Doch Gummibärchen mit einem möglichst hohen Anteil Xylit wollte niemand herstellen – schon gar nicht in so geringen Mengen, wie wir sie in Auftrag geben wollten“, erinnert sich Maria Rodriguez. Fast zwei Jahre dauerte die Suche nach einem Hersteller, zwei weitere die Entwicklung von Namen und Marke sowie die Verbesserung der Rezeptur. „Zuerst haben wir mit Gelatine hergestellt, dann auf Pektin umgestellt, damit die Gummibärchen vegan sind“, sagt Engelbrecht, der mit seiner Frau eine PR-Agentur betreibt und das Projekt „Zahn-Hero“ nebenbei aufgezogen hat. 12.000 Euro hat sie das bisher gekostet.
320 Kilo Xylit-Gummibärchen sind für den Anfang hergestellt worden. Das entspricht in etwa 3000 Tüten à 100 Gramm sowie 2000 Promotion-Tüten à zehn Gramm. Der Preis für 100 Gramm liegt bei 2,49 Euro. „Da wir Xylit aus kontrolliert biologischem Anbau verwenden und den Anteil mit 26 Prozent so hoch wie möglich angesetzt haben, sind unsere Produktionskosten einfach enorm groß“, sagt Engelbrecht. Bisher gibt es das Produkt bei Amazon und im Online-Shop (www.zahn-hero.de), bei mehreren Zahnärzten sowie in einigen Edeka-, Rewe- sowie Tjaden’s Filialen. Jetzt sollen so schnell wie möglich weitere Einzelhändler folgen. Die Gespräche mit dem Reformhaus Engelhard laufen bereits. „Wir sind dabei, dem Handel die Gummibärchen schmackhaft zu machen“, sagt Engelbrecht. Die ersten Reaktionen seien positiv. „Das Produkt finden alle gut, jetzt geht es nur noch um Details.“
Effekt ist belegt
Worauf die Gründer Wert legen: Zahn-Hero sind für Kinder und Erwachsene gleichermaßen geeignet. „Laut Studien schützt Xylit nicht nur die Zähne, sondern kann auch zu deren Regeneration beitragen“, sagt Engelbrecht. Experten wie Professor Ulrich Schiffner, Oberarzt an der Poliklinik für Parodontologie, Präventive Zahnmedizin und Zahnerhaltung am UKE, warnen jedoch vor zu hohen Erwartungen.
„Der karieshemmende Effekt von Xylit in Kaugummis ist belegt. Offen ist, welchen Anteil hieran das Kaugummi an sich oder das Xylit ausmacht. Für Xylit als solches gibt die aktuelle Studienlage keinen Beleg für eine Karieshemmung her“, so Professor Ulrich Schiffner. Über den Effekt in Gummibärchen gebe es eine Studie zur Veränderung der bakteriellen Flora in der Mundhöhle, die allerdings sehr uneindeutige Ergebnisse erbracht habe. Sein Fazit: „Xylit-Gummibärchen haben nach meiner Einschätzung nicht den Effekt, dass den Zähnen etwas Gutes getan wird. Allerdings wird ihnen etwas Schlechtes – nämlich Zuckerkonsum – erspart. Das reicht zur Kariesvorbeugung jedoch nicht aus.“
Torsten Engelbrecht und Maria Rodriguez glauben dennoch an Nutzen und Erfolg von Zahn-Hero. Sie verwenden seit Jahren keinen Haushaltszucker mehr, nur noch Xylit. In Maßen – darauf weisen sie ausdrücklich hin. Ein übermäßiger Konsum könne abführend wirken. „Die beste Wirkung erzielt man mit zehn Gummibärchen pro Tag, verteilt auf drei oder mehr Portionen“, sagt Engelbrecht.
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