Hamburg. Leckerei für Menschen, Lebensgrundlage für viele Tiere – der Stint verschwindet. Umweltschützer fordern Stopp der Elbbagger.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Hamburg (BUND) fordert Wirtschaftssenator Michael Westhagemann auf, die Baggerarbeiten in der Elbe westlich von Hamburg sofort zu untersagen. Die Naturschützer fürchten um den Stint – der Meeresfisch, der in diesen Wochen von der Nordsee die Elbe hinaufschwimmt, um vor und hinter dem Hamburger Hafen über sandigen Flachwasserzonen abzulaichen.

Die Hamburg Port Authority (HPA) sei genau zur Wander- und Laichzeit der Stinte mit mehreren Baggerschiffen unterwegs, um den Schlick aus der Fahrrinne auszubaggern oder mit dem sogenannten Injektionsverfahren zu „verflüssigen“. „Beide Verfahren tragen massiv zur Trübung des Elbwassers und zur Freisetzung von Schadstoffen bei, die die Stinte und deren Laich unmittelbar schädigen“, heißt es von Seiten des BUND.

Stintbestände in der Elbe sind massiv eingebrochen

Für viele Feinschmecker ist der lachsartige Fisch eine leckere Spezialität – für zahlreiche Tiere wie Meeressäuger, größere Fische, Seeschwalben und andere Vögel wichtigste Nahrungsgrundlage. „Als zentrale Fischart stellten die Stinte in den letzten Jahrzehnten rund 90 Prozent der Fischfauna in der Tideelbe“, schreibt der BUND. „Die Stintbestände in der Elbe sind in den letzten Jahren massiv eingebrochen und sind in diesem Jahr so niedrig wie lange nicht mehr. Trotzdem baggert die HPA ohne Rücksicht auf Verluste und schädigt damit nicht nur die Stinte und ihren Laich, sondern auch deren Nahrungsgrundlage und damit das gesamte Ökosystem der Tideelbe“, sagt Manfred Braasch, Landesgeschäftsführer des BUND Hamburg.

Die Stintfischer Claus und Harald Zeeck
Die Stintfischer Claus und Harald Zeeck © Axel Tiedemann

In einem TV-Beitrag des NDR bezeichnet Dr. Veit Henning, Ökologe von der Universität Hamburg, die Stint-Situation in der Elbe als „dramatisch“. Es fehlten ganze Jahrgänge. In dem Beitrag kommen auch die Elbfischer Claus und Harald Zeeck zu Wort. Der Stint ist für die Brüder, die in sechster Generation in der Elbe fischen, eine wichtige Einnahmequelle, die jedoch zu versiegen droht. Sie beklagen nicht nur die durch die Elbbaggerei verursachte Trübung des Wassers, die den Stinten schadet. Die Saugbagger häckselten die Fische sowie Würmer, Muscheln am Grund der Elbe regelrecht, sagen sie.

BUND nimmt auch die Umweltbehörde in die Pflicht

In einem weiteren Schreiben fordert der BUND auch Umweltsenator Jens Kerstan auf, bei der Wirtschaftsbehörde auf einen Stopp der Baggerarbeiten hinzuwirken. Die Arbeiten zur Freihaltung der Fahrrinne müssen zwischen der HPA und der Umweltbehörde abgestimmt werden und basieren auf rechtlichen Grundlagen. Für die Arbeiten existiert ein Handlungskonzept, in das die Wassertemperatur der Elbe, der Sauerstoffgehalt, die Dichte der Schwebstoffe und der Blaualgenwerte Eingang finden und die Werte entsprechend festgelegt sind. Werden diese unter- bzw. überschritten, wird nicht gebaggert.

Darüber hinaus gibt es Bemühungen, den Rückgang des Stintbestandes zu ergründen. „Um zu klären, ob Bestandsveränderungen beim Stint auf einen verminderten Fortpflanzungserfolg oder auf ein unzureichendes Nahrungsangebot zurückgeführt werden kann und mögliche Maßnahmen zur nachhaltigen Förderung der Fischfauna in der Tideelbe umsetzen zu können, hat sich im November 2018 die „Initiative Elbfische“ gegründet“, sagt Björn Marzahn, Sprecher der Umweltbehörde.

Stintfischer fangen immer weniger der lachsartigen, kleinen Fische in der Elbe.
Stintfischer fangen immer weniger der lachsartigen, kleinen Fische in der Elbe. © Axel Tiedemann

„Vertreten sind neben der Wirtschaftsbehörde als Oberste Fischereibehörde und der Umweltbehörde, Abteilung Wasserwirtschaft, der Deutsche Fischerei-Verband, der Angelsport-Verband Hamburg, die Berufsfischerei, die Stiftung Lebensraum Elbe sowie die Universität Hamburg durch die Abteilung Ichthyologie des Centrums für Naturkunde. Sobald die Ergebnisse vorliegen, werden wir sie vorstellen.“

Nächste Elbvertiefung birgt Probleme für Ökosystem der Tideelbe

Die Wirtschaftsbehörde wollte am Donnerstag keine Stellung zur Forderung des BUND, das Elbbaggern zu stoppen, beziehen. „Der Brief liegt uns noch nicht vor, deshalb können wir dazu nichts sagen“, so eine Sprecherin auf Anfrage des Abendblatts.

Laut BUND sind derzeit die Baggerschiffe IJSSELDELTA, HEIN, AMAZONE und "Kees jr" im Einsatz, um die Sedimentmengen im Hamburger Hafen in den Griff zu bekommen. Hinzu kämen die Baggerschiffe SHELDRIVER und HAM 16, die vorwiegend zwischen Wedel und Glückstadt unterwegs seien.

Die in Kürze beginnenden Baggerarbeiten für die nächste Elbvertiefung werden nach Meinung des BUND die Probleme für das Ökosystem der Tideelbe weiter verstärken.