Hamburg. Paketdienst investiert 55 Millionen Euro in neues Logistikcenter und eine E-Transporterflotte. Auf Kunden kommen höhere Kosten zu.

Der Kinderchor Young ClassX trällerte fröhliche Lieder aus dem Dschungelbuch, Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) lobte eine „beeindruckende Leistung“, Otto-Eigentümer Michael Otto sprach von einem „großen Schub für die Elektromobilität“ und Moderatorin und Aufsichtsrätin Sabine Christiansen stellte die Grundsatzfrage: „Was sind uns gut bezahlte Fahrer und hohe Investitionen in eine bessere Umweltverträglichkeit wert?“

Deutschlands zweitgrößter Paketdienst Hermes hat am Donnerstag mit hoher Prominentendichte unter den Gästen sein neues Hamburger Logistikzentrum eingeweiht. Von April an schwärmt vom Billbrookdeich aus die Flotte der Zustellfahrzeuge in die Hansestadt und die umliegenden Gemeinden aus. Sein Depot in Stellingen gibt Hermes dafür auf.

Hermes setzt E-Transporter ein

Das Besondere: Vom Billbrookdeich aus werden vom 1. April an auch Elektrotransporter zu den Zustelltouren bei Paketempfängern und den Paketshops des Unternehmens aufbrechen. Hermes setzt zunächst 20 eVito-Transporter von Mercedes im Gebiet zwischen der HafenCity im Süden, rund um die Außenalster und bis nach Barmbek-Süd im Norden ein.

Der Paketdienst hat kürzlich von Mercedes die ersten Serienmodelle des Typs übernommen und wird die Flotte weiter ausbauen. Im neuen Logistikcenter standen bereits die ersten Exemplare des größeren eSprinters. Auch diese Vorserienmodelle werden in einem Pilotversuch bald auf den Hamburger Straßen unterwegs sein. Im Dauerbetrieb werden sie voraussichtlich ab der zweiten Jahreshälfte 2019 eingesetzt. Zudem werden Lastenfahrräder in der Innenstadt unterwegs sein.

Bürgermeister ist „ein Stück weit auch stolz“

„Hermes geht mit seinem neuen Logistikcenter einen großen Schritt in die richtige Richtung“, sagte Bürgermeister Tschentscher. Er sei „ein Stück weit auch stolz, dass das in Hamburg geschieht“.

Hermes lässt sich das neue Logistikcenter gut 55 Millionen Euro kosten. Etwa 100.000 Pakete pro Tag sollen dort künftig sortiert und auf den Weg in die Stadt und in andere Logistikcenter in Deutschland geschickt werden. Ausgelegt ist die Sortieranlage aber darauf, bis zu 250.000 Pakete am Tag zu verarbeiten. Das zur Otto-Gruppe gehörende Unternehmen stellt sich damit auf die stetig wachsenden Paketmengen ein. Zuletzt wurden insgesamt bereits mehr als drei Milliarden Pakete pro Jahr in Deutschland transportiert. Die Zahl wird sich voraussichtlich innerhalb weniger Jahre noch einmal verdoppeln.

Hermes investiert 300 Millionen Euro

Die neue Anlage in Hamburg ist aber nur eines von insgesamt neun neuen Logistikcentern in Deutschland. Vier sind bereits in Betrieb, zwei weitere schon in Bau. Alles in allem kostet das 300 Millionen Euro. Ein Großteil der Aufträge bleibt dabei in der Familie. Realisiert werden die Center von der Hamburger ECE, die im Besitz der Familie Otto ist.

Wegen der steigenden Umweltanforderungen in den Städten investiert Hermes zugleich in eine Elektrotransporter-Flotte. Mercedes soll in den nächsten Jahren insgesamt 1500 batteriebetriebene Vito und Sprinter liefern. Das Ziel: „Im Jahr 2025 wollen wir in den 80 größten deutschen Städten emissionsfrei zustellen“, bekräftigte Hermes-Deutschlandchef Olaf Schabirosky.

Allerdings: Den hohen Investitionen in die Infrastruktur stehen vergleichsweise geringe Paketpreise gegenüber. Alle großen Zustelldienste kämpfen darum, profitabel zu bleiben oder wieder zu werden. Zugleich fällt es zunehmend schwer, neue Fahrer zu finden. So hat Hermes angekündigt, den Stundenlohn der Boten zu erhöhen. Bislang wird in der Branche oft kaum mehr als der Mindestlohn gezahlt. Zudem will das Hamburger Unternehmen künftig verstärkt Fahrer selbst einstellen. Bisher arbeitet Hermes bei der Zustellung ganz überwiegend mit Subunternehmen zusammen – und steht selbst am Pranger, wenn deren Mitarbeiter daheim Pakete horten statt sie zu den Empfängern zu bringen. Oder dabei gefilmt werden, wie sie erfolglos versuchen, ein Paket auf einen Balkon im zweiten Stock zu werfen.

Zustellung an der Haustür wird teurer

Michael Otto gab ganz offen Antwort darauf, wie die hohen Kosten für die neue Infrastruktur und das Personal finanziert werden sollen: durch höhere Gebühren. „Ich kann mir vorstellen, dass es zu einer stärkeren Differenzierung der Gebühren kommt. Wer sein Paket nach Hause geliefert haben möchte, wird mehr bezahlen müssen, als derjenige, der es aus dem Paketshop selbst abholt.“