Sparkassenchef Vogelsang spricht über das vergangene Geschäftsjahr, Pläne für die Zukunft und die Situation der Handelskammer.

Zum Jahreswechsel sorgte die Nachricht, dass die Hamburger Sparkasse in den kommenden Jahren 30 ihrer insgesamt 130 Filialen schließen wird, für Aufregung in der Stadt. Bis zu 1000 von noch rund 5000 Stellen könnten zudem im Zuge dieser Neuausrichtung verschwinden. Haspa-Chef Harald Vogelsang will das Ganze nicht als ein Sparprogramm verstehen, sondern spricht von einem Zukunftsprogramm. Im Abendblatt erklärt er, was er in den kommenden Jahren mit Hamburgs größtem Geldinstitut vorhat, wo er die Potenziale sieht und welche Neuerungen auf die gesamte Branche zukommen. Und er redet Klartext zur Handelskammer.

Hamburger Abendblatt: Die Niedrigzinspolitik der EZB, volatile Börsen, eine schwächelnde Konjunktur - kein einfaches Umfeld derzeit für Geldinstitute. Wie ist die geschäftliche Situation der Haspa?

Harald Vogelsang: Ich sehe die Lage nicht so negativ. Aus meiner Sicht befindet sich die Konjunktur in keiner akuten Schwächephase und eine Rezession sehe ich schon gar nicht. Als Haspa schauen wir auf ein Jahr mit dem besten Kreditgeschäft aller Zeiten zurück. Das Volumen der neu bewilligten Kredite lag 2018 bei rund 7,5 Milliarden Euro. Der Kreditbestand beträgt damit gut 33 Milliarden Euro. Vor allem die Finanzierung von Immobilien läuft hervorragend. Zudem hatten wir das beste Finanzierungsjahr für Start-ups. Auch das Einlagenvolumen unserer Kunden ist gestiegen. Dennoch haben wir eine etwas schwächere Ertragslage. Der Jahresüberschuss ist von 80 auf 70 Millionen Euro gesunken. Das liegt unter anderem daran, dass wir hohe Investitionen in unsere Filialen, digitale Angebote und unsere IT vorgenommen haben. Zudem haben uns die Niedrigzinsen und die volatilen Kapitalmärkte belastet. Der Zinsüberschuss erreichte rund 712 Millionen Euro, das waren etwa 12,5 Millionen Euro weniger als im Vorjahr.

Wie ist Ihre Prognose für 2019?

Vogelsang: Wir erwarten für die Haspa einen ähnlichen Geschäftsverlauf wie 2018. Das Jahresergebnis dürfte also ebenfalls bei rund 70 Millionen Euro liegen.

Und wie geht es aus Ihrer für die deutsche Wirtschaft insgesamt weiter?

Vogelsang: Das ist ganz schwer einzuschätzen und hängt stark von der Weltkonjunktur ab und wie sich der Handelskonflikt mit den USA weiter entwickeln wird.

Fürchten Sie negative Auswirkungen durch den Brexit?

Vogelsang: Ich glaube nicht, dass der Brexit zu massiven ökonomischen Verwerfungen führen wird. Denn die Unternehmen sind bereits gut auf ihn vorbereitet. Zudem gehe ich davon aus, dass es eine wie auch immer geartete weiche Landung des Brexit geben wird. Ich glaube auch nicht, dass Italien zu einem ernsthaften Problem für die Eurozone wird, so lange EZB-Präsident Mario Draghi seine aktuelle Politik fortsetzt.

Zum Jahreswechsel wurde ein Sparprogramm der Haspa bekannt. Rund 30 von 130 Filialen sollen geschlossen werden, bis zu 1000 von rund 5000 Stellen stehen zur Disposition. Was sind die Gründe für diese doch radikalen Einschnitte?

Vogelsang: Das Projekt Haspa Spring ist ein Zukunfts- und kein Sparprogramm, das bis 2023 greifen soll.

Was bedeutet Spring?

Vogelsang: Sparkasse richtig neu gedacht. Mit Haspa Spring wollen wir uns fit machen für die Zukunft. Das heißt: schneller, innovativer und auch schlanker. Deshalb arbeiten wir daran, wie wir wesentlich mehr Grundgeschwindigkeit aufbauen und Barrieren zwischen einzelnen Abteilungen abbauen können. Denn wir wollen eine ganz andere Innovationsgeschwindigkeit erreichen. Und wenn man schneller laufen will, dann muss man eben auch ein paar Kilo abspecken, also beweglicher werden. Denn das ist das Gebot der Stunde für unsere Branche.

Bis wann sollen die Filialschließungen erfolgen?

Vogelsang: Bis 2023/2024 soll die Zahl unserer Filialen auf 100 sinken.

Gibt es schon konkrete Standorte, die geschlossen werden sollen?

Vogelsang: Wir schauen uns derzeit an, welche Filialen wir 2019 schließen. Es dürfte sich dabei um weniger als zehn Standorte handeln.

Nach welchen Kriterien suchen Sie die Filialen aus?

Vogelsang: Wir schauen auf die Kundenfrequenz, das Geschäftsvolumen und wie sich der jeweilige Stadtteil entwickelt. So haben wir zum Beispiel unsere Filiale in Rothenburgsort bereits modernisiert, weil wir dort großes Potenzial sehen. Wir müssen dort sein, wo die Menschen hinziehen.

Im Gespräch ist der Abbau von 1000 Stellen. Geht es vor allem um Filialmitarbeiter?

Vogelsang: Eine konkrete Zahl gibt es noch nicht. Wenn wir wissen, wie hoch die Zahl sein wird, dann werden wir den Abbau so sozialverträglich wie möglich gestalten. Und als Institut mit einem dichten Vertriebsnetz, das wir gerade modernisieren, werden wir sicherlich nicht vorrangig diesen Kundenkanal schwächen. Wir werden uns auch sehr genau anschauen, wie wir in der Zentrale schlanker werden können.

Wird es zu betriebsbedingten Kündigungen kommen?

Vogelsang: Betriebsbedingte Kündigungen hat es bisher bei der Haspa nicht gegeben und wir wollen auch in der Zukunft alles daran setzen, das zu verhindern. Bislang ist uns das immer gelungen.

Die Haspa wird auch nach den Filialschließungen noch immer das mit Abstand größte Filialnetz in Hamburg haben. Müssen Sie sich nicht vorwerfen lassen, zu spät und zu langsam auf den Wandel hin zum Internetbanking zu reagieren?

Vogelsang: Nein, wir setzen unseren schon länger eingeschlagenen Weg fort. Wir werden in den kommenden fünf Jahren pro Jahr im Schnitt sechs Filialen schließen. Das entspricht dem Tempo, das wir schon in der Vergangenheit eingeschlagen haben. Zudem haben wir 1,6 Millionen Kunden, die auch in Zukunft neben unserem digitalen Angebot eine angemessene Zahl an Filialen erwarten können.

Sie könnten ja alternativ auch verstärkt Beratungen beim Kunden zu Hause anbieten, so wie das Konkurrenten von Ihnen machen?

Vogelsang: Wir haben bereits einen mobilen Außendienst getestet, den wir wieder eingestellt haben, weil er nicht erfolgreich war. Zudem entspricht es nicht unserer Philosophie, Kunden zu Hause auf dem Sofa so lange zu beknien, bis sie Verträge unterschreiben. Das passt nicht zu uns. Hausberatungen sind flächendeckend übrigens viel teurer als Filialen.

Was werden aus Ihrer Sicht die wichtigsten Bankentrends in den kommenden zehn Jahren sein?

Vogelsang: Sicherlich wird es viele neue Möglichkeiten geben, mit einer Bank zu kommunizieren, zum Beispiel über Sprachsteuerungssysteme wie Alexa. Auch Robo Advice dürfte zunehmen, also dass Computer Geldanlagen automatisch ausführen. Daneben wird es veränderte Anlageformen geben. Nachhaltige Investments und Investments in die Region, in der man lebt, werden an Bedeutung gewinnen. Und die Vernetzung zwischen Geldinstituten und regionalen Firmen dürfte noch stärker werden. So könnte man als Bank bei einer Hausfinanzierung dem Kunden zum Beispiel auch einen guten Handwerkerservice vermitteln.

Sie sitzen auch im Plenum der Handelskammer. Was fällt Ihnen zur aktuellen Situation in der Kammer ein?

Vogelsang: Nicht mehr allzu viel. Es ist schon einzigartig, in welcher Geschwindigkeit und Konsequenz die einst wichtigste Stimme der Hamburger Wirtschaft zum Verstummen gebracht wurde. Und das ist sehr, sehr schlecht für die Wirtschaft. Die Kammer nimmt von Monat zu Monat weiteren Schaden, weil immer mehr Beschäftigte weglaufen. Der Wissensverlust schreitet rasant voran. Das Ansehen der Kammer ist in einem so rapiden Verfall, das holt man nicht mal eben wieder so auf. Das wird viele Jahre dauern.

Es gibt Stimmen, dass die Wirtschaftsbehörde sich als Aufsichtsbehörde stärker in die Belange der Kammer einmischen sollte. Was meinen Sie dazu?

Vogelsang: Es ist nicht meine Aufgabe, der Wirtschaftsbehörde Ratschläge zu geben. Aber – wie Sie schon gesagt haben - sie ist zuständig für die Aufsicht.

Im Frühjahr 2020 sind die nächsten Wahlen. Werden Sie wieder für das Plenum kandidieren?

Vogelsang: Das schließe ich nicht aus. Eine endgültige Entscheidung habe ich aber nicht getroffen.

Und Harald Vogelsang als Präses – ist das für Sie vorstellbar?

Vogelsang: Nein, denn wir brauchen in der Kammer einen glaubwürdigen Neuanfang. Nun sollten jüngere, engagierte Unternehmer an die Kammerspitze – und die gibt es durchaus.