Hamburg. Die Getränkefirma ist auf Wachstumskurs, macht aber keinen Gewinn. Sie hat vier Millionen Euro für soziale Projekte gespendet.
Der Zuckerschock wirkt immer noch nach. Einen Monat ist es her, dass bei Lemonaid Behördenpost ins Haus kam. Die Getränke der Hamburger, so die Einlassung des zuständigen Verbraucherschutzamts, dürften gar nicht Limonade heißen. Begründung: der Zuckergehalt.
Dieser sei nicht etwa zu hoch, sondern – laut Lebensmittelverordnung – zu gering. Lemonaid müsste die Produkte entweder süßer machen oder umbenennen. Die Causa machte national Schlagzeilen, nicht zum Vorteil für das Amt.
Sturm in der Limoflasche?
Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) sah sich zu einer Sofortmaßnahme gezwungen – stoppte die formelle Beanstandung und kündigte eine Überprüfung an. „Auf Bundesebene ist aber bislang noch nichts geklärt“, sagt Geschäftsführer Paul Bethke. Ein Sturm in der Limoflasche? Erst mal machen die Brausebrauer weiter wie bisher.
Und das heißt: Limonaden und Eistees produzieren, bio und fair, und damit Projekte in den Anbauregionen unterstützen. Motto: Trinken hilft. Das Geschäft läuft. Zehn Jahre nach der Gründung stehen die charakteristischen Flaschen mit Lemonaid und Charitea in vielen Supermärkten und in der Gastronomie – insgesamt in acht Sorten.
Offenbar so erfolgreich, dass der Discounter-Konzern Lidl im vergangenen Sommer eine gelbe Limonade auf den Markt brachte, die Lemonaid tatsächlich zum Verwechseln ähnlich sah – allerdings weder öko noch fairgehandelt war, dafür mehr Zucker, Farbstoffe und Säuerungsmittel enthielt. In einem offenen Brief wehrte sich das kleine Unternehmen. Lidl ließ daraufhin die – nach eigenen Angaben nur als Saisonprodukt geplante – Limo auslaufen.
100 Beschäftigte arbeiten für Lemonaid
Im Firmensitz über der Rindermarkthalle auf St. Pauli sitzen die Gründer in einem Büro. Zur Schau getragene Lässigkeit mit Pulli und Jogginghose ist Teil der Firmen-DNA. Aber wenn es um Zahlen geht, sind die Gründer durchaus stringent. „2018 haben wir 17 Millionen Euro umgesetzt“, sagt Felix Langguth, der als Co-Geschäftsführer für Finanzen, Produktion und Einkauf zuständig ist. Das ist mehr als doppelt so viel wie 2015.
Den Absatz steigerten die Hamburger auf 20 Millionen Flaschen – und das ohne Listungen bei Großhändlern und Discountern. Inzwischen arbeiten 100 Beschäftigte für die Getränkefirma. „Wir haben schon einen ganz guten Weg hingelegt, auch wenn wir noch nicht in der Gewinnzone sind“, sagen Bethke und Langguth und gucken sich dabei tief in die Augen. Die Studienfreunde, inzwischen 38 und 37 Jahre alt, führen das Unternehmen seit dem Ausstieg von Mitgründer Jakob Berndt vor einem guten Jahr zu zweit und inzwischen auch ohne externe Geldgeber.
Die Erwartungen sind groß. Das liegt auch an den hohen Ansprüchen, mit denen Lemonaid 2009 angetreten war, um den Getränkemarkt aufzumischen. Einerseits Softdrinks herzustellen, die nicht nur Zuckerwasser mit Farbe und Aromastoffen sind, und zudem bei Themen wie Nachhaltigkeit zum Umdenken anzuregen.
2016 mit Deutschem Gründerpreis ausgezeichnet
2016 brachten sie als weitere Produktlinie unter dem Markennamen Charitea auch Tee zum Aufbrühen heraus. „Ich war nie ein Limonadenverkäufer“, betont Paul Bethke gern, der Vertrieb und Marketing verantwortet. „Der Hilfsgedanke war zuerst da. Der Getränkeverkauf ist Mittel zum Zweck.“ Fünf Cent von jeder Flasche, so das Versprechen, gehen an den Verein Lemonaid & Charitea e.V., der damit soziale, wirtschaftliche und ökologische Strukturen in den Anbauländern unterstützen soll. 2012 brachte ihnen das Unternehmenskonzept den Hamburger Gründerpreis ein, 2016 wurden sie mit dem Deutschen Gründerpreis ausgezeichnet.
Neue Sorte Charitea ist in Vorbereitung
„Eine unserer wichtigsten Aufgaben ist es, dass wir unsere Ziele auch an die Kunden kommunizieren“, sagt Bethke, der früher in der Entwicklungshilfe gearbeitet hat und aus familiären Gründen oft in Sri Lanka ist. Die Lemonaid-Gründer sehen sich als Pioniere unter den Firmen, die sich auch sozial engagieren. „Wir sind Teil einer Bewegung und wollen den positiven Wandel pushen.“ Insgesamt vier Millionen Euro sind nach eigenen Angaben für die Projektarbeit zusammengekommen. Davon allein eine Million Euro im vergangenen Jahr.
In der aktuellen Übersicht des Vereins sind 27 Projekte mit einem Fördervolumen von etwa 700.000 Euro für das Jahr 2018 verzeichnet, von Mikrokrediten an argentinische Bauern über die Unterstützung eines Kinderhorts in Paraguay, Bildungsprogrammen in Ruanda bis zu einer Saatgutbank in Südafrika. „Unser Ansatz ist, Menschen wirtschaftlich unabhängig zu machen“, sagt Bethke, der wie viele andere Lemonaid-Mitarbeiter häufig in den Ländern unterwegs ist und Initiativen besucht.
Weitere Expansion
Für 2019 setzt das Führungsduo auf die weitere Expansion im europäischen Ausland, von Dänemark bis Spanien. Aber auch in Südkorea oder Dubai gibt es die Kult-Limo aus Hamburg schon. Im vergangenen Jahr war eine Ingwer-Limonade als neues Produkt auf den Markt gekommen, im nächsten Jahr soll ein neuer Charitea gelauncht werden. Auch die Teebeutel-Range mit aktuell 13 Sorten soll ausgebaut und verstärkt in der Gastronomie platziert werden. „Wir wollen wachsen, aber es geht nicht darum, den Absatz hochzujagen“, sagt Felix Langguth und klingt dabei ganz nach hanseatischem Unternehmertum.
Lemonaid ist aus der Start-up-Phase raus. Jetzt geht es darum, im Wirtschaftsleben zu bestehen. Auch in der Sache mit dem Zuckergehalt in ihren Limonaden setzt das Führungsduo auf langen Atem. Sie haben selbst beim zuständigen Amt in Berlin eine Überprüfung der Lebensmittelverordnung für Erfrischungsgetränke beantragt. Damit Lemonaid auch weiter Limonade bleibt.