Hamburg. Die Hamburger Regionalwert AG gibt Aktien aus und beteiligt sich an nachhaltigen Betrieben – Anleger bekommen vorerst keine Rendite.

„Alles braucht seine Zeit“, sagt Hans Möller, Vorstand der kleinen Meierei Horst im Kreis Steinburg. „Wir arbeiten traditionell, stellen noch tagesfrische Milch her, die nur bei 72 Grad pasteurisiert wird“, sagt Möller. Auch Sauerrahmbutter und der Schulenburger Quark haben lange Reifezeiten. Doch fast hätte die 1891 gegründete Meierei wegen wirtschaftlicher Probleme aufgeben müssen. Ein neues Konzept verhinderte das. Jetzt können nicht nur Milchbauern, sondern auch Verbraucher Mitglied der Genossenschaft werden. 250 Konsumenten haben das schon getan. Zusätzlich hat sich die Regionalwert AG aus Hamburg mit 100.000 Euro an der Meierei beteiligt. „Wir haben jetzt eine solide Grundlage, auf der wir weiter wachsen können“, sagt Möller.

Das kleine Unternehmen passt gut in das Konzept der Regionalwert AG. Deren Aktionäre sind Bürger aus Norddeutschland, die sich für eine nachhaltige Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion einsetzen. Bis Mitte Februar läuft noch die Ausgabe neuer Aktien zum Nennwert von 500 Euro. Das Geld wird dann von der Beteiligungsgesellschaft wieder in ökologisch arbeitende Betriebe in der Region investiert.

Für die Anteilseigner ist es eine Anlage von eher ideellem Wert. Die Papiere werden nicht an der Börse gehandelt. Auch eine Dividende gibt es noch nicht. „Wir richten uns nicht an renditehun­grige Anleger, sondern an Bürger, die bäuerliche und nachhaltige Betriebe fördern wollen“, sagt Ulf Schönheim, Vorstand der Regionalwert AG Hamburg. Maximal 1,3 Millionen Euro können in der neuen Finanzierungsrunde eingesammelt werden. Der Bedarf ist größer „Es gibt mehr Finanzierungswünsche als wir erfüllen können, denn kleine landwirtschaftliche Betriebe haben es schwer, eine Finanzierung von der Bank zu bekommen“, sagt Schönheim.

Auch in der Hafencity aktiv

Wer sich einen Überblick über die Arbeit der Regionalwert AG verschaffen möchte, muss nichts gleich auf das Land fahren. Denn in der Hafencity hat sich das Unternehmen am Hobenköök beteiligt, einer Markthalle mit Gastronomie im Oberhafenquartier. Hobenköök ist Plattdeutsch und heißt Hafenküche. Hier gibt es regionale Produkte wie Obst, Gemüse, Brot, Fleisch, Molkereiwaren aus dem Netzwerk der Beteiligungsgesellschaft, also von kleinen Unternehmen, an denen sich die Regionalwert AG beteiligt hat, oder solchen, die ihre Produkte besser vermarkten wollen.

Knapp 30 Firmen gehören inzwischen zu diesem Netzwerk. Dazu gehören der Bioland-Hof Koch aus der Nähe von Amelinghausen, in den 200.000 Euro investiert wurden, der Bioland-Obsthof Jörg Quast aus dem Alten Land oder Odefey & Töchter. Die Uelzener Firma züchtet Weidehühner für die Spitzengastronomie. Kürzlich ist der Kantinenbetreiber Alsterfood der Regionalwert AG beigetreten. Der Caterer möchte von den frischen Produkten der anderen Partner profitieren.

In den Auslagen der Hobenköök liegen Karotten, Altländer Äpfel, Quitten, verschiedene Kohlsorten – und die Erzeugnisse der Horster Meierei. „Der Vorteil ist, dass die Markthalle bis 20 Uhr geöffnet hat und auch Berufstätige hier nach Feierabend noch einkaufen können“, sagt Schönheim. Die Markthalle ist nicht die einzige Vertriebsschiene. „Alle Betriebe verpflichten sich zu ökologischen und sozialen Kriterien, enger Zusammenarbeit und sich untereinander Produkte abzunehmen. Wir verbinden mit unserem Netzwerk Bauernhöfe, Lebensmittelhandwerker, Händler und Gastronomen.“

„Keine Zinsen gibt es auch bei der Bank“

Davon profitiert auch Thomas Sampl, Koch und einer der drei Geschäftsführer vom Hobenköök. Er benötigt große Mengen frischer Lebensmitteln für die Gastronomie und die Markthalle. „Es ist schwierig, Lebensmittel mit Geschmack und konkretem Herkunftsnachweis zu bekommen“, sagt Sampl. „Ich bevorzuge Waren, deren Erzeugern ich die Hand schütteln kann.“ Sampl arbeitete zuvor als Küchenchef im Restaurant Vlet in der HafenCity. Im Hobenköök präsentiert er eine einfache und authentische Küche. „Die Kunden können durch die offene Küchen sehen, wie die Produkte zubereitet werden und auch die Köche nach Tipps fragen“, sagt Sampl. Gleich neben der Hobenköök ist noch eine riesige Fläche eines Güterbahnhofs der Deutschen Bank frei. Hier kann sich Sampl vorstellen, sein Konzept noch zu erweitern, etwa mit Gewächshäusern und einem Fischteich.

Mit jeder neuen Finanzierungsrunde wächst der Kreis der Aktionäre der Regionalwert AG um etwa 100 Personen. Gut 450 sind es bisher. Zu den Gründungsaktionären gehören auch Budnikowsky und der Safthersteller Voelkel. Privatpersonen erwerben in der Regel zwischen einer und zehn Aktien. Einer von ihnen ist Martin Hack. Der Rechtsanwalt hat sich mit einigen Tausend Euro beteiligt. „Der nachhaltige Umgang mit Lebensmitteln ist mir sehr wichtig, das habe ich schon im Elternhaus gelernt“, sagt er. Dass es keine Dividende gibt, stört ihn nicht. „Keine Zinsen gibt es auch bei jeder Bank“, sagt er. Die vinkulierten Namensaktien kann man nicht an der Börse verkaufen. „Wir können aber zwischen Käufern und Verkäufern vermitteln, wenn sich jemand von Papieren trennen möchte“, sagt Schönheim. „Es ist eher eine langfristige Anlage aus Überzeugung.“

Regelmäßige Beiträge

Die Einnahmen der Regionalwert AG, die es bundesweit auch in anderen Regionen gibt, resultieren vor allem aus den Beteiligungen und den regelmäßigen Beiträgen von Lizenzpartnern. Für die Beteiligungen müssen die Unternehmen Zinsen zahlen. „Je näher die Betriebe an der Landwirtschaft sind, desto niedriger sind die Zinsen, weil die Risiken bei der Produktion unter freiem Himmel am größten sind“, sagt Schönheim. Er nennt eine Spanne zwischen zwei und fünf Prozent Zinsen für die Beteiligungen. „Langfristig wollen wir natürlich Überschüsse erwirtschaften“, sagt Schönheim. „Wie die dann verwendet werden, das werden die Aktionäre entscheiden.“