Elmshorn. Professor aus Elmshorn hat eine Software für den heimischen Kühlschrank entwickelt, die sich jeder kostenlos herunterladen kann.
Seine Dissertation schrieb er zu dem etwas sperrigen Thema „Die Auftragsabwicklung bei Unikatfertigern im Zulieferbereich des Chemiegroßanlagenbaus“, den Studierenden an der Nordakademie in Elmshorn (Kreis Pinneberg) bringt Michael Skall in Vorlesungen und Seminaren das IT-Management nahe. Und einer neuen Lerneinheit, die er gerade konzipiert, hat der Wirtschaftsinformatik-Professor den lebensnahen Arbeitstitel „Alexa und Co“ gegeben. Es wird insbesondere um den sinnvollen Einsatz digitaler Assistenten in Unternehmen gehen.
Daheim in der Küche nutzt Familie Skall den bereits mehr als 100 Millionen Mal verkauften Sprachassistenten Alexa des weltgrößten Online-Händlers Amazon seit einigen Wochen bereits ziemlich intensiv. Der digitale Haushaltshelfer mit der sanften Frauenstimme kennt den Kühlschrankinhalt der Skalls bis hin zur letzten Senftube – und erzählt ihnen, welche Lebensmittel demnächst ihr Haltbarkeitsdatum überschreiten werden. Die Software namens „Mein Kühlschrank“ – IT-Experten nennen solche Programme für Sprachassistenten „Skill“ – hat der Professor selbst geschrieben.
„Es hat mich schon immer gestört, dass wir den Inhalt des Kühlschranks nicht wirklich im Griff hatten. Es sind immer mal wieder Lebensmittel schlecht geworden“, sagt er. Die Skalls sind da nicht allein. Laut einer Studie der Universität Stuttgart werden in deutschen Haushalten pro Jahr etwa 6,7 Millionen Tonnen Lebensmittel weggeworfen. Das sind 82 Kilo pro Kopf und Jahr. Nach Berechnungen der Wissenschaftler verschwendet jeder Bürger binnen zwölf Monaten Nahrungsmittel im Wert zwischen 200 und 260 Euro. Die Gründe sind vielfältig. Zu viel gekocht, falsch gekauft oder gelagert und nicht selten: abgelaufenes Haltbarkeitsdatum.
Alexa merkt sich alles
Zumindest das kommt bei den Skalls jetzt nicht mehr vor. Denn Alexa schlägt Alarm, wenn einer der Artikel dringend verbraucht werden sollte. Jedenfalls, wenn man sie danach fragt. Der Mini-Lautsprecher mit Mikrofon, über die der Sprachassistent mit seinem Nutzer kommuniziert, liegt bei den Skalls auf dem Küchentresen. Wenn der Hausherr Einkäufe in den Kühlschrank räumt, sagt er zu dem Gerät Sätze wie: „Drei Liter Milch, haltbar bis 26. Januar.“ oder „Harzer Roller, haltbar bis 1. November.“ Ist ein Produkt verbraucht, sagt er das auch. Alexa merkt sich alles. Und kann auf Zuruf erzählen, was vorhanden ist und welche der Artikel in den nächsten Tagen das Haltbarkeitsdatum überschreiten.
„Im Grunde ist es eine Bestandsverwaltung, wie es sie in jedem Unternehmen gibt“, sagt Michael Skall. Für Lebensmittel in privaten Haushalten offenbar bislang aber nicht. „Ich habe lange danach gesucht, aber nichts gefunden. Und dass, obwohl in Deutschland pro Jahr Lebensmittel im Wert von 185 Milliarden Euro verkauft werden“, sagt er. Hausgeräte-Hersteller wie Samsung und LG haben das Thema auch schon entdeckt. Ihre mehrere Tausend Euro teure Premium-Modelle sind mit Sprachassistenten ausgestattet, teils mit großen Touchscreens, die auf Wunsch transparent werden und einen Blick ins Innere des Geräts erlauben. Oder mit Kameras auf jeder Kühlebene, deren Bilder sich per Smartphone abrufen lassen.
Die Kühlschrank-App hat das Leben der Skalls bereits ein stückweit verändert: „Wir denken mehr darüber nach, wie viel von welchem Produkt wir tatsächlich kaufen sollten. Manchmal müssen wir kurzfristig die Pläne für das Abendessen ändern. Insgesamt kaufen wir weniger und bewusster ein“, sagt der 62-Jährige. Dieser Nachhaltigkeitsgedanke kommt nicht von ungefähr. Er spiele an der Nordakademie, an der Auszubildende ein duales Studium neben der Lehre in einem Unternehmen absolvieren, eine große Rolle, so Skall. Die Fachhochschule hat sogar eine Nachhaltigkeits-Professur eingerichtet.
Nächste Software-Version
Im Haushalt des Professors ist der digitale Alltagshelfer seit mehreren Monaten im Einsatz. Wer es ihm nachmachen will, benötigt ein Gerät, auf dem Alexaläuft – zum Beispiel Echodot. Dann muss man das Programm „Mein Kühlschrank“ installieren – und los geht’s. Die kostelose Software sei bereits 1700 Mal kostenlos heruntergeladen worden, sagt Skall. In Tutorial-Filmen auf Youtube erklärt er, wie das System funktioniert. „Über die Resonanz bin ich erstaunt“, so der Professor. Er sagt aber auch: „Wenn zehn Prozent die Software tatsächlich nutzen, bin ich schon sehr zufrieden.“ Ihn koste die Erfassung eines größeren Einkaufs mit Alexa „drei bis fünf Minuten. Mir macht das Spaß.“ Trotzdem: „Man muss das wollen und sich darauf einlassen.“
Was aber ist mit dem Datenschutz? Die Sprachbefehle an die Assistenten werden an Cloud-Server übertragen. Experten mahnen zur Vorsicht. „Als Verbraucher sollte man nicht jedes Produkt blind installieren“, warnte unlängst Thomas Bendig vom deutschen Fraunhofer-Verbund für Kommunikationstechnologie. Skall hat da keine Bedenken. „Nutzer können die Sprachbefehle eigenständig löschen“, sagt er.
Die Arbeit an der nächsten Software-Version läuft bereits. Derzeit kann Alexa mit Begriffen für etwa 800 unterschiedliche Lebensmittel etwas anfangen. Künftig sollen es um die 1600 sein. Und schon jetzt lassen sich auch Mindestbestände in der Kühlschrank-App definieren. Dann sagt der Sprachassistent Bescheid, welche Lebensmittel bald nachgekauft werden sollten. Michael Skall denkt bereits weiter und über eine Vernetzung seiner Software etwa mit Rezept-Programmen nach. „Dann könnte Alexa Vorschläge machen, welches Gericht sich aus den Produkten im Kühlschrank kochen lässt.“