Hamburg. Immer mehr Hamburger hängen Kugeln und Strohsterne nicht mehr selbst an ihre Tanne oder Fichte. Die Helfer kommen ins Haus.

Noch mehr als eine Woche bis Weihnachten, aber im Wohn­zimmer von Familie Touati leuchtet der Weihnachtsbaum schon verheißungsvoll neben dem Flügel. Glitzernde Sterne, Kugeln in leuchtendem Violett und viele kleine Licher. Gianni Kunstmann guckt kritisch, dann nimmt er noch einen Stern aus der großen Kiste und hängt ihn in die grünen Zweige. Fertig. O Tannenbaum. Stefanie Touati strahlt. „So habe ich mir unseren Baum vorgestellt.“

Die Ohlstedterin gehört zu einer kleinen, aber wachsenden Gruppe, die bei Tannenbaumhändler Kunstmann den Baum gleich samt Schmuck bestellt. „Ich bin nicht so der Deko-Profi – und mir fehlt auch die Zeit“, sagt die Mutter von drei Teenager-Kindern, die als psychologische Gerichtsgutachterin arbeitet. 290 Euro hat sie sich ihren Traumbaum kosten lassen, dazu kommen diverse Gestecke für noch mal 400 Euro. Alles frei Haus.

Schon fünf Prozent der Deutschen bestellen ihren Weihnachtsbaum inzwischen im Internet, schätzt der Bundesverband der Weihnachtsbaumerzeuger. Besonders in Städten ist der Trend spürbar. „Das Onlinegeschäft wächst jedes Jahr um 20 Prozent“, sagt Händler Kunstmann, der über den Onlineshop tannenbaum-hamburg.de verkauft und in der Stadt 14 Stände betreibt.

Pro Jahr werden 27 Millionen Weihnachtsbäume verkauft

Auch Jan Jansen, Geschäftsführer des Familienunternehmens Jansen Baumkulturen in Neu Wulmstorf, das in der Saison in und um Hamburg mehr als 10.000 Bäumen aus eigenem Öko-Anbau verkauft, sagt: „Bei uns wird inzwischen jeder vierte Baum online geordert.“ Neben Onlineportalen wie Amazon und Baumarkt-Ketten haben sich in den vergangenen Jahren diverse kleinere Online-anbieter wie die Weihnachtsbaumlieferung Lanne im schleswig-holsteinischen Kattendorf unter dem Namen Tim Tanne auf den Weihnachtsbaum per Mausklick spezialisiert.

Das Geschäft mit den Weihnachtsbäumen ist ebenso umkämpft wie lukrativ. Mehr als 27 Millionen Weihnachtsbäume werden jedes Jahr verkauft, gut 700 Millionen Euro umgesetzt, schätzen Branchenvertreter. Der heiße Sommer hinterlässt allerdings Spuren. Die Tannenbäume sind nicht so stark gewachsen wie erhofft, es kam zu Nadelverlusten im Inneren der Bäume. Dafür wuchsen sie dichter, die gefürchtete Nadelbräune – ein Schlauchpilz bei hoher Luftfeuchtigkeit – trat nicht auf.

Grundsätzlich sei die Qualität der Weihnachtsbäume aus Schleswig-Holstein gut bis sehr gut, sagte der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft der Weihnachtsbaumproduzenten, Axel Graf von Bülow. Allerdings warnen Händler davor, dass die Bäume trockener sind und dadurch die Haltbarkeit sinkt. Die Preise variieren von 18 bis 24 Euro für den laufenden Meter Nordmanntanne. Grundsätzlich liegen sie damit auf Vorjahresniveau – allerdings: „Hier und da verteuern sich die Bäume um 50 Cent pro Meter wegen höherer Transport- oder Lohnkosten“, so von Bülow.

Nachfrage nach dekorierten Weihnachtsbäumen steigt

Bei einem der großen Tannenbaumverkäufer in der Metropolregion, dem Erdbeerhof Glantz, kostet die Nordmanntanne bis zu einer Größe von 1,50 Meter 29 Euro, bis zwei Meter 45 Euro. In Schleswig-Holstein werden insgesamt in dieser Saison etwa 650.000 bis 700.000 Bäume geschlagen. Da es bei Neuanpflanzungen wegen der Trockenheit zu Ausfällen kam, werden die Bäume perspektivisch teurer – in acht bis zehn Jahren, so die Schätzungen.

Die Nachfrage nach dekorierten Weihnachtsbäumen entwickelt sich derweil positiv. Bislang werden sie vor allem von Firmen als Dekoration bestellt. „Vor drei bis vier Jahren hatten wir noch gar keine Nachfragen von Privatkunden“, sagt Jan Jansen. In diesem Jahr hat er bislang etwa 50 Bestellungen – zu Preisen ab 235 Euro plus Mehrwertsteuer. Bei Gianni Kunstmann sind es 300 Bestellungen. „Die Kunden sind meist ältere Menschen, denen das Besorgen und Schmücken zu mühselig ist, oder Berufstätige, die stark eingespannt sind“, sagt der Tannenbaumhändler, der seine dekorierten Bäume ab 190 Euro anbietet.

Für das Schmücken wird eine Stunde veranschlagt

Geschmückt wird nach Wunsch der Kunden und mit Unterstützung einer Dekorateurin – klassisch in Rot-Gold, in Blau-Silber, nach amerikanischer Art oder mit Strohsternen. Schmuck, Ständer, Lichter bringt der Händler mit. Eine Stunde veranschlagt er für das Schmücken. „Wir machen alles, nur Lametta kommt mir nicht an den Baum“, sagt Kunstmann, der in der Saison 20 Mitarbeiter beschäftigt und sonst eine Transportfirma betreibt und im väterlichen Eiscafé arbeitet.

Stefanie Touati hat sich für die Stilrichtung modern entschieden. „Im vergangenen Jahr hatten wir einen Baum in Türkis-Silber“, sagt die 46-Jährige. Spätestens am dritten Advent muss er bei der deutsch-arabischen Familie stehen, „damit man auch etwas davon hat“. Das entspricht nicht so ganz deutscher Weihnachtstradition, aber für Touati überwiegen die praktischen Aspekte. „Man muss nicht alles neu kaufen, wenn man sich für ein anderes Farbkonzept entscheidet“, sagt sie. Und lagern muss man auch nichts. Tannenbaumhändler Kunstmann holt im Januar alles wieder ab und fegt danach aus. Seinen Weihnachtsbaum hat er auch gerade geschmückt – in Türkis-Silber. „Ich bin dieses Jahr spät dran. Es ist viel zu tun.“