Hamburg. Arbeitslosigkeit in Hamburg sinkt auf 25-Jahres-Tief. Aber Ungelernte profitieren davon nicht.

Erfahrungen in der Hamburger Gastronomie hat der Syrer Yousef Alarbaji schon in einigen Restaurants gesammelt. „Ich habe in der Küche ausgeholfen“, sagt der 39-Jährige, der in seiner Heimat einen kleinen Kiosk betrieben hat, bevor der Krieg begann und ihn vertrieb. Für ihn sind die Arbeiten in der Küche des Grone-Bildungszentrums nicht neu. Gemüse putzen, Kartoffeln schälen oder Soßen zubereiten, das kann er schon sehr gut. Von dem zweiwöchigen Kursus unter dem sperrigen Namen Kompetenzfeststellung, den er zusammen mit etwa 15 anderen Flüchtlingen absolviert, erhofft er sich viel für seine berufliche Zukunft.

Ende November waren 62.566 Hamburger arbeitslos

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„Am Ende bekommen wir ein Zertifikat der Handelskammer und treffen in einem Speeddating auf Arbeitgeber aus der Gastronomie“, sagt Alarbaji. Am liebsten möchte er möglichst schnell arbeiten und Geld verdienen, auch als Ungelernter. Denn er weiß, eine Ausbildung zum Koch dauert noch einmal drei Jahre. Aber dann überlegt er einen Moment und schiebt nach: „Ich mache auch eine Ausbildung, wenn sie mir angeboten wird.“ Langfristig wäre das sicher die bessere Wahl.

Denn die neue Arbeitsmarktstatistik zeigt, auch in Zeiten hoher Beschäftigung haben es Menschen ohne Ausbildung schwer. So ist die Zahl der Jobsuchenden in Hamburg im November auf den niedrigsten Stand seit 25 Jahren zurückgegangen. Ende November waren 62.566 Hamburger arbeitslos gemeldet. Das sind 5,4 Prozent weniger als vor einem Jahr. Die Arbeitslosenquote sank von 6,5 auf 6,0 Prozent. „Der Hamburger Arbeitsmarkt entwickelt sich sehr dynamisch“, sagt Sönke Fock, Chef der Arbeitsagentur Hamburg. „Neue Stellen wurden vor allem in den Bereichen Verarbeitendes Gewerbe, Dienstleistungen und in der Kommunikationstechnik geschaffen.“ Bei den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten gibt es mit 988.300 Arbeitnehmern in Hamburg einen neuen Rekord.

Aber vom Aufschwung profitieren nicht alle Arbeitslosen. „Eine große Herausforderung sind Menschen ohne Ausbildung oder wenn sie aus verschiedenen Gründen dem Arbeitsmarkt länger nicht zur Verfügung standen“, sagt Fock. Die Zahl der Arbeitslosen ohne Berufsabschluss ist in Hamburg innerhalb eines Jahres um 12,4 Prozent auf 35.533 gestiegen. Sie machen damit knapp 57 Prozent aller Arbeitslosen in der Hansestadt aus.

Rechnet man zu den 62.566 Arbeitslosen noch jene Jobsuchenden hinzu, die eine Qualifizierung machen, einen Ein-Euro-Job haben oder andere Maßnahmen wie Sprachkurse absolvieren, dann sind fast noch 125.000 Hamburger auf Jobsuche (siehe Tabelle). Da sie aber dem Arbeitsmarkt nicht unmittelbar zur Verfügung stehen, fallen sie nicht unter die Arbeitslosenzahl.

18.700 Stellen sind unbesetzt

„Die Nachfrage der Firmen nach Arbeitskräften ist auf einem hohen Niveau“, sagt Fock. Von den derzeit 18.700 unbesetzten Stellen sind nur etwa zehn Prozent für Un- und Angelernte geeignet. Meist kann die Arbeitslosen ohne Berufsabschluss nur eine Qualifizierung nachhaltig aus der Arbeitslosigkeit bringen. Insgesamt wurden im vergangenen Jahr von der Arbeitsagentur und dem Jobcenter 1317 arbeitslose Hamburger durch Qualifizierung auf Fachkräfteniveau gebracht. Sie arbeiten jetzt als Hafenfacharbeiter, Fachinformatiker, Anlagenmechaniker oder als Lokführer. Gute Chancen gebe es für Arbeitslose in den Bereichen Maschinen- und Fahrzeugtechnik, Hotellerie und Gastronomie sowie medizinische Gesundheitsberufe, sagt Fock. „Die Firmen wollen qualifizierte Mitarbeiter, weil die Aufgaben immer anspruchs­voller werden.“

Zusammen mit anderen Lehrgangsteilnehmern bereitet Alarbaji am Donnerstag Lammkeule mit orientalischem Gemüse zu. Als Vorspeise gibt es Kürbissuppe und zum Nachtisch Rosinen-Zuckerkuchen. „Wir stellen den Teilnehmern einen Warenkorb zur Verfügung und überlassen sie dann ihrer Kreativität“, sagt Ulrich Wessels, Geschäftsführer des Grone-Bildungszentrums. Zu den Teilnehmern gehört auch Hiba Almashhadini aus dem Irak und Zaheer Akbari aus Afghanistan. Er möchte eine Ausbildung im Service­bereich der Gastronomie machen, während sich Almashhadini eine Ausbildung als Köchin wünscht.

Während der zweiwöchigen Kompetenzfeststellung geht es nicht nur um Tätigkeiten in der Küche, sondern auch im Service und im Housekeeping. „Von den 300 Teilnehmern, die wir bisher hatten, haben 90 eine feste Anstellung in Gastronomie oder Hotellerie gefunden“, sagt Wessels. Christoph Strenger, Geschäftsführer der East Group, die auch die Gastronomie in der Elbphilharmonie betreibt, beschäftigt Mitarbeiter aus 40 Nationen. „Wir bieten zahlreiche Ausbildungsplätze und sichere Jobs“, sagt er. Entscheidend sei nicht, woher einer kommt, sondern welche Motivation er mitbringt. Maximilian Karl, Geschäftsführer von Nord Event, setzt sich dafür ein, Geflüchtete nach ihrem beruflichen Einstieg weiter zu unterstützen, damit sie sich ein Leben in Deutschland aufbauen können. Kurse zur Kompetenzfeststellung gibt es auch in anderen Branchen wie dem Handwerk, der Logistik und auf dem Bau.

Integration der Flüchtlinge kommt gut voran

Insgesamt kommt die Integration der Flüchtlinge in den Hamburger Arbeitsmarkt gut voran. Gegenwärtig sind 10.500 von ihnen sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Innerhalb eines Jahres hat sich ihre Zahl um 41 Prozent erhöht. Mehr als die Hälfte von ihnen arbeiten als Fachkräfte und Spezialisten, teilte die Arbeitsagentur mit. Knapp 15.000 Flüchtlinge sind in Hamburg noch auf Jobsuche.

Die Zahl der Arbeitslosen ging auch bundesweit im November auf 2,186 Millionen zurück. Gegenüber dem Vorjahresmonat nahm die Zahl der Jobsuchenden um 182.000 ab. Die Arbeitslosenquote sank um 0,1 Punkte auf 4,8 Prozent. „Das ist ein schönes Ergebnis zu Weihnachten“, sagte Detlef Scheele, Chef der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg. Der Rückgang der Arbeitslosigkeit sei für diesen Monat angesichts der Jahreszeit kräftig ausgefallen. „Es drohen auch künftig keine Risiken.“