Hamburg. Bei ‘s Fachl können Händler ihre Ware in Obstkisten anbieten. Die Wochenmiete beträgt 11,90 Euro. Konzept kommt gut an.
Jede Kiste ist ein Laden. Und das ist wörtlich gemeint. Handgeschöpfte Seifen neben Babystramplern, Armbänder mit eingelegten Blüten neben bunten Portemonnaies, Honig aus Hamburger Parks neben Hundekeksen mit Leberwurst-Mandel-Geschmack. Es gibt auch gehäkelte Taschen, alkoholfreies Craftbier und Urnen, die biologisch abbaubar sind. Passt nicht zusammen? Doch. Denn alles, was im ‘s Fachl verkauft wird, kommt von kleinen, unabhängigen Produzenten zumeist aus Hamburg und der Umgebung. „Wir sind eine Vertriebs- und Vermarktungshilfe für Start-ups, Kleinstgewerbetreibende, Handwerker und Kreative, die sich bei uns einmieten können“, erklärt Nils Tönnesen das Konzept seines Ladens. Eine Art Miniatur-Ausgabe eines Kaufhauses.
Jeder Shop ist genau so groß wie eine Apfelkiste: 40 Zentimeter hoch, 50 breit und 30 tief, ein Fachl eben. Das ist österreichisch und steht für kleines Fach. Die Idee für die Geschäfte aus der Obstkiste kommt aus Wien. Inzwischen gibt es bereits acht Standorte im Alpenland. Das Konzept kommt so gut an, dass die Gründer Christian Hammer und Markus Bauer jetzt auf Expansionskurs sind. In Ottensen hat Nils Tönnesen Anfang September den ersten Standort in Deutschland eröffnet. Als Kooperationspartner oder wie die Österreicher sagen: Fachl-Meister. „Wir wollen einen Ort zum Stöbern schaffen und Dinge anbieten, die es sonst nicht gibt“, sagt der 52-Jährige.
Platz für 250 Fachl
In dem Laden direkt am Spritzenplatz ist Platz für 250 Fachl, 200 sind schon vermietet. Dazu kommen etwa 20 Reservierungen. Hendrik Dreyer ist einer der ersten Mieter. An diesem Vormittag ist er gekommen, um Waren aufzufüllen. Im vergangenen Jahr hat er das Kaffee-Label Hinnerk’s gegründet. Zwei Sorten hat der Hamburger, der hauptberuflich in der Kaffeebranche arbeitet, im Angebot. Das 250-Gramm-Paket kostet 6,95 Euro. Anfangs habe er versucht, seine Bohnen über Amazon im Internet zu verkaufen, erzählt er.
Mit mäßigem Erfolg. Dann hörte er vom ‘s Fachl – und war angetan. „Es ist eine Möglichkeit für mich, von den Kunden gesehen zu werden und in den Einzelhandel reinzukommen.“ 11,90 Euro kostet die Wochenmiete für ein Fach, Mindestlaufzeit sind fünf Wochen. Von jedem verkauften Artikel gehen zehn Prozent Umsatzprovision an ‘s Fachl. Dreyer hat inzwischen schon einige Kaffee-Tüten verkauft. „Das läuft gut an“, sagt er und räumt den Nachschub ein.
Hinter dem Ladenkonzept steht eine komplexe Software, über welche die Bestandsverwaltung und Abrechnung gemanagt werden. Jedes Produkt bekommt einen Barcode, der beim Verkauf eingescannt wird und Transparenz gewährleisten soll. „Die Produzenten können online verfolgen, was in den Filialen über die Ladentheke gegangen ist und wie hoch ihre Einnahmen sind“, sagt der Hamburger Fachl-Meister Tönnesen, der eigentlich Maschinenbau-Ingenieur ist und lange in einem großen Unternehmen gearbeitet hat. „Die Resonanz der Kunden über die Vielfalt des Angebots ist sehr positiv“, sagt der Neu-Unternehmer.
In Österreich hat sich die Geschäftsidee seit der Gründung vor drei Jahren etabliert und wächst rasant. Das junge Unternehmen ist kurz davor, die Umsatzmarke von drei Millionen Euro zu knacken. Mehr als 355.000 Produkte wurden verkauft. Ein Pluspunkt: Wenn sich ein regionaler Anbieter bei ‘s Fachl eingemietet hat, kann er seine Produkte auch an anderen Standorten verkaufen.
Raum für Workshops und Veranstaltungen
Aktuell sind die Gründer in ganz Deutschland auf der Suche nach weiteren Kooperationspartnern. Neben den Fachl-Läden gibt es auch eine abgespeckte Version, das sogenannte Fachl Eck. Dabei bietet ‘s Fachl bestehenden Händlern, etwa Bioläden oder Boutiquen, Kooperationen mit passenden Kleinstgewerbetreibenden an – inklusive Zugang zum IT-System. Zudem gibt es die Möglichkeit für die Produzenten, Web-Shops für ‘s Fachl zu eröffnen.
„Wir wollen aber vor allem den stationären Handel unterstützen“, sagt Tönnesen. Schon jetzt hat er eine kleine Kaffeebar eingerichtet. In den nächsten Monaten will er einen Raum für Workshops und Veranstaltungen herrichten. Sozialen Projekten bietet er günstigere Konditionen an, es gibt auch sogenannte Kinder-Fächer für ganz junge Unternehmer. „Bei der Auswahl achte ich vor allem auf die Vielfalt der Produkte“, sagt der Fachl-Meister. Und auf die Geschichten dahinter, die sehr unterschiedlich sind.
Es gibt professionellere Anbieter, wie einen Pfeifenbauer und einen Hersteller von ayurvedischen Limonaden. Oder verschiedene Winzer aus Österreich, die über die Fachl auf dem deutschen Markt Fuß fassen wollen. Und es gibt Produzenten, die noch ganz am Anfang stehen. Wie eine ältere Dame, die kurz vor der Eröffnung in den Laden kam, weil sie selbst gekochte Marmeladen anbieten wollte. Er habe ihr erst mal die Formalien für den Vertrieb von Lebensmitteln erklärt, sagt Tönnesen. Inzwischen hat sie alle nötigen Bescheinigungen vom Gesundheitsamt – und verkauft ihre Gläser aus der Obstkiste.