Hamburg. Zwei Hamburgerinnen finden keinen Investor für ihre Spezialunterwäsche. Dennoch sind sie mit dem Geschäft zufrieden .

Dass es nicht leicht werden würde, haben sie vorher gewusst. Mit dem Kaiserschlüpfer in der Löwenhöhle. „Wir haben vorher alle schwierigen Fragen, die jemals in der Sendung gestellt wurden, rausgeschrieben und für uns beantwortet“, sagt Julia Steinbach. 100.000 Euro für 15 Prozent der Firmenanteile hatten die Hamburger Gründerinnen bei ihrer Präsentation in der TV-Gründershow „Die Höhle der Löwen“ aufgerufen. Und dabei vor allem auf die beiden Frauen unter den Investoren gesetzt.

Gerade Judith Williams aber war es, die das Geschäftsmodell besonders scharf hinterfragte. „Jetzt wird’s schlüpfrig“, sagte sie und setzte gleich drei Fragezeichen: bei Produkt, Name, Markt. „Ihr müsst an der Marke arbeiten“, gab sie den Unternehmerinnen mit, die ohne Deal aus der Vox-Sendung gingen. Denn auch Ralf Dümmel mochte sich nicht recht mit dem Kaiserschlüpfer identifizieren und war als letzter Löwe ausgestiegen. „Im ersten Moment waren wir enttäuscht“, sagt Daniela Westberg-Heuer – und das sah man ihr auch an. Im Nachhinein aber seien sie beide froh gewesen. „Wir sind frei.“

Kaiserschlüpfer macht Produkte, die sich nicht unbedingt von selbst erklären – obwohl sie sehr viele Frauen betreffen. Es geht nicht um sexy Dessous, sondern um Unterwäsche für die Schwangerschaft, die Zeit nach der Geburt, nach dem Kaiserschnitt oder bei Regel- und Rückenschmerzen. „Wir wollen Frauen das Leben leichter machen“, sagen die Kaiserschlüpfer-Erfinderinnen, die ihre Kreationen gern als „Wohlfühlslips“ bezeichnen.

Gelpad als "Stoßdämpfer“

Markennamen und Gebrauchsmuster haben sie sich schützen lassen. Das Besondere: Vorn gibt es eine Tasche für ein Gelpad, das vor dem Druck schützt und zugleich kühlt. „Das wirkt wie ein Stoßdämpfer“, sagt Daniela Westberg-Heuer, die zwölf Jahre lang als Hebamme gearbeitet hat.

Geboren wurde die Idee – das stimmt wirklich – in einer Geburtsklinik. Julia Steinbach hatte 2015 ihr zweites Kind per Kaiserschnitt zur Welt gebracht. „Danach hatte ich große Probleme, den Druck auf die Operationsnarbe auszuhalten. Ich konnte weder Unterhose noch Hose tragen“, erinnert sich die 43-Jährige. Ihre Suche nach einer funktionierenden Abhilfe ergab – nichts. Gemeinsam mit ihrer Geburtshelferin Daniela Westberg-Heuer, selbst Mutter von drei Jungen, entwickelte sie den ersten Kaiserschlüpfer.

Die Resonanz war von Anfang an positiv. Schon kurz nachdem die ersten Modelle produziert waren, konnten die Hamburgerinnen 2017 in der Berliner Charité einen Produkttest durchführen. Ergebnis: „Die Zustimmung lag bei über 95 Prozent.“

Sieben Modelle im Angebot

Damit begann der Weg von der Idee zur eigenen Marke. Die beiden Frauen kratzten ihr Erspartes zusammen, nahmen einen Kredit auf und entwickelten ihr Portfolio weiter. Der „Bauchschmeichler“ etwa richtet sich mit einem hohen Stützbund an Mütter nach der Geburt und an alle anderen, die den Bauch gerne etwas flacher tragen. „Warme Tage“ heißt der Slip, der mit einem warmen Gelpad gegen Regelschmerzen helfen soll.

„Da sind eigene Erfahrungen eingeflossen und die Anregungen von Kundinnen“, sagt Daniela Westberg-Heuer, die wie Co-Gründerin Steinbach die eigenen Produkte auch selbst trägt. Natürlich. Sieben unterschiedliche Modelle gibt es inzwischen, in mehreren Farben und in Größen von XS bis XL. Alle bestehen aus einer festen Polyester-Mischung. Gefertigt werden sie von einem großen deutschen Wäschehersteller in Italien.

Wenige Tage vor Ausstrahlung der Gründershow sitzen die Kaiserschlüpfer-Chefinnen in der Küche der Familie Westberg-Heuer. Von einem Büro im Keller der Villa in Groß Flottbek betreiben sie ihr Geschäft. Daniela Westberg-Heuer hat ihren Job als selbstständige Hebamme aufgegeben. Julia Steinbach, seit Jahren in der Marketing-Abteilung des Hamburger Abendblatts, ist in Elternzeit.

Inzwischen macht die Firma Gewinn

Nachmittags, wenn die Kinder aus Kita und Schule nach Hause kommen, übernehmen drei Mitarbeiter Kundenberatung, Bestellungen und Con­trolling. An den Wochenenden, wenn sie zu Messen und Kongressen fahren, sind auch die Ehemänner im Einsatz, ein Kommunikationsexperte und ein Sportrechtevermarkter.

„Insgesamt haben wir mehr als 10.000 Artikel verkauft“, sagt Julia Steinbach. Innerhalb von einem guten Jahr habe sich der Absatz verfünffacht. Um dem erwarteten Anfrageansturm nach Ausstrahlung der Sendung standhalten zu können, haben sie die Serverkapazität erweitert und den Lagerbestand deutlich erhöht. Die Preise liegen zwischen 28,90 Euro (Modelle ohne Gelpad) und 39,90 Euro (mit Gelpad). Der Einkaufspreis liegt etwa bei einem Drittel. „Wir machen inzwischen Gewinn“, sagt Daniela Westberg-Heuer. Alles fließt in den Aufbau der Firma.

Bestellungen kommen vor allem über den eigenen Onlineshop und die Plattformen der Otto Group. Inzwischen sind die Kaiserschlüpfer auch in kleineren Spezialläden und einigen Apotheken im Angebot. Großer Coup für die Jungunternehmerinnen: Auch der Babymarkt Baby One führt seit Kurzem ihre Produkte. Im Juni wurden die Kaiserschlüpfer-Erfinderinnen von der Frauenzeitschrift „Emotion“ mit einem Preis in der Kategorie Gründerinnen ausgezeichnet. Jetzt wollen sie das Vertriebsnetz ausweiten, um noch stärker im stationären Handel vertreten zu sein.

Retouren sind selten

„Wir haben viele Fans“, sagt Daniela Westberg-Heuer. Retouren seien sehr selten. Besonders stolz sind die Gründerinnen darauf, dass sie keine Fotomodelle engagiert oder Kampagnen gestartet haben. „Für uns werben echte Frauen“, sagt Julia Steinbach und berichtet von zahlreichen Posts auf Social-Media-Kanälen, in denen Frauen sich begeistert über Kaiserschlüpfer äußern und eigene Fotos veröffentlichen. „Wir sind ein Trend auf Instagram.“

Für die beiden Gründerinnen ist das persönliche Feedback besonders wichtig. Das zeige, „dass wir auf dem richtigen Weg sind“. Dafür steht noch ein anderer Erfolg der jungen Unternehmerinnen. Kurz nachdem sie „Die Höhle der Löwen“ ohne Deal verlassen haben, fanden sie selbst einen Investor, der sogar deutlich mehr als die zunächst veranschlagten 100.000 Euro in Kaiserschlüpfer investiert hat. „Wir können jetzt so wachsen, wie es für uns passt.“