Hamburg. Goldschmied Uli Glaser fertigt Einzelstücke an und kombiniert alte und neueste Technik. Älteste Taschenuhr von 1782.
Für den Laien erschließt sich zwar nicht die Funktion, aber der Blick auf eines der rund 100 Jahre alten Uhrwerke fasziniert dennoch: Mehrere Ebenen von Zahnrädchen in farblich unterschiedlichen Metallen, stahlblau schimmernde Schrauben, rubinrote Lagersteine. Die meisten der Zeitmesser, für die Uli Glaser in der nach seinen Angaben exklusivsten Uhrenmanufaktur Hamburgs neue, selbst entworfene Armbanduhrgehäuse aus Gold, Platin und Titan anfertigt, gewähren nicht ohne Grund auch von der Vorderseite aus großzügige Einblicke in ihr Innenleben.
„Dies ist etwas für Menschen, die Technik lieben“, sagt Glaser über seine Einzelstücke. „Es geht aber auch um den Drang weg vom Massenprodukt – meine Kunden möchten etwas haben, was kein anderer hat.“ Die Käufer seien nicht selten Unternehmer, häufig im Alter „50 plus“. Schon aufgrund des Preises dürfte die Zielgruppe für Glasers Marke JTP unique überschaubar sein: Einfachere Stücke kosten 140.000 Euro, bei komplexen Konstruktionen mit Schlagwerk und Sekundenanzeige über eine rotierende Skala anstelle des Zeigers können es bis zu 350.000 Euro sein.
Zwei bis drei Uhren pro Jahr
„Immer mitgeliefert wird ein Buch, das die Geschichte des Uhrwerks und die technischen Einzelheiten erklärt“, sagt Glaser. Die Werke selbst stammten in der Regel von traditionsreichen Herstellern wie Jaeger LeCoultre, Patek Philippe, Audemars Piguet, IWC oder A. Lange & Söhne: „Ein berühmter Name erhöht natürlich den Wert.“ Meist handelt es sich um Taschenuhrwerke, sodass die Endprodukte größer ausfallen als die heute üblichen Armbanduhren.
Während ein Mitarbeiter von Glaser die Werke aufarbeitet, produziert der Firmeninhaber die Zifferblätter und das Gehäuse. In der Altonaer Werkstatt lagern Holzkästen mit mehr als 100 Jahre alten Uhrmacher-Werkzeugsätzen, aber auch moderne Maschinen. „Titangehäuse fräse ich mit einer Präzision von einem hundertstel Millimeter aus dem vollen Metallblock“, erklärt Glaser. Angesichts des Aufwands entstehen auf diese Weise nur zwei oder drei Uhren pro Jahr, wobei Wünsche des Kunden bei den Details der Formgebung berücksichtigt werden.
Die Kunden möchten etwas, was sonst niemand besitzt
Glaser ist nicht nur Goldschmiedemeister in vierter Generation, er hat außerdem ein Designstudium in Helsinki absolviert. Als er in den späten 1980er-Jahren nach Hamburg kam, produzierte er zunächst eine Kollektion von hochpreisigen Trauringen unter der Bezeichnung „Titan pur“. Diese Ringe hat Glaser noch immer im Angebot. Mit dem Innenleben von Uhren war er aber schon als Kind in Berührung gekommen: „Mein Urgroßvater hat in seinem Geschäft in Erfurt auch Uhren repariert.“ Dieses Geschäft führt Glaser neben seinem Hamburger Atelier noch heute.
Außer den Uhren mit der Markenbezeichnung „JTP unique“, die er seit acht Jahren im Programm hat, gibt es eine zweite Produktlinie: Glaser setzt kunstvoll ziselierte Original-Taschenuhrzifferblätter aus dem 19. Jahrhundert oder sogar vom Ende des 18. Jahrhunderts, einschließlich der alten Zeiger, in von ihm neu produzierte Armbanduhrgehäuse ein. Hierfür verwendet er jedoch nicht die ursprünglichen Werke, sondern setzt moderne mechanische Antriebe ein: „Bei Uhrwerken aus der Zeit deutlich vor 1900 sind die damals verwendeten Metalle eine Herausforderung für uns.“ Funktionsteile aus Messing machen es schwer, eine hinreichende Ganggenauigkeit zu erreichen; bei ständig getragenen Uhren sollten es nach den Maßstäben von Glaser nicht mehr als zehn Sekunden Abweichung pro Tag sein.
Taschenuhr von 1782
An die alten Taschenuhren – die älteste, die Glaser umarbeitete, stammte aus dem Jahr 1782 – kommt er nicht nur auf Auktionen und speziellen Messen in Basel oder Genf: „Es melden sich immer wieder auch Menschen bei mir, die solche wertvollen Stücke geerbt haben.“ Im neuen Gewand als Armbanduhren mit den rund 200 Jahre alten handgearbeiteten Zifferblättern aus Silber oder goldplattiertem Silber kosten sie dann um die 30.000 Euro – und sind damit weitaus günstiger als die mit Originalwerken von Nobelmanufakturen ausgestatteten Zeitmesser.
Unter den bis zu 350 Einzelteilen, aus denen diese bestehen, waren anfangs auch schon einmal etliche Brillanten – Käufer aus Russland wünschten das so. Aber mit der Zeit nahmen die Anfragen solcher Kunden ab. Denn Glaser legte mehr Wert darauf, die edlen alten Uhrwerke durch das Gehäuse herauszustellen, als sie „mit extravagantem Design zu verfremden“.