Hamburg. Die 25-jährige Hamburgerin investiert in das Hamburger Start-up Jetlite, das Fluggästen die Zeitverschiebung erleichtern will.

Für ein Topmodel gehört das Pendeln zwischen den Zeitzonen zum Job. Toni Garrn verließ nach dem Abitur ihre Geburtsstadt Hamburg und lebt seitdem in New York. Für ihre Aufträge in den Modemetropolen der Welt muss die 25-Jährige aber natürlich weiterhin viel reisen. Vor drei Tagen flog sie zunächst von Los Angeles nach New York, in der Nacht zum gestrigen Dienstag ging es dann nach Berlin. In der Hauptstadt wird sie morgen auf der Internationalen Luft- und Raumfahrtausstellung ILA ihr neues Investment offiziell vorstellen – und dieses hat einen engen Bezug zu ihrer Heimatstadt und zum Fliegen.

Garrn ist beim Hamburger Start-up Jetlite eingestiegen. Das bestätigte ihre Mutter und Managerin Anja Garrn dem Abendblatt. Sie habe fünf Prozent der Anteile erworben, sagte Achim Leder. Der 39-Jährige ist Geschäftsführer und Gründer von Jetlite. Die Firma erforscht die Wirkung des Lichts auf den Menschen bei Langstreckenflügen mit Zeitverschiebung. Ein Gebiet, auf dem Garrn viele eigene Erfahrungen einbringen kann.

Mit einer E-Mail fing die Zusammenarbeit an

„Langstreckenflüge und der damit verbundene Jetlag sind seit vielen Jahren Teil meines Lebens“, wird Garrn in einem am Dienstag veröffentlichten Pressestatement zitiert. Bei Jetlite möchte sie dafür sorgen, Flugreisen für alle Passagiere angenehmer zu machen. Sie freue sich, „dies als Mitglied eines jungen Unternehmens aus meiner Heimatstadt Hamburg tun zu dürfen“, sagt Garrn, die nun als Co-Gesellschafterin fungiert. Über finanzielle Aspekte des Geschäfts vereinbarten beide Seiten Stillschweigen.

Aber wie kommt es zu einer Zusammenarbeit eines jungen Start-ups aus Hamburg mit einem international bekannten Topmodel, das zudem als frühere Freundin von Hollywood-Star Leonardo DiCaprio Schlagzeilen machte? Das sei eigentlich relativ einfach gewesen, sagt Leder im Gespräch mit dem Abendblatt. „Ich hatte ein paar Interviews gelesen, in denen sie immer wieder darauf hinwies, dass die Reiserei sehr anstrengend sei“, sagt Leder.

Beleuchtung wird angepasst

Dann fasste er sich ein Herz und nahm per E-Mail den ersten Kontakt zu Anja Garrn auf. Die habe die Fakten zu Jet­lite abgefragt und sich sehr interessiert gezeigt, weil ihre Tochter direkt betroffen sei. Im vergangenen Herbst trafen sich Toni Garrn und Leder mehrmals in Berlin, Hamburg und New York. Das Interesse wurde vertieft. Sie vereinbarten im Dezember gemeinsam von Boston nach München zu fliegen. Auf der Strecke setzt die Lufthansa einen A350 ein. Der Großraumjet von Airbus hat die von Jetlite entwickelte Technologie bereits an Bord.

Der Kern des Geschäftsmodells des Start-ups ist ein auf wissenschaft­lichen Daten basierender Algorithmus. Mit diesem wird die Beleuchtung der Flugzeugkabinen auf Langstreckenflügen optimal an den menschlichen Biorhythmus angepasst – so sollen die Wirkungen des Jetlags reduziert werden. Was das in der Praxis heißt, erläutert Leder anhand des Fluges Boston–München. Bei dem Sieben-Stunden-Flug gibt es sechs Stunden Zeit- verschiebung. Start ist um 21 Uhr Ortszeit. Kurz darauf wird die Kabine in rotes Licht gehüllt, das deaktivierend wirke. „Da kann man besser schlafen“, sagt Leder. Um 10 Uhr Ortszeit erfolgt in München die Landung. Ab 8.30 Uhr wird der Blauanteil, der aktivierend wirke, im Licht erhöht. Dadurch wird weniger Schlafhormon Melatonin ausgeschüttet, die Passagiere werden wach. Die Stewardessen kommen mit dem Servicewagen.

Garrn war überzeugt

Toni Garrn sei von der Wirkung überzeugt gewesen, sagt Leder: „Sie hat entspannter geschlafen als sonst.“ Auch bei anderen Business-Class-Kunden der Lufthansa, die seit Februar 2017 erster Kunde von Jetlite ist und sieben A350 mit der Technik ausgestattet hat, sei das Feedback positiv. Der promovierte Wirtschaftspsychologe hofft, dass seine Technik bald serienmäßig an Bord der Airbus-Jets ist. Zudem will er weitere Airlines als Kunden gewinnen – auch dank der Hilfe von Garrn. „Wenn wir zusammen auf Events gehen, ist sie ein hervorragender Türöffner“, sagt Leder. Sie sei bestens vernetzt, kenne viele Topmanager von Fluggesellschaften und VIPs, die in Businessjets um die Welt reisen. Das ermöglicht, einen neuen Kundenkreis zu erschließen.

Achim Leder ist
Gründer und
Geschäftsführer
von Jetlite
Achim Leder ist Gründer und Geschäftsführer von Jetlite © HA | Michael Rauhe

Das Start-up mit Sitz im Zen­trum für Angewandte Luftfahrtforschung (ZAL) will nun in den nächsten Monaten die Entwicklung seiner App voranbringen. Die Inhalte seien geschrieben. „Die App soll Passagieren einige Tage vor, während des Fluges und danach helfen“, sagt Leder. So sollen beispielsweise Push-Nachrichten mit Tipps zum Schlafen, Sport und Essen versandt werden. Sie enthalten dann Verhaltenstipps wie: „Gehen Sie heute eine halbe Stunde früher ins Bett“, „Verlagern Sie ihren Sport in die Nachmittagsstunden“ oder „Essen Sie abends nur noch leichte Kost.“ So aßen Garrn und Leder kurz nach dem Start in Boston auch nur noch Käse und Kräcker und kein schweres Abendessen. Passagiere können die App nicht direkt kaufen. Sie erhalten den Zugriff über die App ihrer Fluglinie, die wiederum Jetlite für den Service bezahlen soll.

Die Zusammenarbeit mit Garrn wurde bereits Ende 2017 besiegelt. Der Austausch sei sehr gut, man treffe sich im Schnitt alle vier bis sechs Wochen, sagt Leder: „Toni Garrn engagiert sich inhaltlich sehr stark.“