Hamburg. Wie man an eine Entschädigung kommt, wenn Flüge ausfallen oder Fernbusse unpünktlich sind – und was der HVV für seine Gäste tut.

Die Deutschen sind mobil. Täglich legen sie im Schnitt 39 Kilometer zurück, ergab eine neue Studie. Doch die hohe Mobilität bringt auch Probleme mit sich – etwa wenn ein Verkehrsmittel ausfällt oder Verspätung hat. So waren im August weniger als 70 Prozent der Fernzüge in Deutschland pünktlich. Außerdem sorgten zuletzt streikbedingte Flugausfälle bei Ryanair-Passagieren auch in Hamburg für Ärger.

Welche Rechte können die Reisenden daraus ableiten? Wie hoch sind Entschädigungen und wie setzt man sie durch? Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen zu den Verkehrsmitteln Flugzeug, Bahn und Bus.

Welche Entschädigung gibt es bei
verspäteten Flügen?

Wenn der Flieger mit mehr als drei Stunden Verspätung am Endziel landet, werden Ausgleichszahlungen fällig. Bei einer Entfernung bis 1500 Kilometer muss die Fluggesellschaft 250 Euro pro Passagier zahlen. Bei Flügen bis 3500 Kilometer werden 400 Euro und bei weiteren Strecken 600 Euro fällig. Voraussetzung ist immer: Der Flug muss in der EU starten oder die Airline in der EU ihren Sitz haben.

Gibt es Entschädigung unabhängig von den Gründen der Verspätung?

Wenn die Verspätung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, dann muss die Airline nicht zahlen. Die Definition der Fluggastrechte-Verordnung der EU ist da aber schwammig: Bei „außergewöhnlichen Umständen“ handelt es sich um Situationen, die zu einer Verspätung oder einem Flugausfall führen, „obgleich vom betreffenden Luftfahrtunternehmen alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen wurden, um die Verspätungen oder Annullierungen zu verhindern“. Folglich müssen immer wieder die Gerichte entscheiden. Danach gibt es keine Entschädigung, wenn die Verspätung aus einem Streik, Luftraumsperrungen, Notlandung des Vorfluges wegen einer Gewitterfront, extremer Gegenwind oder Turbinenschaden durch Vogelschlag resultiert.

„Auch extrem schlechtes Wetter ist grundsätzlich ein außergewöhnlicher Umstand, den das Unternehmen nicht verhindern konnte“, sagt Britta Beate Schön vom Verbraucherportal Finanztip. „In diesem Fall muss die Airline zwar ihre Passagiere betreuen und die Weiterreise ermöglichen, aber keine Ausgleichszahlung leisten.“

Mit allgemeinen technischen Pro­blemen können sich die Gesellschaften aber nicht herausreden. Auch Personalausfälle, Organisationsprobleme oder Ankunftsverspätungen bei Anschlussflügen taugen nicht, die Entschädigung abzulehnen.

Welche Rechte haben Passagiere bei Annullierung des Fluges?

Wird der Passagier mindestens 14 Tage vor dem Flug darüber informiert, ergeben sich keine Ansprüche. Ergibt sich aus einer kurzfristigen Annullierung eine Verspätung bei einem Ersatzflug, so können je nach Entfernung und Verspätung bis zu 600 Euro Entschädigung gefordert werden.

Bei einer Entfernung von bis zu 1500 Kilometern und maximal zwei Stunden Verspätung gibt es 125 Euro. Das gilt auch, wenn der Passagier wegen Überbuchung auf eine andere Maschine ausweichen muss. Alternativ muss die Fluggesellschaft bei Annullierung den kompletten Ticketpreis erstatten, wenn der Kunde keinen Alternativflug mehr nutzen möchte.

Wie kann ein Verbraucher die
Ansprüche durchsetzen?

Wer das nicht selbst machen möchte, weil die Airlines diese Forderungen oft abwehren, kann die Dienste von Flugrechtsportalen wie Flightright, Fair­plane, Flugrecht oder AirHelp in Anspruch nehmen. Für ihre Leistung berechnen sie im Erfolgsfall eine Provision von 20 bis 30 Prozent. Oft vergehen Monate, bis der Entschädigungsanspruch auf dem Konto ist.

Einige Portale bieten auch eine Sofortentschädigung an, dann behält das Portal aber rund 40 Prozent der Entschädigung für sich. Wer gegenüber der Fluggesellschaft Probleme mit seinen Forderungen hat, kann sich auch an die Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr (SÖP) wenden, bei der rund 40 Fluggesellschaften mitmachen.

Welche Regelungen gelten bei
Verspätungen der Bahn?

Ab einer Verspätung von 60 Minuten besteht Anspruch auf eine Entschädigung von meist 25 Prozent des Fahrpreises. Ab zwei Stunden Verspätung gibt es in der Regel die Hälfte des Fahrpreises zurück. Neben der Entschädigung können aber bei der Verspätung auch noch andere Möglichkeiten genutzt werden. „Bei einer angekündigten Verspätung von 20 Minuten können Fahrgäste auch einen anderen Zug nutzen“, sagt Daniel Pöhler von Finanztip. Eine mögliche Zugbindung sei dann aufgehoben. „Bei einer Verspätung von über 60 Minuten kann man sich den vollen Fahrtpreis erstatten lassen und ein anderes Verkehrsmittel wählen.“

Wo kann man seine Ansprüche
geltend machen?

Die Verspätung muss im Zug oder am Zielbahnhof bestätigt werden. Für die Reklamation wird ein Fahrgastrechte-Formular ausgefüllt. Zusammen mit einer Kopie der Fahrkarte schickt man dies an: Servicecenter Fahrgastrechte, 60647 Frankfurt am Main. Man kann mit den Unterlagen auch in ein DB-Reisecenter gehen. Dort gibt es die Entschädigung als Gutschein oder in bar.

Welche Regeln gelten für Nutzer des
Hamburger Nahverkehrs?

Die HVV-Garantie ist eine freiwillige Leistung, die über die gesetzlichen Fahrgastrechte hinausgeht und für alle Verkehrsmittel im HVV gilt. Danach besteht bei mehr als 20 Minuten Verspätung Anspruch auf eine Entschädigung von 50 Prozent des Ticketpreises, mindestens aber einem Euro. „Im Schnitt werden 1,43 Euro pro verspäteter Fahrt ausgezahlt“, sagt Rainer Vohl, Pressesprecher des HVV. Das liegt daran, dass die meisten Fahrgäste Abo- oder Monatskarten haben. Die Entschädigung bezieht sich bei diesen Fahrkarten auf den errechneten anteiligen Fahrpreis, der günstiger als ein Einzelticket ist. Im vergangenen Jahr wurden 86.122 Anträge auf Entschädigung gestellt. Das waren 22 Prozent mehr als 2016.

Wie kommen die HVV-Fahrgäste an
ihre Entschädigung?

Drei Tage hat man Zeit, seine Ansprüche über ein Onlineformular anzumelden (www.hvv.de). Wer keinen Internetzugang hat, kann seine Ansprüche telefonisch geltend machen: 32 88 48 49, täglich von 7 bis 21 Uhr. Nur drei Prozent der Anträge werden abgelehnt. Allerdings wird die Entschädigung in den 39 Servicestellen des HVV im Stadtgebiet nur bar ausgezahlt. Die Kunden erhalten dazu eine Auszahlungsbestätigung und müssen diese zusammen mit der Fahrkarte bei der Auszahlung vorlegen. Man hat drei Monate Zeit, die Entschädigung einzulösen. „Eine Überweisung wäre mit zu hohem Aufwand und zu hohen Kosten verbunden“, sagt Vohl. 13 Prozent der berechtigten Ansprüche werden nicht innerhalb von drei Monaten eingelöst und verfallen.

Welche Rechte gelten bei einer
Fernbusreise?

Entschädigungsansprüche bestehen erst ab einer Fahrstrecke von mindestens 250 Kilometer und wenn der Fernbus mehr als zwei Stunden zu spät abgefahren ist. Anders als bei Zugverspätungen ist lediglich die verspätete Ab- fahrt entscheidend und nicht die Ankunft. Die Entschädigung besteht in Erstattung des Fahrpreises oder die Weiterreise auf anderem Wege zu vergleichbaren Bedingungen.

Werden diese Angebote vom Busunternehmen nicht gemacht, besteht Anspruch auf Erstattung des Ticketpreises und zusätzlich auf eine Entschädigung, die 50 Prozent des Fahrpreises beträgt. Diese Ansprüche müssen gegenüber dem Busunternehmen geltend gemacht werden.

Was kann man tun, wenn sich ein Streitfall ergibt?

Die Verbraucher können sich an die Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr wenden (www.soep-online.de). Einem Schlichtungsvorschlag müssen beide Seiten zustimmen, was in weit über 80 Prozent der Beschwerden der Fall ist. Für den Verbraucher ist das Verfahren kostenlos. Immer mehr Fahrgäste und Passagiere nutzen es. Die Zahl der Schlichtungsanträge stieg im ersten Halbjahr 2018 um 37 Prozent auf 9600.

Je nach Verkehrsmittel lag die Quote der verbindlichen Streitbeilegung im ersten Halbjahr 2018 zwischen 70 Prozent (ÖPNV) und 95 Prozent (Fernbus).