Bargteheide. Vor drei Jahren gründeten zwei Stormarner Schatoh Feldmark. Nun machen sie ihre erste Lese und wollen Federweißer herstellen.
Der Ort, von dem Leon Zijlstra (28) geträumt hat, liegt am Ende eines Feldweges. Ein paar Hundert Meter sind es von der viel befahrenen Hauptstraße, immer querfeldein. Vorbei an einem Modellflugplatz, Wiesen, endlosen Feldern. Hier, irgendwo zwischen Bargeheide und Delingsdorf, könnte das Ende der Welt sein. Doch für Leon Zijlstra liegt genau hier der Anfang. Der Beginn von etwas Neuem, Großem. 13.000 Quadratmeter Acker. Bepflanzt mit Weinreben. Mitten im Kreis Stormarn.
Schatoh Feldmark steht auf einem unscheinbaren Schild am Rande des Feldes, das Stormarns erstes Weingut ist und aus 60 Reihen mit je 85 Reben besteht. Wie Zinnsoldaten stehen die Pflanzen in Reih und Glied. Ein Meter Abstand zwischen zwei Reben, zwei Meter Abstand zwischen den Reihen. Sanft geschwungene Hügel, wie man sie von anderen Weingebieten kennt, gibt es hier nicht.
Trauben sind kostbar
Bedächtig schreiten Zijlstra und Jörn Andresen (54) die Reihen ab und kontrollieren die Trauben an den Ästen. Vor ein paar Tagen haben sie die Trauben mit feinen Gazesäckchen umhüllt, damit die Wespen den Beeren nicht zusetzen. Denn die Trauben sind kostbar. Die Ersten, die auf dem Weingut von Zijlstra und Andresen gewachsen sind. Ein kleines Wunder für die beiden Neu-Weinbauern, die mit den ersten Erträgen erst im nächsten Jahr, dem dritten nach Pflanzung, gerechnet haben. „Fachlich gesehen handelt es sich bei diesen ersten Trauben zwar um ein Nebenprodukt“, sagt Jörn Andresen und schneidet behutsam mit einer Schere eine Traube von der Weinrebe. „Doch für uns ist das trotzdem was ganz Besonderes.“
So besonders, dass sich an diesem Freitag mehr als ein Dutzend Menschen auf dem Feld eingefunden hat, um bei der ersten Weinlese zu helfen. „Ohne hätten wir das gar nicht geschafft“, sagt Andresen und meint ohne die Helfer, die Unterstützung. Beim Pflanzen der rund 5000 Reben vor gut einem Jahr, bei dem 60 Teams mit Freiwilligen im Einsatz waren. Beim Rückschneiden, Häckseln, Umgraben, Unkrautjäten. Früher, als er das erste Mal mit dem Gedanken gespielt hat, ein Weingut zu gründen, hat er mehrere Hundert Stunden für die Arbeit einkalkuliert. Inzwischen sind es mehrere Tausend geworden.
Die Geschichte der Bargteheider Weinbauern beginnt im Jahr 2015 – sieben Jahre nachdem Schleswig-Holstein als Geschenk von Rheinland-Pfalz zehn Hektar ungenutzter Pflanzrechte erhielt. Damit wurde im nördlichsten Bundesland der Grundstein für den Weinanbau gelegt, dessen Fläche sich seitdem auf rund 28 Hektar fast verdreifacht hat. Die Weinpflanzungen reichen inzwischen von Sylt, Föhr und Fehmarn über Grebin, Malkwitz, Neuwittenbek, Strande und am Westensee – bis nach Bargeheide.
Suche nach geeigneten Flächen
Hier ist die Heimatstadt von Zijlstra, der im Rahmen seines Studiums „Internationale Weinwirtschaft“ eine Arbeit über den Weinanbau in Schleswig-Holstein geschrieben hatte und dabei auf die Idee kam, selbst Wein anzubauen. Bei der Suche nach geeigneten Flächen stieß er auf den Garten- und Landschaftsbauer Andresen, der „selbst zwar keine Ahnung von dem Thema hatte, aber trotzdem sofort begeistert war“, wie er sagt. Manchmal muss er selbst noch den Kopf schütteln, wenn er erzählt, wie sie sich bei der Bundesanstalt für Landwirtschaft in Bonn um einen Teil der ausgeschriebenen fünf Hektar bewarben – und den Zuschlag für mehr als die Hälfte bekamen. Insgesamt 3,3 Hektar.
Knapp zwei Jahre ist das jetzt her. Zwei Jahre, in denen aus einem Studenten und einem Gärtner Weinbauern wurden. Im ersten Jahr, 2017, haben sie rund 13.000 Quadratmeter bepflanzt, zu zwei Dritteln mit der Sorte Solaris, den Rest mit den Sorten Riesel und Johanniter. In diesem Jahr sind noch einmal 3500 Quadratmeter mit den Sorten Muscaris und Rieslingsklon dazugekommen und neue Johanniter gepflanzt worden. „Wir hatten bei der Sorte große Ausfälle, deswegen müssen wir nachpflanzen“, sagt Andresen. Rund zwei Euro kostet eine der Reben. „Klingt nicht viel, aber bei ein paar Tausend Stück kommt da ganz schön was zusammen“, sagt Andresen, bevor er den ersten Helfer auf dem Feld begrüßt.
Schon 20 Minuten vor der verabredeten Zeit stapft Werner Mitch (69), ehemaliger Bürgermeister von Bargteheide und langjähriger Freund von Andresen, in Turnschuhen auf den Acker. In der einen Hand eine Baseballcap zum Schutz vor der Sonne, in der anderen Hand ein Geschenk für Andresen. Eine Traube – aus dem eigenen Garten. Rund 50 Reben hat Mitch zu Hause angepflanzt, knapp drei Kilo Beeren bereits geerntet.
Seine Frau hat daraus Marmelade und Saft gemacht, bei Andresen soll Federweißer angesetzt werden. „Das ist ein neuer, noch nicht fertiger Wein, dessen alkoholische Gärung gerade begonnen hat“, sagt Zijlstra. Er arbeitet inzwischen hauptberuflich im Vertrieb eines spanischen Weinguts, hofft aber, eines Tages von seinem eigenen Weingut leben zu können. Er weiß, dass andere das schon geschafft haben. Auch in Schleswig-Holstein.
30.000 Liter Wein gekeltert
So ein Gut liegt noch nicht einmal 100 Kilometer von Bargteheide entfernt. In Malkwitz. Hier, mitten in der Holsteinischen Schweiz, hat Melanie Engel (40) das Weingut Ingenhof gegründet. Sie war 2009 eine der Ersten, die im nördlichsten Bundesland Weinreben pflanzen durfte. Was vor neun Jahren mit drei Hektar und 4500 Reben begann, ist heute mit 4,5 Hektar und 18.000 Reben das bisher größte Weinanbaugebiet Schleswig-Holsteins. Allein im vergangenen Jahr wurden hier 6000 Liter Wein gekeltert – das ist rund ein Fünftel der 30.000 Liter, die 2017 in Schleswig-Holstein gewonnen wurden.
„Und das war ein schlechtes Jahr – in guten Jahren rechnen wir mit der doppelten Menge“, sagt Melanie Engel. 2018 ist so ein Jahr, ein gutes. In sieben bis zehn Tagen beginnt auf dem Ingenhof die Weinlese, und die Chefin hofft dann auf 4000 Liter Wein – pro Hektar Anbaufläche. Der Wein wird im hauseigenen Feldcafé sowie der eigenen Weinremise verkauft und geht an Restaurants und Hotels in der Umgebung. Inzwischen wird sogar auf dem Hof selbst gekeltert. Ganz nach dem Motto: made in Schleswig-Holstein.
Vielversprechender Anfang
Auch in Bargeheide setzt man auf Regionalität. Nachdem die Helfer die Trauben per Hand abgeschnitten haben, werden sie nun direkt vor Ort verarbeitet – mit dem Fuß. In einem großen Bottich stampft Gabriela Sosa (26), die Freundin von Zijlstra, barfuß die Beeren zu sogenannter Maische zusammen. „Auch wenn das vielerorts mit Maschinen gemacht wird – wir machen das mit den Füßen, so wie schon seit Anbeginn Wein hergestellt wird“, sagt Zijlstra und begutachtet das Ergebnis. Sieht gut aus.
In den nächsten Stunden wird die Maische gepresst und anschließend mit Reinzuchthefe und Hefenährsalz angesetzt. „Wenn alles gut läuft, haben wir dann in sieben bis neun Tagen Federweißer“, sagt der Weinbauer aus Stormarn. Klar, nicht so viel, höchstens 40 Liter werden es wohl. Für die Bargteheider ist es trotzdem ein vielversprechender Anfang. Ein wahrgewordener Traum.