Stelle. Das Familienunternehmen Speers Hoff bei Hamburg entwickelt gesundheitsfördernde Kräutergetränke für Nagetiere.
Etwas staubig ist es in der großen Halle, wo automatisch Heu in kleine und große Packungen abgefüllt wird. Abwechselnd fallen aus einem Silo Heu und Kräuter in die Verpackung, bevor sie verschlossen wird. Es ist eine von insgesamt sechs automatischen Verpackungslinien. Das Futter für Kaninchen und Nager besonders abwechslungsreich zu machen ist eines der Prinzipien von Speers Hoff in Stelle, gleich hinter Hamburg. „Wir orientieren uns am Tierwohl, denn gerade eine falsche Fütterung verursacht viele Krankheiten“, sagt Hauke Heitmann, Geschäftsführer des Familienunternehmens.
So gibt es die Heumischungen nicht nur mit Kräutern, sondern auch mit Apfel, Möhren, Blüten oder Löwenzahn. „Jeden Monat verarbeiten wir 250 Tonnen Heu“, sagt Heitmann. Das Unternehmen ist einer der größten Anbieter von Einstreu und Futtermitteln für Kleintiere in Deutschland. Als Heitmann 2007 in den Familienbetrieb einstieg, hatte er nur fünf Mitarbeiter. Inzwischen sind es 32.
100 verschiedene Artikel
Rund 100 verschiedene Artikel werden auf Speers Hoff produziert – „Hoff“ nennt man den Hof auf Plattdeutsch –, pro Jahr kommen etwa fünf weitere hinzu. In diesem Jahr gehört dazu der Nagertee. Ja, Kaninchen und Meerschweinchen trinken gern Tee, natürlich muss er abgekühlt sein. Insgesamt vier verschiedene Teesorten schickt Speers Hoff seit einem Monat in die Fachmärkte. „Die Akzeptanz ist sehr gut“, sagt Heitmann. Die verschiedenen Mischungen sollen Beschwerden vorbeugen oder lindern. So sorgen etwa Salbei- und Brombeerblätter, Malvenblüten und Thymian für das Zahnwohl. Ringelblumenblüten, Kürbis und Birkenblätter sollen Blase und Niere schützen. Zwölf Teebeutel kosten 4,49 Euro.
„Nach der Einführung der Kräuterfuttermischungen haben wir uns überlegt, wie man die Rolle der Kräuter im Tierfutter noch verbessern könnte“, sagt Heitmann, der für den Vertrieb im Unternehmen zuständig ist. Die Zusammenarbeit mit der Agrar- und Umweltwissenschaftlichen Fakultät der Universität Rostock brachte das Unternehmen auf die Idee mit dem Tee. Denn die Wissenschaftler kamen in einer Studie zu dem Ergebnis, dass die Inhaltsstoffe der verschiedenen Kräuter sich positiv bei Tierkrankheiten auswirken.
Sensible Mägen
„Erst dachten wir an einen Sud aus Kräutern, dann kamen wir auf die Idee mit dem Tee“, sagt Heitmann. „Die Studie der Uni Rostock hat gezeigt, dass Kaninchen durch den Kräutertee 14 bis 17 Prozent mehr Flüssigkeit aufnehmen als bei Angebot von Leitungswasser.“ Doch nicht nur für Kaninchen und Meerschweinchen ist der Kräutertee geeignet, auch Chinchillas, Degus, Ratten, Mäusen und Hamstern kann der Tee statt Wasser verabreicht werden.
Viele Probleme kommen bei diesen Tieren erst durch die Ernährung bei der Haltung zu Hause, denn sie haben sehr sensible Mägen. Zu viel Eiweiß und Kalzium können zu Blasen- und Nierensteinen führen und sogar tödlich enden. „So ist Löwenzahn besonders eiweißreich und sollte daher nur vorsichtig dosiert gefüttert werden“, rät Heitmann. Zusammen mit der Universität Rostock hat das Unternehmen einen Leitfaden für die Ernährung erstellt. Das, was im Haus anfällt von der Gurkenschale bis zum Salatblatt sollte nur in geringen Mengen gefüttert werden. „Nur das ballaststoffreiche Raufutter ermöglicht einen optimalen Verdauungsprozess“, sagt Heitmann. Der Nagertee kann dabei helfen.
4,8 Milliarden Euro Umsatz
Von der Idee bis zur Markteinführung dauerte es fast drei Jahre. Tee als Futtermittel, das war völliges Neuland für die Behörden, die dafür Genehmigungen erteilen mussten. Auch einen Produzenten für die Teebeutel zu finden war nicht einfach. „Der Tee wird nach Lebensmittelrecht produziert und kann auch von Menschen unbedenklich getrunken werden“, sagt Heitmann.
Rund 4,8 Milliarden Euro setzte im vergangenen Jahr die Heimtierbranche in Deutschland um. 6,1 Millionen Kleintiere leben in deutschen Haushalten, das sind rund eine Million mehr als vor einem Jahr. „Das Heimtier ist längst zu einem Familienmitglied geworden, entsprechend steigen auch die Ansprüche der Tierhalter“, sagt Heitmann. „Sie wollen nur das Beste für ihre Lieblinge.“ So sorgen zum Beispiel Kräuter im Heu nicht nur für eine geschmackliche Abwechslung.
„Kräuter fördern den Spieltrieb“
„Die Kräuter fördern auch den Spieltrieb, wenn im Heu nach ihnen gesucht wird“, sagt Heitmann. Auch bei der Ausstattung der Ställe wird aufgerüstet. Statt nur Holzspäne einzustreuen, setzen Tierhalter auf einen mehrlagigen Untergrund. Ganz unten Pellets, darauf kommt etwas Stroh und die dritte Lage besteht aus Birkenblättern und Rinde. Auch solche Produkte bietet Speers Hoff an. Eine Alternative zum Einstreu sind auch Hanffasermatten.
Das älteste Gebäude auf Speers Hoff ist eine Fachwerkscheune aus dem Jahr 1742. Viele Jahre wurden Landwirtschaft und Milchviehhaltung betrieben. Reinhard Speer, der den Hof 1991 von seinen Eltern übernahm, begann damit, das Heu nicht nur an seine Kühe zu verfüttern, sondern auch in Tüten abzupacken und an Kleintierhalter zu verkaufen. Inzwischen sind die Kühe abgeschafft, und die 350 Hektar Fläche werden nur für die Heuproduktion genutzt. Kräuter und andere Zusätze werden zugekauft. Nach einem kurzen Vortrocknen auf der Wiese wird das Heu bereits eingefahren und dann einer schonenden Gebläsetrocknung ausgesetzt. Vor dem Abpacken wird das Heu noch entstaubt.
Nächstes Produkt in der Planung
„Wir sind mit dem Zoofachhandel groß geworden“, sagt Heitmann. Neben der eigenen Marke werden Handelsmarken für Fachmärkte wie Fressnapf, Futterhaus oder Zoo & Co. produziert, die etwa einen Anteil von 60 Prozent haben. Außerdem hat Speers Hoff eine eigene Vertriebslinie bei Tierärzten aufgebaut. Wenn das Lieblingstier krank ist, stellt sich schnell die Frage nach der richtigen Fütterung. Das Heu vom ersten Schnitt ist besonders kraftvoll, weil über den Winter besonders viele Nährstoffe aufgenommen werden konnten. Es gehört ebenso zum Sortiment für die Tierärzte wie Brennnesselblätter, die harntreibend wirken, oder Petersilien-stängel, die viel Vitamin C enthalten.
Das nächste Produkt hat Speers Hoff bereits in der Planung. Bisher wird schon ein Naturschutzheu angeboten, das aus einem Naturschutzgebiet gewonnen wird. „Unser Ziel ist, dass wir es als Bio-Heu verkaufen können“, sagt Heitmann. Ende des Jahres soll es damit das erste Bioprodukt im Sortiment geben. Denn wenn sich die Tierhalter mit Bioprodukten ernähren, werden sie das schnell auf ihre Lieblinge übertragen.