Hamburg. Der weltgrößte Onlinehändler will auf historischem Boden ein Verteilzentrum bauen. Gewerkschaften fordern einen Tarifvertrag.
Die Stimmung in der Wirtschaftsbehörde war ausgesprochen positiv, als in der vergangenen Woche alle Verträge unterschrieben waren. Knapp zwei Jahre nach einem gescheiterten Ansiedlungsversuch kommt der internationale Handelskonzern Amazon nun doch an die Elbe. Über Monate hatten die städtische Wirtschaftsförderung Hamburg Invest und die Hamburg Port Authority (HPA) nach einem Standort gesucht. Das Ergebnis: eine Freifläche im Hamburger Hafen. Auf der Peute, einem Teilstück der Veddel unweit der Elbbrücken, soll auf 18.000 Quadratmetern ein Verteilzentrum entstehen.
„Unser wichtigstes Anliegen bei der Entwicklung von Hafen und Standort ist Wertschöpfung. Mit Amazon bauen wir unsere Stellung als Logistikmetropole aus und schaffen mehr als 200 Arbeitsplätze. Darüber freue ich mich sehr“, sagte Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos). An der Peutestraße sollen künftig Pakete, die in den Lager- und Logistikzentren des Konzerns in ganz Europa gepackt werden, für Hamburg und die Region südlich der Elbe sortiert und auf die Routen der Auslieferungspartner verteilt werden. So sollen die Pakete schneller zu den Kunden kommen.
In St. Georg gab es Widerstand
Realisiert wird der neue Standort von dem Logistikimmobilien-Entwickler Goodman als Urban-Logistics-Center. Ersten Informationen zufolge sind ein einstöckiges Gebäude mit einer Größe von 9000 Quadratmetern sowie ein zweistöckiges Parkhaus mit 130 Pkw-Stellplätzen geplant. Weitere Details etwa zu Kosten oder Baustart nannte Amazon nicht. Auch die Frage, ob an dem Standort neue Zustellmethoden erprobt werden sollen, blieb unbeantwortet. Dem Vernehmen nach ist aber unter anderem geplant, Ladesäulen für Elektrofahrzeuge zu installieren.
2015 hatten die Pläne von Amazon, einen Standort in Hamburg zu errichten, für Aufregung gesorgt. Damals wollte der weltgrößte Onlinehändler ins Erdgeschoss eines Bürogebäudes am Berliner Tor im Stadtteil St. Georg ziehen. Nach monatelangem Hin und Her scheiterte das Vorhaben am Widerstands des Bezirks Mitte, der eine Nutzungsänderung ablehnte. Vor allem die befürchtete Zunahme des Lieferverkehrs in dem Wohnviertel hatte für Kritik gesorgt. Amazon hatte daraufhin den Antrag zurückgezogen.
Gewerkschaften fordern Tarifvertrag
Auch jetzt gibt es kritische Stimmen. Wenige Stunden nach Bekanntwerden der Baupläne meldete sich der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) zu Wort. Auf der Peute hatte früher die Großeinkaufs-Gesellschaft Deutscher Consumvereine ihren Sitz. Dort wurden in den 1920er-/30er-Jahren Produkte wie Honig, Tabak oder Zahnpasta hergestellt und zu günstigen Preisen an Arbeiterfamilien verkauft. Der DGB hatte sich, wie etwa auch die Hamburgische Architektenkammer, für den Erhalt der Gebäude als Zeugnis der Arbeiterkultur eingesetzt.
„Ausgerechnet auf der Peute, einem historischen Ort der Arbeiterbewegung, siedelt sich ein Unternehmen an, das sich an anderem Ort im Land weigert, einen Tarifvertrag für seine Beschäftigten abzuschließen. Ein Bekenntnis von Amazon zur Tarifbindung ist für uns das Minimum für einen erfolgreichen Start“, sagt die Hamburger DGB-Vorsitzende Katja Karger. Zudem hoffe sie, dass das Unternehmen auch angemessen hohe Steuergelder in die Kassen der Stadt spüle, denn „viele neue Arbeitsplätze sind gut, eine gerechte Steuerlastverteilung aber auch“.
Konzern weist Kritik zurück
Heike Lattekamp, Leiterin des Ver.di-Fachbereichs Handel in Hamburg, sagte: „Wir fordern von Amazon, an diesem Standort Bereitschaft für den Abschluss eines Tarifvertrags zu zeigen, um den neuen Beschäftigten gute Arbeitsbedingungen und faire Löhne zu sichern.“ Schon seit Jahren tobt ein zäher Arbeitskampf an den Standorten. Der Konzern weist die Kritik zurück. „Amazon bietet allen Beschäftigten wettbewerbsfähige Löhne. Diese liegen für Logistikmitarbeiter am oberen Ende dessen, was in vergleichbaren Jobs bezahlt wird“, sagte eine Sprecherin. Der Stundenlohn dieser Beschäftigten betrage an allen deutschen Standorten umgerechnet mindestens 10,52 Euro brutto.
Auch aus der Politik kommen Fragen. Der CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Michael Westenberger will die näheren Hintergründe der Ansiedlung mit einer Kleinen Anfrage an den Senat klären. Unter anderem befürchtet er Verkehrsprobleme auf den Zufahrtsstraßen.