Hamburg. Zahlen sechs Millionen betroffene Direktversicherungs-Kunden zu Unrecht Beiträge zur Krankenkasse? Die Rentner sind empört.

Sie sind aufmüpfige Rentner – und sie sind sechs Millionen. Die von einer Gesetzesänderung betroffenen Lebensversicherungs-Kunden demonstrieren an diesem Donnerstag vor dem Brandenburger Tor in Berlin für ihre Rechte. Unter ihnen sind Hamburger und Norddeutsche wie Reinhard Günther und Herbert Heins. Die beiden und Hunderte Mitstreiter aus dem gesamten Bundesgebiet wenden sich dagegen, dass sie auf ihre Direktversicherungen, die sie während ihres Arbeitslebens abgeschlossen haben, bei der Auszahlung plötzlich Krankenkassenbeiträge zahlen müssen. Dabei werden sie mit dem Arbeitnehmer- und dem Arbeitgeberanteil zur Kasse gebeten.

Von beispielsweise 100.000 angesparten Euro würden nach Abzug von Krankenkassen- und Pflegebeiträgen nur rund 82.000 Euro bleiben. „Wir werden abgezockt“, sagte Günther dem Abendblatt. Im Jahr der Bundestagswahl müsse man besonders laut auf diesen „Betrug“ aufmerksam machen.

Rentner klagen vor Bundesverfassungsgericht

Wie Dutzende Betroffene hat auch Günther vor dem Sozialgericht gegen diese Praxis geklagt. Ein Urteil steht noch aus. Acht Fälle hat auch das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe bereits angenommen. Fast alle erstinstanzlichen Urteile gingen bislang gegen die Rentner aus. In Hamburg gab es zuletzt allerdings ein Urteil, in dem das Sozialgericht bestätigte, dass die Krankenkassen zu Unrecht Beiträge auf die Direktversicherung erheben.

Bei diesen Verträgen geht es um Direktversicherungen, die wie im Fall Günther keine gewöhnlichen Betriebsrenten sind, also nicht unmittelbar mit dem Arbeitsverhältnis in Zusammenhang stehen. Eine Betriebsrente hatte Günther ohnehin. Diese Direktversicherungen wurden allerdings über die Arbeitgeber angeboten, als es um die Jahrtausendwende hieß, die Deutschen müssten noch stärker privat für die Rente vorsorgen.

Krankenkassen verweisen auf Rechtslage

Hintergrund ist das sogenannte „Gesetz zur Modernisierung der Gesetzlichen Krankenversicherung“ (GMG) aus dem Jahr 2004. Hierin schlummerte ein Absatz, in dem sinngemäß steht: Auf eine Lebensversicherung mit Betriebsrenten-Charakter müssen bei der Auszahlung Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung gezahlt werden, und zwar sowohl der Arbeitnehmer- wie der Arbeitgeberanteil. Das galt auch rückwirkend für Verträge, die vor 2004 abgeschlossen wurden.

Die Kläger argumentieren jetzt: Ihre Verträge seien keine Versorgungs-, sondern private Vereinbarungen. „Uns wurde damals kein reiner Wein eingeschenkt“, sagte Rentner Heins. „Auch meine Krankenkasse, die TK, hat mich nie informiert. Dabei bekommt man von jeder Autoversicherung einen Hinweis, wenn sich die Beiträge ändern.“ Die Krankenkassen verweisen auf die geltende Rechtslage und bestehen auf den Beiträgen.

Schafft neues Betriebsrenten-Gesetz Abhilfe?

Im Bundestag wird derzeit das sogenannte Betriebsrentenstärkungsgesetz diskutiert, das regeln könnte, in Zukunft zumindest auf den Arbeitgeberanteil zu verzichten. Von 100.000 Euro blieben dann immerhin gut 90.000 in der Tasche der Versicherten.

Der Ahrensburger Rentner Günther, früher Wirtschaftsingenieur, ist auch im „Verein der Direktversicherungsgeschädigten“ aktiv, der mit rund 800 Mitgliedern Lobbyarbeit macht, berät, die Parteitage aller Parteien besucht – und am Donnerstag die Demo in Berlin organisiert. Günther sagte: „Hier brodelt es. Wir wollen unser Geld zurück."