Hamburgs Handelskammer hat einen neuen Präses. Eine Zäsur für die Stadt.

Als vor knapp drei Jahren die ersten sogenannten Rebellen in das Plenum der Hamburger Handelskammer einzogen, da wurden sie von den alteingesessenen Wirtschaftsvertretern in der Stadt noch belächelt, zum Teil sogar verspottet. „Ein vorübergehendes Phänomen“ seien diese seltsamen Männer und Frauen, hörte man unisono. Einfach aussitzen, lautete die Devise. Doch es ist anders gekommen. Die Rebellen haben die Macht in der Kammer übernommen, verfügen sogar über eine satte absolute Mehrheit im Plenum und stellen seit Donnerstag auch den Präses. Eine Zäsur für die Handelskammer! Eine Zäsur für Hamburg!

Nun ließe sich viel darüber lamentieren und diskutieren, wer diese Damen und Herren sind, die in der Kammer ab sofort das Sagen haben. Dass das Plenum in seiner aktuellen Zusammensetzung viele wichtige Wirtschaftszweige der Stadt nicht mehr repräsentiert – richtig. Dass das Gros der Parlamentarier für Mini-Unternehmen steht, die nur wenige Arbeitsplätze haben und kaum ausbilden – das stimmt ebenfalls. Dass der neue Präses mit seiner oftmals wenig zurückhaltenden Art eher nicht dem Bild eines hanseatischen Kaufmanns entspricht – auch das kann man so sehen.

Aber Fakt ist eben auch: Das neue Plenum ist demokratisch gewählt worden – und offensichtlich haben die Rebellen mit ihren prägnanten Forderungen und neuen Inhalten die Hamburger Wirtschaft mehr überzeugt, als die traditionellen Kräfte dies mit ihren Wahlprogrammen konnten. Diese Tatsache gilt es zu akzeptieren und zu respektieren.

Rebellen müssen Wahlversprechen einlösen

Allerdings bedeutet der Gewinn von Macht auch Verantwortung. Aus Rebellen müssen nun konstruktive Gestalter werden. Gegen etwas zu sein ist meist einfach, solange man seine Worte nicht in Taten umsetzen muss. Aber nun geht es darum, die eigenen Wahlversprechen zu verwirklichen. Und diese Versprechen haben es in sich: vor allem die Ankündigung, die Zwangsbeiträge vom Jahr 2020 an abschaffen zu wollen! Dies ist eine Forderung mit viel Sprengstoff.

Zum einen darf man gespannt sein, ob sich dieses Versprechen juristisch überhaupt umsetzen lässt. Denn es gibt nicht wenige Experten, die genau das bezweifeln. Zum anderen hätte ein derart dramatischer Einnahmeausfall weitreichende Folgen für die Arbeit der Kammer im Allgemeinen und die Beschäftigten und deren Familien im Besonderen. Denn wie sollen die Gehälter der Kammerbediensteten weiter bezahlt werden – über freiwillige Beiträge? Das ist mehr als unrealistisch. Es drohen Gehaltskürzungen und ein massiver Abbau von Jobs. Diese bittere Wahrheit ist eben auch ein fester Bestandteil der einfachen Forderung „Beiträge abschaffen!“.

Zudem dürfte sich künftig das Machtverhältnis zwischen Wirtschaft und Politik in der Stadt in Richtung Rathaus verschieben. Auch wenn man nicht immer mit den Herren vom Adolphsplatz in den vergangenen Jahrzehnten einer Meinung war, sie haben den Regierenden häufig auf die Finger geschaut und sie mit eigenen Forderungen und Plänen auf Trab gehalten. Genau dieses Mitgestalten haben die Rebellen aber immer abgelehnt – ob es dabei bleiben wird?

Bleibt zu hoffen, dass die Wahlsieger mit ihrer neuen Macht behutsam umgehen und den Übergang in die neue Zeit mit der notwendigen Weitsicht vollziehen. Alles andere wäre schlecht für die Hamburger Wirtschaft und die vielen, zumeist langjährigen Mitarbeiter der Handelskammer.