Hamburg/Kiel. Interessenten für die angeschlagene Landesbank müssen sich bis Montagmittag melden. Die wichtigsten Fragen zum Verkauf.

Spannung an der Waterkant: Bis Montag um 12 Uhr müssen Käufer ihr Interesse an der HSH Nordbank bekunden. Dass es zur Mittagsstunde zum blutigen Finale auf offener Straße kommt wie im legendären Western „12 Uhr mittags“, ist zwar nicht zu erwarten. Aber für Hamburg und Schleswig-Holstein als Verkäufer der Bank ist die Geschichte kaum weniger spannend: Ihr Ausgang wird die Handlungsfähigkeit der beiden Länder so oder so auf Jahre hinaus beeinträchtigen. Die Frage ist nur: wie schlimm?

Die Landesregierungen in Hamburg und Kiel sowie auch die HSH Nordbank selbst haben sich eisernes Schweigen auferlegt. Anzahl oder gar Namen der Interessenten werden nicht kommuniziert. Die einzig klare Aussage dazu gibt es aus Hannover: „Die NordLB hat kein Interesse an einer Übernahme der HSH Nordbank“, sagte ein Sprecher der niedersächsischen Landesbank dem Abendblatt und dämpfte damit alle Spekulationen.

Dennoch ist das letzte Wort wohl noch nicht gesprochen: Wie die HSH unterliegt auch die NordLB, die erst kürzlich die Bremer Landesbank übernommen hatte, starkem politischen Einfluss. Außerdem dürfte sie sich die Gelegenheit, Einblicke in die Zahlen der Konkurrenz nehmen zu können, kaum entgehen lassen. Wenn am Montag um 12 Uhr das Interessenbekundungsverfahren endet, dürfte daher auch der Name NordLB in der Lostrommel liegen.

Die wichtigsten Fragen:

Warum wird die HSH verkauft?

Die EU hat Hamburg und Schleswig-Holstein vorgeschrieben, bis Ende Februar 2018 einen Käufer für die HSH zu finden. Maximal 25 Prozent der Bank dürfen die Länder noch vier Jahre ab Verkauf halten. Gelingt der Verkauf nicht, muss die HSH abgewickelt werden. Diese Auflage war die Bedingung für das letzte Rettungspaket Ende 2015. Es beinhaltete die Erhöhung der Ländergarantie von sieben auf zehn Milliarden Euro und den Ankauf fauler Kredite. Kurz darauf nahmen Hamburg und Kiel der HSH Schiffskredite im Buchwert von fünf Milliarden Euro zum Preis von 2,4 Milliarden ab. Der Verlust für die HSH von 2,6 Milliarden Euro wurde über die Garantie ausgeglichen.

Wie ist die Lage der HSH?

Die HSH steht zwar als Ganzes zum Verkauf, ist intern aber in gute und schlechte Segmente aufgeteilt, die theoretisch auch getrennt erworben werden könnten: Die „Kernbank“ mit gut 50 Milliarden Euro Bilanzsumme gilt als gesund und dürfte 2016 mehr als 600 Millionen Gewinn eingefahren haben. Der Dezember soll sogar „der stärkste Monat seit Jahren“ gewesen sein. Ganz anders die Abbaubank: Ihre 22 Milliarden Euro Bilanzsumme entfallen fast zur Hälfte auf faule Schiffskredite aus der Zeit vor 2009. Auch der Rest der Abbaubank ist stark ausfallgefährdet – diese Altlasten der HSH dürften dafür sorgen, dass die Zehn-Milliarden-Garantie vollständig in Anspruch genommen wird.

Wie ist der weitere Ablauf?

Alle Interessenten, die nicht als unseriös aussortiert werden, erhalten nähere Informationen zur HSH und einen „Prozessbrief“ über den weiteren Ablauf. Bis zum 31. März müssen sie ein „indikatives“, also noch unverbindliches Angebot abgeben. Ab April werden dann die Bieter, mit denen die Länder in Verhandlungen treten wollen, ausgewählt. In einem streng vertraulichen „Datenraum“ können sie interne Zahlen der HSH einsehen. Der oder die Käufer müssen im Prinzip bis zum Spätsommer feststehen, denn das Aushandeln und Aufsetzen der Verträge und die Abstimmung mit der EU, die jeden Schritt mit Argusaugen überwacht, dürfte Monate in Anspruch nehmen. Bis zum 28. Februar 2018 muss der Vertrag unterschrieben sein („Closing“), der eigentliche Übergang der Bank wird sich noch etwas hinziehen.

Wer sind die Akteure?

Offizieller Verkäufer von knapp 95 Prozent der HSH-Anteile (fünf Prozent davon gehören dem schleswig-holsteinischen Sparkassenverband) sind die Länder. Beauftragt haben sie damit die in solchen Prozessen erfahrene Citigroup in Frankfurt. Außerdem haben Hamburg und Kiel die Unternehmensberatung Bain & Company und die Kanzlei Linklaters eingeschaltet. Die HSH, deren Vorstandschef Stefan Ermisch sein Institut seit Monaten rund um den Globus anpreist, wird von den Kanzleien Freshfields und Boston Consulting beraten. Vertreter aller Akteure treffen sich regelmäßig auf Arbeitsebene.

Diskret im Hintergrund agieren die Eigentümer: Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) hat national wie international blendende Kontakte – ebenso wie HSH-Aufsichtsratschef Thomas Mirow als früherer Wirtschaftssenator und späterer Präsident der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (London).

Wer sind potenzielle Interessenten?

„Ich glaube nicht, dass man Kern- und Abbaubank gemeinsam verkaufen kann“, sagt Professor Norbert Dieckmann, Bankenexperte an der EBC-Hochschule in Hamburg. „Für die Abbaubank kommen typischerweise Hedgefonds infrage“, also Finanzinvestoren, die den „Schrott“ gewinnbringend verwerten möchten. „Die Kernbank ist hingegen für strategische Investoren interessant“, so Dieckmann, der dabei vor allem an chinesische Banken oder Unternehmen denkt, die Zugang zum norddeutschen Mittelstand suchen oder sich die Expertise der HSH, etwa im Bereich maritime Wirtschaft, einverleiben möchten.

Tatsächlich mischen Investoren aus China fast immer mit, wenn Anteile strategisch bedeutsamer Unternehmen auf dem Markt sind, etwa von Hapag-Lloyd oder vom Hamburger Flughafen. Erst 2015 hatte die Industrial and Commerce Bank of China (ICBC), nach ihrer Bilanzsumme die größte Bank der Welt, eine Filiale in Hamburg eröffnet – im Beisein von Bürgermeister Scholz.

Dennoch hält Dieckmann auch eine Lösung mit der NordLB für plausibel: „Das ist jetzt die Chance für eine große, norddeutsche Landesbank, die dann auch wettbewerbsfähig ist.“ Auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) soll auf so eine Lösung drängen, da eine Abwicklung der HSH den gesamten Haftungsverbund aus Sparkassen und Landesbanken belasten würde.