Stuttgart. Götz Werner über den Handel mit Sonderangeboten der Konkurrenz und ein bedingungsloses Grundeinkommen.

Götz Werner kommt mit dem Elektrofahrrad zum Gespräch in einem Hotel in der Stuttgarter Innenstadt. Einen weiten Weg hat er nicht. Seit zehn Jahren lebt er in der baden-württembergischen Landeshauptstadt. Ein Büro in der Karlsruher dm-Zentrale hat er nicht mehr. Das soll jedoch nicht über seinen fortwährenden Einfluss bei dm hinwegtäuschen.

Herr Werner, dm hat zuletzt mit einer sehr speziellen Einkaufsstrategie Schlagzeilen gemacht: dm-Mitarbeiter werden auf Einkaufstour zur Konkurrenz geschickt. Die günstig erstandenen Produkte stellen sie anschließend in die Regale von dm.

Götz Werner: Das ist doch ein alter Hut im Handel. Jeder kauft seine Waren dort, wo sie am günstigsten sind, das ist doch nur naheliegend.

Sie haben als dm-Chef auch schon Mitarbeiter auf Schnäppchenjagd geschickt?

Werner: Wenn andere Händler Ware zu günstigeren Konditionen verkaufen als wir sie bei der Industrie beziehen können, dann kaufen wir dort.

Das Thema scheint Sie zu amüsieren …

Werner: Nein, ich verstehe nur die Aufregung nicht. Als ich noch Geschäftsführer bei dm war, hat Schlecker Babynahrung unter dem uns angebotenen Einkaufspreis verkauft. Permanent. Fragen Sie mich nicht, warum. Was bleibt einem anderes übrig, als die Ware dort zu kaufen, wo sie am günstigsten ist? Das macht der ganze Handel so.

Vor einigen Wochen teilte eine dm-Mitarbeiterin auf Facebook mit, sie schäme sich für einen Großeinkauf bei Rossmann. Rossmann-Mitarbeiter hatten sie an der Kasse gestoppt. Ist das wirklich die richtige Herangehensweise?

Werner: Unsere Kollegin und die Mitarbeiterin beim Mitbewerber haben wahrscheinlich überreagiert. Das ist bedauerlich, aber bei mehr als 1800 dm-Märkten und 39.000 Kolleginnen und Kollegen kann das schon mal passieren. Ich würde das nicht zu wichtig nehmen.

Sie haben sich mit dem Chef von Alnatura, Götz Rehn, überworfen und dessen Bioprodukte aus den dm-Märkten entfernt. Wie läuft denn ihre eigene Biomarke?

Werner: Unsere Biomarke entwickelt sich sehr gut. Alnatura ist im Schoß von dm entstanden. Unsere Kunden haben die Produkte als Eigenmarke wahrgenommen. Jetzt haben wir unser Biosortiment mit unserer und weiteren Biomarken professionalisiert.

Derzeit kämpfen Sie vor Gericht um die Markenrechte an Alnatura – warum?

Werner: Alnatura ist beliebt geworden, weil die Produkte über dm verkauft wurden. Götz Rehn, Wolfgang Gutberlet (Gründer der Supermarktkette tegut, Anm. der Red.) und ich haben in den 80er-Jahren die Marke gemeinsam entwickelt. So ist unserer Überzeugung nach eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) entstanden, der die Rechte an Alnatura zustehen. Götz Rehn interpretiert die Ereignisse rückblickend anders. Dass er die Geschichte anders sieht und uns den Vertrag fristlos gekündigt hat, ist für mich ein großer Vertrauensbruch. Wir waren gezwungen, eiligst eine eigene Biomarke aufzubauen.

Rehn sagt, dm plante bereits die Biomarke. Vielleicht, um höhere Margen zu erzielen?

Werner: Es geht nicht um die Marge. Wir haben jetzt eigene hohe Aufwendungen für die Etablierung und Weiterentwicklung unserer Marke. dm-Bio haben wir entwickelt, weil Götz Rehn uns den Vertrag fristlos gekündigt hat. Er wollte sich von dem Vertrag lösen, weil dieser uns einen Alleinvertretungsanspruch zubilligt. Mich hat sein Vorgehen sehr überrascht. Götz Rehn hätte uns von heute auf morgen nicht mehr beliefern können.

Was passiert, wenn Sie gewinnen?

Werner: Das sehen wir dann. Die Gesellschaft hat die Rechte an Alnatura. Sie entscheidet.

Wie stehen Sie heute zu Alnatura-Gründer Götz Rehn?

Werner: Früher war er mein bester Freund, heute ist und bleibt er mein Schwager. Es bleibt das Gefühl großer Enttäuschung.

Gibt es die Chance auf ein Zurück?

Werner: Danach sieht es nicht aus. Unsere Kunden entscheiden, welche Produkte wir anbieten. Und es ist doch so: Alnatura ist kein Produzent, sondern ein Zwischenhändler. Das, was wir heute unter dem Namen dm-Bio anbieten, sind die gleichen oder bessere Produkte. Es gibt in Deutschland wenige Hersteller für diese Öko-Produkte.

Warum fordern Sie als Unternehmer ein bedingungsloses Grundeinkommen?

Werner: Denken Sie an die E-Mobilität. Ein Verbrennungsmotor hat 450 Teile und muss ständig gewartet werden. Ein E-Motor hat 40 Teile. Zwangsläufig hat das Einfluss auf Arbeitsplätze.

Gäbe es das Grundeinkommen, würden Ihnen dann nicht die Kassiererinnen und Putzfrauen weglaufen?

Werner: Ich sage: „Gott sei Dank.“ Dann arbeiten bei uns nur noch Kolleginnen und Kollegen, die das tun, weil sie es wollen, nicht weil sie es müssen.

Meinen Sie wirklich, es gibt ausreichend Freiwillige, die bei dm putzen wollen?

Werner: Es geht um die Frage der Sinnstiftung, um intrinsische Motivation, um Wertschätzung, nicht darum, ob die Arbeit angenehm ist. Wenn wir als Gesellschaft etwas wertschätzen, machen die Menschen den Job gerne, und wir sind bereit, ihn angemessen zu bezahlen.

Wann wird das Grundeinkommen Wirklichkeit werden?

Werner: Revolutionäre Ideen arbeiten wie ein Schwelbrand. Wann das Feuer ausbricht, kann man nicht sagen.