Hamburg. Billigflaggen-Schiffe im Visier der Gewerkschaft. Es geht darum, ob die Arbeits- und Sozialbedingungen an Bord akzeptabel sind.

Der wirtschaftliche Druck auf die Reedereien führt nicht nur zu immer härteren Arbeitsbedingungen für die Seeleute, manchmal ist er sogar tödlich. „Es ist an der Tagesordnung, dass die Besatzungen die Containerbefestigungen schon auf der Unterelbe vor dem Einlaufen in den Hamburger Hafen lösen und bei solchen Arbeiten kommt es weltweit immer wieder zu schweren, teils sogar tödlichen Unfällen“, sagte Thomas Mendrzik, Leiter der Bundesfachgruppe Seehäfen bei der Gewerkschaft Ver.di.

Gemäß den Tarifverträgen der Internationalen Transportarbeiter Föderation (ITF) dürfen Seeleute solche Ladungssicherungsaufgaben gar nicht übernehmen, sie sind eigentlich die Sache spezialisierter Hafenarbeiter. „Nur noch auf einer Minderheit der Schiffe wird diese Vorschrift beachtet“, sagte Mendrzik, „denn man scheut die Kosten für solche Crews.“

Daher müssten die Seeleute auf dem fahrenden Schiff auf Leitern hoch oben zwischen den Containern diese „sehr gefährliche Tätigkeit“ ausführen, wobei sie dazu nicht selten aus ihren Ruhezeiten herausgerissen wurden. „Ab und zu verschwindet dabei mal einer“, so Mendrzik. Im Rahmen der ITF-Ak­tionswoche werden Kontrolleure der Gewerkschaft bis zum Freitag etliche Schiffe im Hamburger Hafen, aber auch in Bremen, Bremerhaven, Rostock und Wismar inspizieren. Es geht darum, ob Tarifverträge eingehalten werden und ob die Arbeits- und Sozialbedingungen an Bord akzeptabel sind. „Uns unterstützen dabei gewerkschaftlich organisierte Hafenarbeiter, die sich für die Aktionswoche extra Urlaub genommen haben“, sagte Susan Linderkamp, ITF-Vizekoordinatorin für Deutschland.

Viele Schiffe in Liberia und in Antigua registriert

Auch außerhalb der Aktionswoche finden solche Kontrollen statt, wobei manchmal Tarifverstöße in erstaunlichem Umfang aufgedeckt werden. „Erst im vergangenen Monat haben sich Seeleute an uns gewandt, weil die chinesische Reederei die Heuern von fünf Monaten nicht vollständig gezahlt hat.“ Es gelang den ITF-Vertretern, Heuernachzahlungen in Höhe von fast 280.000 Dollar (252.000 Euro) für die Besatzung zu erstreiten. „Bis ein chinesischer Seefahrer sich beschwert, muss schon einiges geschehen“, so Linderkamp. „Das macht unsere Arbeit so schön: Wenn man wieder von Bord geht, sieht man immer in lächelnde Gesichter.“

Weltweit gelten die ITF-Tarifverträge für rund 260.000 Seeleute. Zu ihnen zählen nach Angaben von Klaus Schroeter, Ver.di-Bundesfachgruppenleiter Schifffahrt und Leiter der ITF-Billigflaggenkampagne, etwa 35.000 Personen mit Tarifverträgen von Ver.di, die für die Seeleute Monatsgehälter von 1200 bis 1300 Euro einschließlich Überstundenzuschlägen vorsehen. Von den 2700 Schiffen in deutschem Eigentum fahren laut Schroeter 97 bis 98 Prozent unter fremder Flagge. Die meisten davon, jeweils etwa 800 Schiffe, seien in Liberia und in Antigua registriert. An dritter Stelle rangiere Madeira, die Zweitflagge von Portugal.

Durch die weltweiten Verträge der ITF hätten sich die Bedingungen für die Seeleute zwar verbessert, so Schroeter, aber: „Es gibt noch viel zu tun.“ Für Katja Karger, Vorsitzende des DGB Hamburg, ist die Unterstützung von Ver.di bei den ITF-Kontrollen „eines der besten Beispiele für gelebte Solidarität“. Am Donnerstag will sie selbst bei einer solche Inspektion im Hamburger Hafen dabei sein.