Adelaide/Kiel. Es sollte der größte Auftrag in der Geschichte der Werft werden. Nun geht das 35-Milliarden-Euro-Geschäft an Franzosen.
Riesenenttäuschung für den maritimen Standort Norddeutschland: Der Stahlkonzern ThyssenKruppmit seiner Werft in Kiel ist bei der Ausschreibung eines Milliardenprojekts zum Bau von zwölf U-Booten in Australien leer ausgegangen. Die Regierung wählte den staatlichen französischen Schiffbaukonzern DCNS als bevorzugten Partner, wie Premierminister Malcolm Turnbull mitteilte. Der über mehrere Jahrzehnte gestreckte Auftrag hat ein Volumen von rund 35 Milliarden Euro und wäre für ThyssenKrupp einer der größten Aufträge der Unternehmensgeschichte gewesen. Zugleich handelt es sich um die größte militärische Anschaffung der australischen Geschichte.
Frankreichs Premierminister Manuel Valls sprach von einem „wunderbaren Erfolg“. Er sei „stolz auf unsere Ingenieure, Techniker und Arbeiter“. „Frankreich ist dankbar für das Vertrauen, das Australien ihm beweist“, hieß es aus dem Élysée-Palast. ThyssenKrupp teilte mit, man respektiere die Entscheidung.
Australien will seine U-Boot-Flotte von zurzeit sechs Schiffen ersetzen und ausbauen. Die Kieler Werft ThyssenKrupp Marine Systems (TKMS) war mit großen Erwartungen ins Rennen um den gigantischen Auftrag gegangen. Der Kieler IG-Metall-Chef und Vize-Aufsichtsratsvorsitzende auch von TKMS, Peter Seeger, zeigte sich überrascht. „Ich bin ein bisschen erstaunt, dass der Auftrag jetzt doch an die französische Werft geht“, sagte er. Im Aufsichtsrat habe in dem Verfahren bis zuletzt große Zuversicht geherrscht. Schleswig-Holsteins Wirtschaftsminister Reinhard Meyer (SPD) zeigte sich tief enttäuscht: „TKMS war nach meiner Wahrnehmung sehr gut in diesem Wettbewerb aufgestellt, und natürlich entgeht auch dem Industriestandort Schleswig-Holstein damit ein großes Stück Wertschöpfung“, sagte er. Dennoch sieht Meyer keine Probleme auf den Kieler Standort zukommen. „Der Konzern ist kraftvoll genug, trotzdem optimistisch nach vorn zu schauen – zum Beispiel auf die Akquise des U-Boot-Auftrags für Norwegen.“
Nach Einschätzung des französischen Verteidigungsministers Jean-Yves Le Drian bedeutet der Vertrag Tausende neue Arbeitsplätze in Frankreich. „Ein Teil der Summe wird in Australien investiert werden, weil Australien verständlicherweise wünscht, seine sicherheitsbezogene und industrielle Souveränität zu gewährleisten, aber es gibt auch einen maßgeblichen Teil, der nach Frankreich kommen wird“, sagte er dem Sender Europe 1. Der Vertrag habe eine sehr lange Laufzeit: „Wir haben uns mit Australien für 50 Jahre verheiratet.“
Die Schiffe sollen überwiegend in Australien gebaut werden, unter Einbeziehung der führenden australischen Marinewerft, der staatlichen ASC (früher: Australian Submarine Corporation). Sie baute die sechs U-Boote der Collins-Klasse, die zwischen 1994 und 2003 in Dienst gestellt wurden und jetzt abgelöst werden sollen. Die Fertigung der neuen U-Boote soll in wenigen Jahren beginnen, das erste U-Boot Anfang der 2030er-Jahre in Dienst gestellt werden.
TKMS hatte zugesagt, in Australien ein Werk aufzubauen und die U-Boote dort herzustellen. Die Kieler Sparte wollte damit auch ein Standbein für Wartungsaufträge in der Asien-Pazifik-Region aufbauen. TKMS hatte eine enge Kooperation oder die Übernahme der Marinewerft ASC angeboten. Australiens Regierung hatte im März ein Aufrüstungsprogramm angekündigt – mit Ausgaben von allein 195 Milliarden australischen Dollar (134 Milliarden Euro) bis zum Jahr 2025.