Hamburg . Der Bäckermeister hat eine besonders feine Nase für Backwaren – und setzt vor allem auf hohe Qualität und rein natürliche Zutaten.
Das Roggenmischbrot riecht für Daniel Probst nach frisch gemähtem Rasen, einem Hauch Traubenmost und er erschnuppert Weinkeller-Aromen. „Es erinnert an einen Waldspaziergang an Herbsttagen“, sagt der 31-Jährige. Dann schließt er die Augen, führt das Brot erneut zur Nase und atmet die Gerüche des Laibes ein, den er wenige Stunden zuvor gebacken hat. „Das Roggenmischbrot ist der perfekte Tagesbegleiter. Es eignet sich zum Frühstück und als Mahlzeit für zwischendurch“, sagt Probst. „Dazu passt wunderbar jede Art von Käse, der klassische Aufschnitt, aber auch Fleischsalat oder ein Stück geräucherter Fisch.“
Der Bäckermeister vom Hamburger Café Schmidt kennt sich mit der Aromen-Vielfalt seiner Brote aus. Er ist einer der ersten Brotsommeliers Deutschlands und der bisher einzige Norddeutschlands.
Brotsommelier. Das klingt zunächst etwas ausgefallen. Ein Sommelier (französisch für „Weinkellner“) empfiehlt Restaurantgästen die passenden Weine zu ihren Speisen. Längst gibt es aber nicht nur immer mehr selbstständige Weinsommeliers, die Verbrauchern, Gastronomen, Fach- und Einzelhandel ihre Expertise anbieten. Auch im Bier- und Käsegeschäft hat sich der Beruf durchgesetzt.
Im Bäckerhandwerk ist die staatlich anerkannte Fortbildung dagegen noch ganz neu und die aktuell höchste Qualifikation. Ende vergangenen Jahres bestand Daniel Probst gemeinsam mit elf weiteren Bäckermeistern aus Deutschland und einem aus Österreich die weltweit erste Prüfung der Akademie des Deutschen Bäckerhandwerks in Weinheim. Warum man einen Brotsommelier braucht? Das liegt für Probst auf der Hand: „Brot ist das günstigste Luxusprodukt, das man sich jeden Tag leisten kann. Es ist ein Genussmittel, das auf einer Ebene mit Wein und Käse steht“, sagt er.
Immer auf der Suche nach neuen Kreationen
Brot ist für den gebürtigen Franken, so sagt er, eine Passion. „Ich liebe es auf Reisen die Backwaren anderer Bäcker zu probieren“, sagt Probst, der auch eine abgeschlossene Ausbildung als Pâtissier (Konditor) hat. So kaufte er in Wien etwa ein Brot, das mit Äpfeln gebacken war. Das gefiel ihm so gut, dass er seitdem Apfelmus in einige seiner Teige mischt. „Die fruchtig-süßliche Note rundet den Geschmack ab“, sagt der Brotexperte. Aus Italien brachte er eine Hefepilzkultur für Sauerteig mit. Diese verfeinert nun das Aroma seines „Weizenkuddels“, eines Hartweizensauerteigs.
Diese Neugierde für Neues, für Experimente war es, die den Bäckermeister zur Fortbildung zum Sommelier bewegte. „Ich wollte noch mehr über Brot erfahren“, sagt er. Ein Dreivierteljahr lang paukte der Wahl-Hamburger, der in einer Mietwohnung in Hamm lebt, dafür tagsüber die Brothistorie, Ernährungslehre sowie Verzehrempfehlungen und schrieb eine Facharbeit. Nachts stand er in der Backstube des Café Schmidt in Altona und knetete Brotteige. Denn die Fortbildung war berufsbegleitend.
Achtmal fuhr Probst für jeweils dreitägige Seminare knapp 600 Kilometer weit zu der Akademie in Baden-Württemberg und lernte von Brotprüfern des Zentralverbandes des Deutschen Bäckerhandwerks Optik, Geruch und Geschmack von Brot zu beschreiben. „In den neun Monaten habe ich insgesamt 120 Kilogramm Brot in nahezu jeder Bäckerei in Hamburg gekauft, geprüft und getestet“, sagt Probst. Zum Vergleich: Ein deutscher Privathaushalt verbrauchte laut Bäckerverband zuletzt 46,3 Kilogramm Brot und Backwaren im Jahr.
Dinkelbrot mit Chia-Samen und Sesam-Note
Den Kunden in den vier Filialen des Café Schmidt bietet Probst täglich frisch gebackene Produkte. Dabei verzichtet er auf den Zusatz von künstlichen Aromen, E-Stoffen und auf Fertigbackmischungen. Stattdessen setzt er auf rein natürliche Zutaten, die möglichst aus der Region stammen. Verkaufsschlager sind das klassische Roggenmischbrot, aber auch ausgefallenere Kreationen wie ein Dinkelbrot mit Chia-Samen. Letzteres zeichnet sich übrigens durch seine Sesam-Note aus, gepaart mit einer leichten Säure von Apfelessig und dem nussigen Dinkel. „Ein rundum frisch-fruchtiges Brot“, sagt der Sommelier.
Für das perfekte Kauferlebnis will Probst seinen Kunden ab diesem Frühjahr zu jedem seiner Brote eine Genussbeschreibung an die Hand geben. Auf Flyern oder in einem Katalog fasst der Sommelier dann seine Sinneseindrücke in Worte und empfiehlt geschmacklich passende Speisen und Getränke dazu. „Die Kunden sollen sich bildlich vorstellen können, was sie beim Kauf erwartet“, sagt er. Für seinen Arbeitgeber sei Probsts Fortbildung zum Sommelier eine Bereicherung, sagt Café-Inhaber Falk Hocquél. „Immer mehr Kunden wollen wissen, was in ihrem Brot steckt. Sie suchen gezielt nach gesunden, hochwertigen Backwaren.“ Die Zukunft für Handwerksbäckereien wie die seines Unternehmens könne nur sein, eine besonders hohe Qualität anzubieten.
Das Handwerk registriert eine Rückbesinnung auf die Brotvielfalt
Handgemachtes, traditionell hergestelltes Brot ist derzeit gefragt. Der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks verzeichnet seit einigen Jahren den Trend zur Rückbesinnung auf natürliche, regionale Zutaten. „Brot ist für den Verbraucher wieder etwas Besonderes“, sagt Hauptgeschäftsführer Daniel Schneider. Kunden würden sich stärker als zuvor wieder mit der Einzigartigkeit der deutschen Brotvielfalt beschäftigen.
Daniel Probst hat auch für seine Zeit außerhalb der Backstube große Pläne. So will der Sommelier neben seiner Tätigkeit als Bäckermeister zum Beispiel Gastronomen zum Thema Brot beraten und sich für Veranstaltungen buchen lassen. Auch ein Backclub mit Seminaren sei angedacht. Seine Mission laute, die Menschen für gutes Brot zu begeistern. Dafür braucht es, so der 31-Jährige, übrigens nicht viel. Nur Sauerteig, Mehl, Wasser, Hefe und Salz, sagt der Feinschmecker.
Dann überlegt er einen Augenblick. Naja, vielleicht auch noch einen schönen Wein dazu. So mag er das Brot selbst am liebsten. Eine passende Auswahl an guten Tropfen hat er im Keller. Es sind 150 Flaschen.