Hamburg. Die Erntesaison hat begonnen. Die Bauern rechnen mit 35 Prozent weniger Früchten. Deshalb werden die Preise steigen.

Mit den ersten Sonnenstrahlen schwärmen sie seit ein paar Tagen aus. Rund 3500 Erntehelfer, fast 90 Prozent von ihnen sind Saisonarbeitskräfte vorwiegend aus Rumänien und Polen, gehen im Alten Land durch die Reihen mit Apfelbäumen, pflücken die reifen Früchte und legen sie in Holzkisten. 10.000 Äpfel schafft eine Kraft pro Tag. Die Erntesaison für das Lieblingsobst der Deutschen hat begonnen – doch die Ausbeute wird in diesem Jahr deutlich geringer als im Vorjahr sein.

Auf den ersten Blick sieht die Prognose sogar regelrecht desaströs aus. Die Apfelbauern im Alten Land erwarten in diesem Jahr mit 245.000 Tonnen eine um 35 Prozent geringere Erntemenge als im Vorjahr. Die Experten sehen das allerdings gelassen. „Das liegt in der Natur der Sache“, sagt Matthias Görgens, stellvertretender Leiter des Obstbauzentrums Jork, und nennt zwei Hauptgründe für das deutliche Minus.

„Die Natur hat einen natürlichen Rhythmus eingebaut, der Fachmann spricht von Alternanz“, sagt Görgens. Nach einem starken Jahr tragen die Bäume im nächsten Jahr deutlich weniger Früchte. Das sei hormonell bedingt und von Sorte zu Sorte unterschiedlich. Nach der Rekordernte im Vorjahr mit 375.000 Tonnen folgt nun der Einbruch, wobei die jetzt erwartete Erntemenge auch weit unter dem langjährigen Durchschnittswert von rund 300.000 Tonnen liegt.

In Deutschland sinkt die Ernte auf elf Millionen Tonnen Äpfel

Der zweite Grund liegt – wie so häufig in der Landwirtschaft – im Wetter bedingt. In diesem Frühjahr sei es erst spät warm geworden. Die Folge: „Wir haben kleinere Früchte als im Vorjahr“, sagt Görgens. Die geringere Fruchtgröße drückt natürlich ebenfalls aufs Gewicht. Auch international soll die Ernte geringer ausfallen. So werde in Europa ein Minus von knapp einer Million auf elf Millionen Tonnen Äpfel erwartet. Für Deutschland mit den beiden Hauptanbaugebieten Altes Land und Bodenseeregion wird die Erntemenge auf 885.000 Tonnen und damit rund 20 Prozent weniger geschätzt.

Die Verknappung des Angebots werden die Verbraucher, die statistisch gesehen etwa 20 Kilogramm Äpfel pro Kopf im Jahr verzehren, im Geldbeutel spüren. „Wir werden in jedem Fall höhere Preise sehen, im Durchschnitt wird ein Kilogramm zwischen 1,50 Euro und 1,60 Euro kosten“, sagt Helwig Schwartau, Gartenbaubereichsleiter bei der Agrarmarkt Informations-Gesellschaft (AMI). Das sei auch der langjährige Mittelwert, während der Preis 2014 auf etwa 1,30 Euro pro Kilo abgesackt war. Die Preissteigung sei notwendig, weil die Erzeugerpreise im Vorjahr unter die Schwelle von 30 Cent pro Kilogramm gefallen seien. Die reinen Produktionskosten seien aber erst in der Spanne von 35 bis 50 Cent gedeckt. Ein Wert in dieser Größenordnung sollte in diesem Jahr wieder erreicht werden, sagt Schwartau.

Politische Entscheidungen beeinflussen die Absatzmärkte

Im Alten Land werden 9000 Hektar Anbaufläche von 650 Familienbetrieben bewirtschaftet, davon sind 111 auf Hamburger und der Rest auf Niedersächsischem Gebiet angesiedelt. „Jeder Apfel wird per Hand gepflückt“, sagt Görgens. Mitte August und damit rund drei Wochen später als im Vorjahr begann die Ernte mit den Frühsorten wie Astramel, James Grieve und Gravensteiner. Im langjährigen Durchschnitt liege man drei bis vier Tage hinter dem Zeitplan, sagt Görgens.

Vor allem die Sorte Elstar, die zusammen mit Jonagold und Braeburn ungefähr 70 Prozent der aus dem Alten Land verkauften Äpfel ausmacht, und der Holsteiner Cox werden nun von den Bäumen geholt. Spätestens Anfang November werden die letzten Sorten wie Golden Delicious und Altländer Fuji gepflückt, zum Hof gefahren und entweder dort oder bei den Vertriebsgesellschaften Elbe Obst oder der Marktgemeinschaft Altes Land eingelagert. Nur etwa jeden zehnten Apfel verkaufen die Bauern direkt über Hofläden oder auf Ständen von Wochenmärkten, sagt Görgens. Die Hamburger Betriebe nutzten die Direktvermarktung wegen der geringeren Entfernung zu den potenziellen Käufern aber stärker als ihre Kollegen aus Niedersachsen.

Viele Äpfel aus dem Alten Land schaffen aber auch den Sprung über die Staatsgrenze. Zu den internationalen Absatzmärkten gehören England, Skandinavien und Russland. Inwiefern die wegen der Ukraine-Krise verhängten Sanktionen der Europäischen Union und das daraufhin von Präsident Wladimir Putin erlassene Importverbot von Lebensmitteln sich negativ auswirkt, ist offen. Mal ist von heftigen Einbußen die Rede, mal von keinen Auswirkungen auf das Geschäft. Aus der Branche hört man aber, dass auf unbekanntem Wege die Früchte doch in dem flächengrößten Staat der Erde aufgetaucht seien. Neue Märkte werden dennoch erschlossen. Seit Kurzem werden Staaten in Nordafrika und Asien wie zum Beispiel Taiwan mit Äpfeln beliefert, die südlich der Niederelbe gepflückt wurden.