Hamburg. Erste Geschäfte verkaufen wieder Lebensmittel in loser Form. So soll ökologisch bedenkliches Plastik vermieden werden.

Wer zu Sandra Neumeier in ihren Laden Twelve Monkeys kommt, sollte am besten ein paar Dosen oder Papiertüten dabei haben. Kichererbsen, Nüsse, Cornflakes, Schokomüsli und andere vegane Lebensmittel verkauft die 24-Jährige auf St. Pauli nämlich nicht in abgepackter Form, sondern lose. Eine ganze Batterie mit Glasröhren hängt an einem Regal, darin lagern vor allem getrocknete Produkte, die sich besonders leicht in mitgebrachte Behälter abfüllen und nach Gewicht bezahlen lassen.

„Wir verwenden heute viel zu viel Plastik, das am Ende in den Weltmeeren landet und dort einen gewaltigen Schaden anrichtet“, sagt Neumeier. „Daher versuche ich, in meinem Geschäft so weit wie möglich auf Kunststoff zu verzichten.“ Laut Bundesumweltministerium werden hierzulande jährlich mehr als 16 Millionen Tonnen an Verpackungen verbraucht, darunter fast drei Millionen Tonnen an Kunststoffen. Allein 5,3 Milliarden Plastik­tüten gehen in Deutschland pro Jahr über den Ladentisch.

„Für viele Kunden ist es zunächst einmal ungewohnt, ihre Lebensmittel selbst abzufüllen“, sagt die Unternehmensgründerin. Für diejenigen, die keine eigenen Tüten oder Behälter dabeihaben, hält sie daher auch Tüten aus recyceltem Papier vor. Das verpackungsfreie Sortiment umfasst bei Twelve Monkeys ungefähr ein Viertel aller angebotenen Artikel und reicht von frischem Obst und Gemüse über getrocknete Beeren und diverse Gewürze bis hin zu Hunde- und Katzenfutter. Von der kommenden Woche an sollen sogar Zahnpasta und Shampoos hinzukommen. Diese bietet Neumeier am Stück, ähnlich wie Seife an. Andere, frische Produkte wie Reismilch oder Sojajoghurt verkauft die Chefin hingegen ganz normal in den üblichen Verpackungen. „Aus hygienischen Gründen ist das kaum anders möglich“, so Neumeier.

Vorreiter ist der Versandhandel Unverpackt in Kiel

Der Wunsch nach verpackungs- und plastikfreien Produkten hat in den vergangenen Jahren in Deutschland immer weiter zugenommen. Zahlreiche Foren und Blogs widmen sich diesem Thema, entsprechende Läden haben sich in verschiedenen Metropolen etabliert. Eine Pionierin der Bewegung ist die gebürtige Französin Marie Delaperrière, die schon seit mehreren Jahren ihr Geschäft Unverpackt in Kiel betreibt. „In meiner Heimat Frankreich, aber auch in Großbritannien und den USA haben sich bereits Ketten etabliert, die Waren ohne Verpackung anbieten“, sagt die Mutter von drei Kindern. „Diese Idee wollte ich unbedingt nach Deutschland bringen.“ Mehr als 400 Artikel bietet sie schon in loser Form an, Joghurt und Milch gibt die Unternehmerin in Pfandgläsern ab.

Auch in Berlin hat im September vergangenen Jahres ein Laden mit einem ganz ähnlichen Geschäftsmodell eröffnet. Im Szenebezirk Kreuzberg verwandelten die beiden Gründerinnen Sara Wolf und Milena Glimbovski eine ehemalige Metzgerei in die Einkaufsstätte Original Unverpackt. Der Schwerpunkt liegt auch hier auf Lebensmitteln – von Nüssen, über Pfefferkörner und Gummibärchen bis hin zu Kaffeepulver.

In Hamburg ist vor einigen Monaten mit Plasno sogar Europas erster plastikfreier Internetshop online gegangen. Von einem Büro am Hammer Steindamm aus bietet das Start-up diverse Artikel an, die ganz ohne Kunststoff auskommen. Darunter sind Badezimmerartikel wie eine Zahnbürste mit Holzgriff, Schreibmappen oder iPhone-Hüllen aus Filz sowie Babyschnuller aus Naturkautschuk. Für den Nachwuchs gibt es sogar eine Lego-Alternative namens Playmais, bei der die Bausteine vollständig aus nachhaltigen Rohstoffen bestehen – Wasser, Lebensmittelfarbe und Mais. Rund 650 Artikel umfasst das Sortiment insgesamt.

Es wird zuviel Kunststoffmüll in Industriestaaten verursacht

Jetzt im Sommer hätten sich Eisformen aus Edelstahl besonders gut verkauft, sagt Plasno-Mitarbeiter Benjamin Bartels. Auch die Produkte des Herstellers Zupersozial, der unter anderem Hundenäpfe aus Bambus und Mais produziert, seien bei den Kunden sehr gefragt. „Wir versuchen ständig, unser Sortiment zu erweitern“, so Bar­tels. Allerdings sei es für ein Start-up schwer, die Lagerkapazitäten zu erhöhen. Auch die Idee zu Plasno ist aus dem Gedanken heraus entstanden, dass in den Industrienationen zu viel Kunststoffmüll produziert wird. „Wir wollten unseren Mitmenschen zeigen, dass man auf Plastik verzichten kann – wenn man nur will“, erzählt Bartels. „Uns ist es wichtig, mit unserer Idee zu überraschen, den Einzelnen aus seiner Komfortzone zu locken und jedem ins Bewusstsein zu rufen, dass wir überlegter mit den vorhandenen Ressourcen und der Umwelt umgehen müssen.“

Bei Twelve-Monkeys-Chefin San­dra Neumeier kommt zu dem Wunsch nach Müllvermeidung auch ihr großes Engagement für den Tierschutz hinzu. Das Sortiment in ihrem Geschäft ist nicht nur so weit wie möglich verpackungsfrei, sondern sie verzichtet auch komplett auf Lebensmittel tierischen Ursprungs. „Das macht es zwar nicht gerade einfacher, Lebensmittel ohne Verpackungen anzubieten, da die Auswahl an veganen Produkten ohnehin schon viel kleiner als die von konventionellen Artikeln ist“, sagt sie. „Aber ich habe so auch gleich zwei Themen, mit denen ich mich vom gewöhnlichen Lebensmittelhandel absetzen kann.“