Teil 5: Tee Maass ist 1887 für den Ostasienhandel im Kaiserreich gegründet worden. Heute behauptet sich das Unternehmen europaweit.

Nicht ohne! Ohne seine Beutel geht Till Harrendorf, 57, nicht aus dem Haus – egal, ob er in den Urlaub fährt oder zu Messen. Seine eigenen Beutel hat er immer dabei. Entweder im Auto, im Handschuhfach, oder in seiner Kulturtasche. Schließlich ist das Leben zu kurz für eine schlechte Tasse Tee, findet er. Aus diesem Grund nimmt er seit Jahren seinen eigenen Tee mit. Darjeeling First Flush, in Pyramidenbeuteln.

Doch heute hat er sie im Auto gelassen, losen Tee aufgebrüht. Till Harrendorf trinkt einen Schluck und gerät ins Schwärmen. Über den Geschmack des Flugtees, des ersten Tees der neuen Ernte in Darjeeling. Der innerhalb kürzester Zeit nach der Produktion eingeflogen wird und erst seit ein paar Tagen bei Tee Maass in den Regalen steht.

Seit 13 Jahren ist das Geschäft an der Börsenbrücke

Das Geschäft an der Börsenbrücke gibt es erst seit 13 Jahren, das Unternehmen aber 115 Jahre länger. Seit 1887. Es ist das Jahr, in dem Deutschland noch ein Kaisserreich war. In dem der Grundstein für den Nord-Ostsee-Kanal gelegt wird und das Grammofon auf den Markt kommt. In dem der SC Germania gegründet wird, aus dem schließlich der HSV hervorgeht, und der Begriff „Made in Germany“ entsteht. Es ist das Jahr, in dem Theodor Maass sein Ostasienhaus gründet. Einen China- und Japan-Import mit Reis, Tee, Kaffee, typischen Accessoires. Am Speersort entsteht die Zentrale des Unternehmens, die jedoch von einer Brandbome Ende des Zweiten Weltkriegs komplett zerstört wird.

„Soweit ich weiß“, sagt Till Harrendorf jedes Mal, wenn er von damals erzählt. Eine Zeit vor seiner Zeit. Als das Unternehmen noch im Besitz der Familie Maass war. Als sein Vater Holm Harrendorf die Firma noch nicht übernommen hatte. Das geschah erst in den 60er-Jahren. Soweit Till Harrendorf weiß. Damals, so erzählt er, sei das Lager mit allen Waren zerstört worden – und die Firma hätte infolgedessen schließlich in Konkurs gehen müssen. „Daraufhin hat mein Vater, der damals Geschäftsführer bei Tee Maass war, die Marke erworben“, so Till Harrendorf. Er selbst, Jahrgang 1958, kann sich daran aber kaum noch erinnern.

16 Filialen gab es zu Beginn, heute sind es fünf

„Darf ich mal?“, fragt eine Kundin und schlängelt sich an Till Harrendorf vorbei. Im Laden ist es voll, das Geschäft am Rathaus hat sich gut etabliert. Andere nicht, viele mussten im Laufe der Jahre schließen. Bis zu 16 Filialen hatte Holm Harrendorf mit Tee Maass in den Anfangszeiten, jetzt sind es drei Geschäfte in Hamburg sowie eins in Bremen und eins in Schwerin. „Der Großhandel ist einfach erträglicher als das Filialwesen“, sagt Till Harrendorf und erzählt, wie Vater Holm, inzwischen fast 90 Jahre alt, den Großhandel auf- und ausgebaut hat.

Heute importiert das Unternehmen fast 300 Tonnen Tee jährlich und beliefert damit rund 3000 Kunden in ganz Europa – vom kleinen Teeladen bis zur Lebensmittelkette. 70 Prozent des Umsatzes stammen aus dem Teegeschäft, den Rest erwirtschaftet das Unternehmen mit Hauptsitz in Rellingen mit Accessoires wie Dosen, Geschirr und Teezubehör. „Wir haben eigene Designer, die neue Muster und Modelle entwickeln“, sagt Till Harrendorf. Er selbst ist gelernter Außenhandelskaufmann und seit 30 Jahren in der Firma. Er führt die Geschäfte gemeinsam mit Bruder Jan, 60, der die Designentwicklung aktiv steuert.

Das alte Geschäftsgebäude von Tee Maass
Das alte Geschäftsgebäude von Tee Maass © Tee Maass

Gemeinsam haben sie erlebt, wie sich der Markt verändert hat. Wie der Teekonsum gestiegen ist, sich das Verhalten der Verbraucher verändert hat. Und wie der Vertrieb über das Internet immer wichtiger geworden ist. „Wenn die Kunden nicht mehr zu uns in die Läden kommen, um Waren zu kaufen, müssen die Waren eben zu den Kunden kommen“, sagt Till Harrendorf und erzählt, wie die Nichte vor sechs Jahren das Internetgeschäft aufgebaut hat.

Abwarten und Tee trinken? Gehört zum Geschäft. Das alleine reicht aber nicht, wenn man als Unternehmen nicht den Anschluss verlieren will. Wenn man nicht nur eine Vergangenheit, sondern auch eine Zukunft haben will. Wenn man sich auf die Veränderungen im Markt einstellen will. Denn obwohl der Teekonsum in Deutschland seit 2006 stetig steigt und Tee im Trend liegt, müssen die Teefachgeschäfte Marktanteile einbüßen. Ihr Anteil lag zuletzt bei 18,5 Prozent – 2011 waren es 20,3 Prozent. Trotzdem, oder gerade deswegen, würde Tee Maass gerne noch mehr Filialen eröffnen. Nicht nur in Hamburg. „Die Geschäfte sind unserer Meinung nach für das Unternehmen überlebenswichtig. Und überlebensfähig! Weil man nur dort Tee riechen und erleben kann – bei einem Einkauf am Bildschirm nicht.“ Auch über die Eröffnung von Teestuben habe man schon nachgedacht – die Pläne dann aber immer wieder verworfen. „Weil man dafür zu viel Platz braucht und sich das Konzept dann angesichts hoher Mieten nicht lohnen würde“, sind sich die Harrendorfs einig. Über den Umsatz sprechen sie nicht. Sagen aber, dass das Filialsystem sowie das Internetgeschäft zwölf Prozent des Umsatzes ausmachen und der Exportanteil bei 35 Prozent liegt.

Der Tee ist kalt geworden, das Gespräch zu Ende. Till Harrendorf fährt zurück ins Büro, nach Rellingen. Es gibt viel zu tun. Doch bevor er sich an die Arbeit setzt, macht er eine Runde durchs Büro und geht bei den Kollegen vorbei. Dann guckt er, bei wem eine Kanne Tee auf dem Schreibtisch steht und wo er sich eine Tasse einschenken kann. Ohne geht es nicht.

Tee Maass an der Börsenbrücke 2A ist montags bis freitags von 10 bis 19 Uhr, sonnabends von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Telefon: 040/374 24 74