Wittenburg. Im Alpincenter Wittenburg herrscht im Sommer Besucherflaute. Van der Valk Gruppe will den Freizeitpark zur Ferienanlage aufwerten.
Draußen brennt die Sonne auf dem weithin leeren Parkplatz, drinnen macht sich David Ryding bereit für die nächste Fahrt. Großbritanniens derzeit wohl erfolgreichster Skifahrer, der bei den Olympischen Winterspielen 2014 in Sotschi auf Platz 17 im Slalom wedelte, ist zum Sommertraining nach Wittenburg (Landkreis Ludwigslust-Parchim) gekommen. Im Alpincenter haben sie gut die Hälfte des steilen Schneehangs für ihn reserviert. In den nächsten Wochen werden dort eine ganze Reihe weiterer Europacup- und Weltcup-Fahrer neues Material testen und an ihrer Technik feilen.
Die anderen zahlenden Gäste stört das nicht – denn es sind kaum welche da. An diesem heißen Julitag sind immerhin Schüler aus Eutin zum Snowboarden nach Mecklenburg in die Skihalle an der A24 Hamburg–Berlin gekommen. Volker Wünsche hat sich an den Anblick leerer Liftgondeln gewöhnt. „Im Sommer haben die Leute Skifahren einfach nicht auf dem Schirm. Da kann man noch so sehr betonen, dass auf der Piste jetzt viel Platz ist“, sagt der stellvertretende Geschäftsführer des Alpincenters und Sprecher der Van der Valk Gruppe in Deutschland, der das Center gehört. Selbst mit einem kostenlosen Eintritt hat Wünsche es schon versucht. Nur etwa 50 Skifahrer kamen.
Zwar finden im Hotel Tagungen statt, zum Alpincenter gehören auch ein Wasserskilift an der nächsten Autobahnabfahrt, ein Klettergarten, ein Kinder-Abenteuerland, ein Quad-Parcours und eine Kartbahn, doch das bringt hauptsächlich Tagesgäste aus der näheren Umgebung. Dem gegenüber stehen 5000 bis 6000 Euro Energiekosten pro Tag. Eine Skihalle kann man nicht einfach monatelang stilllegen. Trotzdem: Nach einigen turbulenten Jahren und mit 100.000 Pistenbesuchern pro Jahr schreibe das Alpincenter eine schwarze Null, sagt Wünsche. Doch das Ziel ist ein anderes.
Deshalb forciert der Konzern Van der Valk, dem die größte Hotelkette der Niederlande gehört, jetzt große Pläne für Wittenburg. Neben dem Alpincenter sollen ein Factory Outlet Center und ein Feriendorf mit Erlebnisbad entstehen. „Derzeit sind wir ein reiner Freizeitpark, wir wollen ihn weiterentwickeln zur Feriendestination“, sagt Volker Wünsche. Vorbild ist das Van der Valk Resort Linstow in der Mecklenburgischen Seenplatte. Dort checken die Gäste im Durchschnitt für vier bis fünf Nächte ein, in Wittenburg meist nur für eine.
„Wittenburg Village“ lautet der Arbeitstitel des Projekts. Van der Valk will es gemeinsam mit dem Factory-Outlet-Center-Spezialisten „Stable International Development“ und einem holländischen Entwicklungsunternehmen umsetzen. Vor einigen Tagen haben die Planer bei der Landesregierung in Schwerin eine sogenannte Planungsanzeige eingereicht, Gutachten über die Auswirkungen auf die Region sollen im Herbst vorliegen.
In Wittenburg sind jetzt große Zahlen im Gespräch: Bis zu 85 Geschäfte für Fabrikverkauf, 500 neue Gästebetten allein durch die Erweiterung des Hotels, mehr als 100 Ferienhäuser, 50 bis 60 Millionen Euro Investitionen, um die 500 Arbeitsplätze, 1,5 Millionen Besucher pro Jahr – aber auch drei bis fünf Jahre bis zur Eröffnung. „Allein für die Planung ist ein Jahr veranschlagt“, sagt Volker Wünsche. Ein Hindernis: 5000-Einwohnerstädte wie Wittenburg sind auf solche Großprojekte kaum vorbereitet. Nun muss es zunächst einmal ein sogenanntes Zielabweichungsverfahren geben.
Im Rathaus ist man trotzdem hoffnungsfroh. „Die Stadtvertretung und die Stadtverwaltung sehen die Pläne sehr positiv und unterstützen sie“, sagt Bürgermeisterin Margret Seemann (SPD). Das Grundstück, auf dem das Feriendorf und das Erlebnisbad entstehen sollen, hat die Stadt 2014 an die Investoren verkauft. Bürgermeisterin Seemann hofft auf zusätzliche Arbeitsplätze, eine Steigerung der Kaufkraft – und, dass auch die Nachbargemeinden „diese Chance nutzen“.
Mit dem Solardach auf der Halle und dem Hotel wird viel Geld gespart
Sie ist überzeugt, dass „Wittenburg Village“ gut für die gesamte Region West-Mecklenburg bis hinauf zur Landeshauptstadt Schwerin wäre. Und die Erfahrungen zeigten, dass die weit verbreiteten Befürchtungen, Outlet-Center würden dem schon ansässigen Handel schaden, nicht eingetreten seien.
Völlig neu ist die Projektidee nicht: Van der Valk hatte sie vor einigen Jahren bei der Wiedereröffnung schon einmal präsentiert. Zuvor war das Alpincenter wegen eines Baumangels für mehr als ein Jahr stillgelegt, während ein Großteil der Kosten weiterlief.
Die alten Planungsskizzen zeigen noch eine Art Zeltdach über der Skihalle. Das wird es definitiv nicht geben, denn auf den Dächern von Skihalle und Hotel sind mittlerweile Tausende Quadratmeter Solarzellen installiert worden. Sie bringen 800.000 Euro Einspeisevergütung pro Jahr ein und sind der Grund, warum Volker Wünsche auch einem heißen Sommertag etwas Gutes abgewinnen kann: „Dann sind die Einnahmen aus dem Solarstrom etwa so hoch wie die Energiekosten des Alpincenters.“