Im Mai geht das erste Großbauteil aus der Hansestadt auf die Reise zum neuen Endmontagewerk in Alabama. Schulungen auf Finkenwerder.

Hamburg. Mehr als 1200 Flugzeuge von Airbus sind in den USA im Einsatz. Doch das entspricht lediglich einem Marktanteil von weniger als 20 Prozent, denn Jets des Boeing-Konzerns sind in Nordamerika besonders weit verbreitet. Mit dieser Zahl ist Airbus nicht zufrieden: „Wir streben in allen Märkten einen Anteil zwischen 40 und 60 Prozent an“, sagte Ulrich Weber, der Projektleiter für den Aufbau und Betrieb des neuen Montagewerks für Kurz- und Mittelstreckenmaschinen der A320-Familie in Mobile/Alabama. „In den USA haben wir in dieser Hinsicht noch großen Nachholbedarf.“

Vor allem psychologische Barrieren seien für den noch vergleichsweise niedrigen Marktanteil verantwortlich, so Weber: „Wir wollen in den USA als amerikanisches Unternehmen wahrgenommen werden.“ Dies sei das wesentliche Motiv für die Entscheidung, einen Montagestandort jenseits des Atlantik einzurichten, gewesen.

Nach dem Startschuss des Projekts im Juli 2012 sei bisher alles nach Plan gelaufen; die offizielle Eröffnung des Werks ist für den September geplant, alle wesentlichen Gebäude stehen bereits. „Am 2. März ziehe ich in mein neues Büro auf dem Standort“, sagte Weber dem Luftfahrt-Presse-Club in Hamburg. Der Airbus-Manager bringt gute Voraussetzungen für seine Aufgabe mit: Er hat in Hamburg die A380-Produktion aufgebaut und war von 2003 bis 2006 Standortleiter auf Finkenwerder, vor allem aber zeichnete er von 2006 bis 2010 schon für den Bau und den Betrieb des ersten außereuropäischen Airbus-Werks in Tianjin (China) verantwortlich.

Standort Hamburg soll profitieren

„Der Standort Hamburg wird auch von dem Montagewerk in den USA profitieren“, so Weber. Das Unternehmen geht davon aus, dass jeder Job, der an den Endlinien in Tianjin und in Mobile entsteht, vier Arbeitsplätze in den europäischen Airbus-Werken sichert. Denn an den Standorten in China und in den USA erfolgt lediglich der Zusammenbau der Flugzeuge. Die Endmontage ist zwar prestigeträchtig, sie macht aber nur etwa fünf Prozent der gesamten Wertschöpfung aus – und die wesentlichen Komponenten der Jets entstehen ausschließlich in Europa.

Dabei spielt Hamburg eine besondere Rolle: Von hier aus werden die vorgefertigten Komponenten per Containerschiff auf den Weg geschickt. Im Mai geht das erste Großbauteil auf die Reise nach Mobile, das direkt am Golf von Mexiko liegt. Während in China schon jetzt vier Flugzeuge pro Monat montiert werden und daher jede Woche ein Transport dorthin geht, soll das US-Werk im Jahr 2018 die gleiche Produktionsrate erreichen. Zum Vergleich: In Hamburg wurden zuletzt monatlich 22 Jets der A320-Familie gebaut, in Toulouse waren es 16.

Bis zu 1000 Arbeitsplätze sollen in Mobile entstehen – der Großteil davon bei Airbus selbst und der Rest bei externen Dienstleistern, die zum Beispiel die Lackierung der Flieger übernehmen. Schon seit Anfang 2014 werden neue Mitarbeiter aus den USA für jeweils ein halbes Jahr in Europa geschult, fast alle von ihnen in Hamburg.

„Die USA sind ein Luftfahrtland“

Zwar sei die Qualifikation dieser Beschäftigten nicht vollständig mit der in Deutschland üblichen dreieinhalbjährigen Berufsausbildung vergleichbar, sagte Weber: „Wir müssen für das Werk in Mobile die Arbeitsabläufe sehr detailliert beschreiben.“ Aber es gebe einen großen Unterschied zu dem Standort in China: „Die USA sind ein Luftfahrtland, viele unserer neuen Mitarbeiter haben Berufserfahrung in dieser Branche.“ Frühere Boeing-Beschäftigte seien nicht darunter, doch in Mobile und Umgebung gebe es unter anderem Flugzeugwartungsbetriebe und Flugmotorenhersteller.

Airbus hat nach Angaben von Weber darauf geachtet, das Personal gemäß dem dort üblichen Marktniveau zu bezahlen und nicht etwa höhere Gehälter zu bieten: „Darum habe ich gute Beziehungen zu unseren Nachbarunternehmen.“ Im Vergleich zu Deutschland sind die Löhne niedriger. Zu berücksichtigen sind aber die höheren Logistikkosten und der Effekt der deutlich geringeren Stückzahlen. Für Mobile gelte das gleiche wie für Tianjin, so Weber: „Es geht nicht darum, dort günstiger zu produzieren.“ Dennoch werde sich die Investition von umgerechnet rund 500 Millionen Euro lohnen: „Wenn wir den Marktanteil in den USA nur um einen Prozentpunkt steigern, hat sie sich schon bezahlt gemacht.“