Ende des Jahres wird der A350 ausgeliefert. Pläne für weitere Flugzeugtypen gibt es nicht. Das könnte auch Jobs in Hamburg in Gefahr bringen
Hamburg. Jetzt ist der Weg frei: Mit der Zulassung des neuen Langstreckenjets Airbus A350 auch durch die amerikanische Luftsicherheitsbehörde vor wenigen Tagen sind alle formalen Voraussetzungen für die Auslieferung an den ersten Kunden Qatar Airways noch vor Jahresende erfüllt.
Dieses Ereignis markiert gleichzeitig einen Einschnitt in der Unternehmensgeschichte des europäischen Flugzeugbauers: Das Produktportfolio von Airbus ist dann vollständig. Auf absehbare Zeit ist kein komplett neuer Flugzeugtyp mehr zu entwickeln, nur Varianten bestehender Modelle stehen noch aus. Wie Airbus am Montag mitteilte, gehört dazu ein neuer „Beluga“-Transportflieger auf Basis des A330. Fünf solcher Maschinen sollen vom Jahr 2019 an die bisherigen fünf Belugas, die aus dem A300 abgeleitet wurden, im internen Werk-zu-Werk-Verkehr ersetzen.
Das nächste echte Großprojekt aber ist aus heutiger Sicht ein Nachfolger für die Kurz- und Mittelstreckenflieger der A320-Familie. Doch die Arbeiten daran dürften erst weit im nächsten Jahrzehnt beginnen. Als Konsequenz daraus baut der Hersteller in diesem Jahr in Hamburg massiv Zeitarbeiterstellen ab. In Unternehmenskreisen ist von rund 1000 Positionen allein im Entwicklungsbereich die Rede.
„Eine solche Situation haben wir in der europäischen Luftfahrtlandschaft noch nie gehabt – zehn Jahre Dürre“, sagt der Hamburger Branchenexperte Heinrich Großbongardt. Vor diesem Hintergrund mahnt Meinhard Geiken, Bezirksleiter IG Metall Küste: „Airbus muss schon jetzt an die Flugzeuge von morgen denken. Wir brauchen Investitionen in die Zukunft, damit Arbeitsplätze und Standorte in Norddeutschland auch in 15 und 20 Jahren sicher sind.“ Erhöhte Renditevorgaben dürften nicht dazu führen, dass Ausgaben für Forschung und Entwicklung zurückgefahren werden.
Tatsächlich setzt der Airbus-Vorstand darauf, die Gewinne steigern zu könnern, wenn die Aufwendungen dafür zurückgehen: Während es zehn bis zwölf Milliarden Euro kostet, einen neuen Flugzeugtyp auf den Markt zu bringen, reichen eine Milliarde bis gut zwei Milliarden Euro aus, ein bestehendes Modell mit neuen, sparsameren Triebwerken auszustatten und zusätzlich kleinere Optimierungen vorzunehmen. Zudem lässt sich dies wesentlich schneller realisieren. „Das hilft unseren Kunden, und es stärkt unsere Wettbewerbsfähigkeit“, erklärte dazu Günter Butschek, Vizechef des Unternehmens und Vorsitzender der Geschäftsführung von Airbus Deutschland
Im Hinblick auf die Erträge haben die Europäer allerdings noch Nachholbedarf gegenüber dem Erzrivalen Boeing: Airbus peilt für 2015 eine operative Umsatzrendite von sieben bis acht Prozent an, die Amerikaner kamen in den ersten neun Monaten des Jahres 2014 auf gut elf Prozent.
Auch beim Ordereingang hat Boeing in diesem Jahr die Nase vorn. In Seattle verbuchte man bis Ende Oktober Aufträge für 1046 Maschinen, Airbus erhielt Bestellungen über 791 Flieger. In dieser Zahl sind allerdings die Kaufabsichtserklärungen aus China über insgesamt 170 Jets der A320-Familie noch nicht enthalten. Ohnehin sei Airbus im Segment der Kurz- und Mittelstreckenjets, für die der Standort Hamburg das Kompetenzzentrum ist, sehr gut aufgestellt, sagt Großbongardt.
Auch wenn der Flugzeugbauer mit der Zulassung des A350 und dem Erstflug des A320neo wichtige Ziele erreicht hat, sind noch „einige Herausforderungen zu bewältigen“, wie Tom Enders, Chef des Mutterkonzerns Airbus Group, jüngst einräumte. Eine davon ist der rasante Produktionshochlauf des A350: Das Fertigungstempo soll von zwei Maschinen im Monat Ende 2014 auf monatlich zehn Jets in vier Jahren steigen. Dies ist laut Butschek die bisher steilste Hochlaufkurve der Branche.
Großbongardt sieht noch eine weitere Herausforderung: Im Langstreckensegment klafft zwischen der größten Variante des A350 mit 369 Passagierplätzen und dem doppelstöckigen A380 für 525 Fluggäste eine sehr große Lücke. „Dabei ist gerade in dem Markt der Jets mit 400 bis 420 Sitzen Musik drin“, sagt der Luftfahrtexperte.
Beim Konkurrenten Boeing steht ein Flugzeug in der Entwicklung, das genau darauf abzielt. Obwohl das Projekt 777-X erst vor einem Jahr gestartet wurde, haben die Amerikaner bereits 286 Aufträge für den umgerechnet gut 300 Millionen Euro teuren Zweistrahler eingesammelt. Zum Vergleich: Für den Airbus A350-1000, das Spitzenmodell der A350-Reihe, kamen über einen deutlich längeren Zeitraum erst 169 Bestellungen herein. „Da könnte sich für Airbus Handlungsbedarf ergeben“, sagt Großbongardt. In den nächsten drei bis vier Jahren werde sich erweisen, ob die Europäer nachlegen müssen.
Einer der wichtigsten Kunden, der Chef der arabischen Fluggesellschaft Emirates, fordert zudem einen A380neo, der mit moderneren Triebwerken zehn bis zwölf Prozent weniger Treibstoff verbrauchen würde als das aktuelle Modell. Großbongardt ist aber skeptisch, ob sich eine solche Runderneuerung lohnen würde: „Vierstrahlige Flugzeuge wie eine Boeing 747 oder ein A380 sind künftig nur noch Randerscheinungen im Luftverkehr.“