Der Aufsichtsrat verkündete am Montag den überraschenden Wechsel an der Spitze der Hamburger Traditionswerft. Der Niederländer Fred van Beers wird Herbert Aly ersetzen.
Hamburg Eine Nachricht erschütterte am Montag den maritimen Standort Hamburg und ließ viele Experten ratlos zurück: Herbert Aly, der langjährige Chef der traditionsreichen Werft Blohm + Voss, muss gehen. Wie das Unternehmen mitteilte, werde Aly zum 1. März abgelöst. Sein Nachfolger wird der Niederländer Fred van Beers, derzeit Vizepräsident des Servicebereichs Nord Europa beim finnischen Maschinenbauunternehmen Wärtsilä. Beers ist mit seinen 52 Jahren nur vier Jahre jünger als Aly. Sein Fokus werde auf dem Ausbau des Geschäfts mit Luxusyachten liegen, heißt es in der Mitteilung. Darüber hinaus soll er die führende Position von Blohm + Voss im Bereich Instandhaltung und Umbau in den Geschäftsfeldern Kreuzfahrtschiffe und Offshore-Units weiter stärken.
Für die maritime Branche ist die plötzliche Trennung von Aly ein Paukenschlag. Tatsächlich wurde sie offenbar über Monate vorbereitet. Der Abgang von Aly brauchte Zeit. Schließlich ist die Werft eng mit seiner Person verbunden. Seit der Abspaltung des militärischen Schiffbaus sowie des Rückzugs von ThyssenKrupp 2011 hat Aly die Werft nach seinen Vorstellungen ausgerichtet, und dabei auf drei Geschäftsfelder fokussiert: Reparatur und Umbau von Passagierschiffen, Reparatur und Umbau von Offshore-Schiffen sowie Neubau von Yachten. Offiziell hüllt sich die Werft in Schweigen, aber ausgerechnet über die Weiterentwicklung dieser drei Geschäftsfelder soll es zu einem Zerwürfnis zwischen Aly und dem Eigner der Werft, dem britischen Finanzinvestor Star Capital Partners, gekommen sein.
Das klingt wie ein Treppenwitz der Geschichte, denn Aly war derjenige gewesen, der die Investoren von der Insel ins Unternehmen gebracht hat. Während der damalige Eigner ThyssenKrupp noch mit dem arabischen Schiffbauer Abu Dhabi Mar verhandelte, zog Aly bereits Fäden nach London. In dem Moment, als die sicher geglaubte Übernahme durch die Araber gescheitert war, traf sich der Schiffbauexperte mit dem Chef von Star Capital Partners, Tony Mallin, zu einem langen Spaziergang im Hyde Park und machte den Einstieg der Briten perfekt.
Diese haben den Industriebereich inzwischen verkauft, halten aber weiter an den von Aly aufgestellten Kernbereichen fest. So fest, dass sie auch dem Werben der holländischen Damen Shipyards Group bisher widerstanden, die nach Informationen des Abendblatts an einem Kauf von Blohm + Voss interessiert ist. Denn die Werft Blohm + Voss, die seit der Ablieferung der 83 Meter langen Yacht „Graceful“ im April keinen Neubau mehr vorweisen kann, hat ihre Probleme. Aly hat stark auf die Entwicklung und den Bau von Superyachten gesetzt. Doch die Kunden für dieses Segment blieben aus. In einem Abendblatt-Interview 2013 machte Aly deutlich, dass Blohm + Voss rasch Interessenten für sein Yachtdesign finden müsse. „2014 wird ein entscheidendes Jahr“, sagte er damals. Lief das Reparaturgeschäft im vergangenen Jahr sehr gut, so lässt sich eines doch festhalten: Einen Neubauauftrag gab es 2014 nicht.
Van Beers verfügt über breites Netzwerk
Den muss jetzt sein Nachfolger an Land ziehen. Fred van Beers ist Schiffsingenieur, vier Jahre zur See gefahren und verantwortete während seiner beruflichen Laufbahn Produktentwicklung und Konstruktion, Fertigung, Vertrieb und Wartung. Aufgrund seiner internationalen Laufbahn bei Wärtsilä und verschiedenen Ämtern in Organisationen der maritimen Branche in den Niederlanden und ganz Europa verfüge van Beers über ein breites internationales Branchennetzwerk bei Schiffseignern, Yachtdesignern, Werften und Dienstleistern, teilte der Aufsichtsrat von Blohm + Voss am Montag mit. Die breite Branchenkenntnis ist wichtig. Beers‘ Vorgänger hatte sie auch.
Aly, selbst Seefahrer, schied 1989 aus der Bundesmarine als Kapitänleutnant aus und stieg bei Blohm + Voss als Entwicklungsingenieur ein. Damals noch im Bereich Dampfturbinenbau und Kraftwerkstechnik, den es schon lange nicht mehr gibt. Zugleich promovierte er an der TUHH in Harburg und wurde ein anerkannter Maschinenbauer. Nach acht Jahren in leitenden Positionen in verschiedenen Unternehmen der Energiewirtschaft kehrte Aly 2004 zur Werft an der Elbe zurück, die damals zum ThyssenKrupp-Konzern gehörte. 2008 wurde Aly Sprecher der Geschäftsführung. Sein Konzept will van Beers angeblich beibehalten: „Ich teile die strategische Vision von Blohm + Voss und freue mich, diese gemeinsam mit meinen neuen Kollegen umzusetzen“, sagte er am Montag.
Unklar ist, wie es bei der Werft mit ihren rund 1000 Mitarbeitern in Hamburg weitergeht. „Ich habe mit Star Capital Partners gesprochen und deutlich gemacht, wie wichtig Blohm + Voss für den Standort Hamburg ist. Es wird immer unser Ziel sein, die Werft und möglichst viele Arbeitsplätze in der Stadt zu halten“, sagte Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) dem Abendblatt.