Unruhe bei Airbus: Unternehmenschef Brégier relativiert Aussagen seines Finanzvorstands über das mögliche Aus für den Riesenflieger. Er könnte verändert gebaut werden.
Hamburg. Die Nachricht hat nicht nur Zehntausende von Airbus-Beschäftigten aufgeschreckt: Harald Wilhelm, in Personalunion Finanzchef des Flugzeugbauers und seines Mutterkonzerns Airbus Group, brachte am Mittwoch das vorzeitige Ende des Megafliegers A380 ins Gespräch. Das Unternehmen werde ihn ab dem Jahr 2018 entweder mit sparsameren Triebwerken modernisieren oder die Produktion einstellen, sagte Wilhelm auf einer Investorenveranstaltung in London.
Umso gespannter war man darauf, was Airbus-Chef Fabrice Brégier am Donnerstag auf der gleichen Veranstaltung zu diesem Thema sagen würde. Zwar räumte er ein, betriebswirtschaftliche Faktoren seien entscheidend für die Zukunft des doppelstöckigen Fliegers, der sich zuletzt nur noch schleppend verkaufte. Brégier gab sich aber zuversichtlich, dass man mit Produktverbesserungen für neue Nachfrage nach dem Großjet sorgen kann: „Wir sind alle total überzeugt vom A380.“
Der wichtigste Kunde des Airbus-Flaggschiffs, die arabische Fluggesellschaft Emirates Airline, hatte wiederholt die Entwicklung einer sogenannten Neo-Variante des A380 gefordert, die mit Triebwerken modernster Technologie zehn bis zwölf Prozent weniger Treibstoff pro Passagier verbraucht als die aktuelle Ausführung. Nachdem es von Airbus bisher stets hieß, man prüfe verschiedene Optionen, äußerte sich Brégier jetzt deutlicher als je zuvor zu den Plänen des Unternehmens: „Ja, wir werden eines Tages einen A380neo auf den Weg bringen“, sagte er. Auch eine verlängerte Variante des Flugzeugs werde es in der Zukunft geben.
Tim Clark, Chef von Emirates, zeigte sich irritiert über die widersprüchlichen Signale aus dem Airbus-Konzern. Er sei mit den jüngsten Äußerungen des Herstellers nicht besonders glücklich, erklärte Clark mit Blick auf die Aussagen von Wilhelm. Emirates sei bereit, viel Geld in eine modernisierte Version des A380 zu investieren.
Vor dem Hintergrund der Diskussion um den A380 hier die wichtigsten Fragen und Antworten dazu:
Wie wichtig ist der A380 für Hamburg?
Airbus nennt keine Zahl, wie viele der knapp 13.000 fest angestellten Beschäftigten im Werk auf Finkenwerder von diesem Projekt abhängen. Es gebe zu viele Überschneidungen mit anderen Flugzeugprogrammen, heißt es dazu. Im Zusammenhang mit der Erweiterung des Werksgeländes in das Mühlenberger Loch hinein hatte das Unternehmen zu Beginn des vergangenen Jahrzehnts versprochen, es würden 2000 Arbeitsplätze bei Airbus und weitere 2000 bei Zulieferern entstehen.
Nach Abschluss der Werkserweiterung sagte Walter Birkhan, der frühere Geschäftsführer des Luftfahrtcluster-Netzwerks Hamburg Aviation, durch den A380 seien in der Hansestadt rund 4500 Jobs geschaffen worden. Die ursprüngliche Zusage von Airbus sei also mehr als erfüllt worden.
Wie lange reichen die A380-Aufträge?
Die Äußerungen von Wilhelm waren so verstanden worden, dass Airbus den A380-Auftragsbestand in jedem Fall noch abarbeitet, den Jet aber gegebenenfalls nach dem Jahr 2018 nicht mehr vermarktet. Per Ende November lagen 318 Bestellungen für die Maschine vor, 147 Exemplare waren bis dahin ausgeliefert. Bei der aktuellen Produktionsrate von 30 Flugzeugen pro Jahr wäre das Orderbuch in knapp sechs Jahren abgearbeitet, falls keine weiteren Aufträge hereinkämen.
Damit wäre der A380 nur etwa 15 Jahre lang gebaut worden, während in der Luftfahrtindustrie Fertigungszeiträume von 30 bis 40 Jahren üblich sind. Außerdem hätte das Flugzeug dann erst einen geringen Teil der Entwicklungskosten von rund zwölf Milliarden Euro wieder hereingeholt.
Was ist das Problem des A380?
Die Maschine sollte das wirtschaftlichste Flugzeug der Welt sein, mit einem Treibstoffverbrauch von weniger als drei Litern pro Passgier auf 100 Kilometer. Allerdings hat der US-Konkurrent Boeing mit dem Modell 777-300ER bereits im Jahr 2004 einen Jet auf den Markt gebracht, der nach Berechnungen des amerikanischen Luftfahrt-Beratungshauses Leeham einen noch geringeren Verbrauch pro Fluggast aufweist. Ein von Boeing für Anfang des nächsten Jahrzehnts angekündigter Nachfolger soll noch sparsamer sein.
Zudem können kleinere Maschinen von den Airlines flexibler eingesetzt werden als Flugzeuge von der Größe des A380, deren Sitzplatzkapazität nur auf vergleichsweise wenigen Routen weltweit gefüllt werden kann.
Wie schätzt Airbus den Markt ein?
Von 2014 bis 2033 werden Airbus-Prognosen zufolge rund 1200 Flugzeuge in der Größenklasse des A380 und des ebenfalls vierstrahligen Jumbojets 747 von Boeing ausgeliefert. „Wir werden zusätzliche Kunden für den A380 bekommen“, sagte Brégier. Allerdings waren die Einschätzungen von Airbus für die Kategorie der sehr großen Flugzeuge bisher zu optimistisch.
Wie steht die Arbeitnehmerseite dazu?
„Wir warnen die Geschäftsführung vor übereilten Entscheidungen“, sagte Meinhard Geiken, Bezirksleiter IG Metall Küste. „Es ist falsch, ein Zukunftsprojekt wie den A380 kurzfristig infrage zu stellen.“ Der Konzern sei gefordert, durch Innovationen und Weiterentwicklungen eine langfristige Perspektive für Arbeitsplätze und Standorte zu schaffen. „Es darf nicht nur um kurzfristige Rendite gehen“, so Geiken.
Welche Probleme hat Airbus sonst noch?
Bei den mittelgroßen Langstreckenjets steht ein Generationswechsel an: Der A330 wird von 2016 an durch den modernisierten A330neo ersetzt. Daher wird die Produktionsrate zunächst heruntergefahren. Außerdem beginnt der Produktionshochlauf des neuen A350. Wegen dieser Belastungen hatte Finanzchef Wilhelm angekündigt, der operative Gewinn werde 2016 stagnieren und erst im Jahr 2017 wieder steigen. Dies hat die Airbus-Group-Aktie einbrechen lassen.