Laurens Spethmann hat aus der Ostfriesischen Tee Gesellschaft ein Unternehmen mit 1500 Beschäftigten gemacht. Er wird für sein Lebenswerk geehrt. Nun führen die Söhne des Tee-Kenners das Geschäft.
Hamburg. Der Tee ist schon fertig, als Laurens Spethmann eintrifft. Darjeeling mit Kandis, so mag er ihn am liebsten. Bei einem kräftigen Ostfriesentee würde er noch einen Schuss Milch hinzugeben. Aber bitte nicht bei Darjeeling. Laurens Spethmann, 84, ist ein Tee-Kenner. Ein Tee-König, wie er oft genannt wird. Auch wenn er diese Bezeichnung selbst nicht mag. Das klingt ihm zu abgehoben. Ganz anders als er ist. „Ich bin ein Schwarztee-Mann“, sagt er. Stolz. Weil er den Job von der Pike auf gelernt hat. Weil er nichts geschenkt bekommen hat, sondern sich alles selbst erarbeiten musste.
Er war in London und auf Teeplantagen auf Sri Lanka sowie in Indien. Dort hat er „Tee gelernt“, wie er es nennt. Dort, und nicht bei seinem Großvater Laurens Janssen, dem Gründer der Ostfriesische Tee Gesellschaft (OTG). Heute gehört das Unternehmen mit 1500 Mitarbeitern und Marken wie Meßmer und Milford zu einem der größten Tee-Importeure und -Hersteller Europas, doch als Laurens Janssen das Geschäft 1907 in Leer gründete, war er auf sich allein gestellt. „Er war ein glänzender Verkäufer“, sagt Laurens Spethmann und erzählt, wie sein Großvater ihn in das Geschäft einführte. Mit 13 Jahren. „Das wird mal mein Nachfolger“, habe sein Großvater immer gesagt.
Laurens Spethmann macht eine Pause, trinkt einen Schluck Tee, sucht nach den richtigen Worten. Um zu erklären, wie schwer es anfangs für ihn war, dass sein Weg vorgezeichnet war. Aber bitte, damit keine Missverständnisse entstehen, sagt er: Heute sei er froh, dass alles so gekommen ist. Und auch wenn sein Großvater „stur wie ein Panzer“ war, habe er ihn immer bewundert. Sogar bei ihm gewohnt. Weil seine eigenen Familienverhältnisse „chaotisch“ waren, wie er es nennt. Unbeschwert sei die Zeit gewesen. Bis Laurens Janssen stirbt und er dessen Platz einnehmen muss. Seine Mutter und Großmutter versorgen muss. Mit 23 Jahren. „Das war ein ganz schöner Packen, den ich da zu tragen hatte.“
Mehr als 60 Jahre ist das jetzt her, doch an vieles von damals kann sich Laurens Spethmann so gut erinnern wie an das Klavierkonzert vor zwei Tagen. Wie er zu Hause im Keller den Tee gemischt hat („einfach mit einer Schaufel“) und wie er diesen zu den Kunden gebracht hat – „mit einem dreirädrigen Kleinlaster, einem Tempo“. Und wie er seine Marianne geheiratet hat. Ehefrau und Freundin. Vertraute und „Finanzministerin“, wie er sie am liebsten nennt. Weil sie die Buchführung der OTG gemacht hat, nachdem die bisherige Buchhalterin das Unternehmen betrogen hatte und fast ruiniert hätte. „Sie war ein Naturtalent“, sagt Laurens Spethmann. Stolz, weil Marianne sich um die Firma und drei Kinder gekümmert hat. Weil sie so „tüchtig war“. Und weil sie die Ideen hatte, Grün zur Markenfarbe von Milford zu machen – weil sie die grüne Verpackung von After-Eight-Schokolade so schön fand.
Der Tee ist kalt geworden. Laurens Spethmann nimmt trotzdem einen Schluck. „Kaffee trinke ich nur heimlich“, sagt er und lacht. Für einen Schwarztee-Mann wie ihn sei es ein Schock gewesen, als in den 1960er-Jahren Tee in Beuteln aufkam. Ein Frevel! Und so fummelig. „Ich fand die Dinger einfach schrecklich“, sagt Spethmann und erzählt von der schweren Entscheidung, selbst von losem Tee auf Beutel umzusteigen. Nicht nur bei schwarzem Tee, sondern auch bei Kräutertee. Da sie im Gegensatz zur Konkurrenz noch keine Maschinen hatten, die die Beutel verpacken konnten, spannte die OTG ganz Jesteburg mit in die Arbeit ein. Die Aufgussbeutel wurden waschkistenweise an Haushalte verteilt und dort per Hand in Faltschachteln verpackt. „Ach, übrigens: Die Verlagerung des Geschäftes nach Jesteburg und dann nach Seevetal war auch eine Idee meiner Frau“, sagt Laurens Spethmann. Weil sie nicht wollte, dass ihre drei Kinder in der Stadt aufwachsen, ihr die tägliche Fahrt nach Hamburg zur Firma aber zu weit war.
Eigentlich sollte Marianne einen Preis bekommen, findet Spethmann. Doch seine Frau ist vor zwei Jahren gestorben, die Kinder Jochen und Michael führen heute das Unternehmen. Mitte der 1990er-Jahre haben sich Laurens und Marianne daraus zurückgezogen – nachdem die OTG Handelspartner großer Discounter wurde und Konkurrenten wie Meßmer aufgekauft hatte. „Ein Siegesgefühl war das“, sagt Laurens Spethmann und überlegt, was es noch zu sagen gibt: dass seine Kinder das Unternehmen kaufen mussten, nicht geschenkt bekommen haben. Weil er findet, dass man verantwortungsbewusster damit umgeht, wenn man seine „eigenen Piepen reingesteckt hat“.
Mit dem Geld hat er unter anderem die Spethmann-Stiftung gegründet, die Projekte der Kinder- und Jugendhilfe sowie der Altenhilfe unterstützt. Im Landkreis Harburg. Als Dank an die Region und ihre Menschen für deren großen Beitrag zum Unternehmenserfolg. „Ich habe einen sozialen Tick“, sagt er. So wie sein Großvater, der eine Kleinrentnerspeisung ins Leben gerufen hatte. Ein Zeitungsausschnitt von damals hängt bei der Spethmann-Stiftung an der Wand. „Hilfreicher Tee-König“ steht darüber. Auch wenn Laurens Spethmann die Bezeichnung nicht mag.