Studie von HWWI und Haspa sieht großen Bedarf bis zum Jahr 2029. Anteil junger Menschen sinkt in der Stadt. Industrie verliert an Bedeutung
Hamburg. In den zurückliegenden beiden Jahrzehnten hat sich Hamburgs Wirtschaft durchaus erfolgreich entwickelt: Mit einem Wachstum von durchschnittlich 1,2 Prozent pro Jahr im Zeitraum von 1991 bis 2012 kam die Stadt etwas besser voran als die alten Bundesländer insgesamt. Der Hafen hatte daran einen sehr bedeutenden Anteil: Wachstumstreiber war vor allem der Sektor Handel und Verkehr mit einem Zuwachs der Wertschöpfung von gut 67 Prozent, gefolgt von den unternehmensnahen Dienstleistungen mit einem Plus von 29 Prozent.
Auch die Einwohnerzahl der Hansestadt hat spürbar zugenommen – seit 1987 um fast acht Prozent. Diese Zahlen ergeben sich aus der Studie „Wohnen und arbeiten in Hamburg“, die das Hamburgische WeltWirtschaftsInstitut (HWWI) im Auftrag der Haspa erstellt hat und die in weiten Teilen auf jüngst ausgewerteten Daten aus der Volkszählung 2011 basiert.
„Entgegen dem bundesweiten Trend wird die Bevölkerung in Hamburg auch in den nächsten zehn bis 20 Jahren weiterwachsen“, erwartet der HWWI-Wissenschaftler Alkis Henri Otto, einer der Autoren der Studie. „Hamburg zeichnet sich durch eine hohe Lebensqualität verbunden mit wirtschaftlicher Stärke aus“, sagt dazu Haspa-Chef Harald Vogelsang.
Auf dieser Anziehungskraft dürfe man sich aber im Wettbewerb der Metropolen nicht ausruhen. „Zwar können wir uns nicht mit New York oder London vergleichen, aber Hamburg sollte so attraktiv sein wie Oslo oder Vancouver“, so Vogelsang. Um weiterhin so erfolgreich zu sein wie in den vergangenen 25 Jahren, müsse Hamburg unter anderem zusätzlichen bezahlbaren Wohnraum schaffen.
Der Spielraum dazu sollte vorhanden sein, meint Otto. Denn Städte wie München oder Berlin seien erheblich dichter besiedelt als die norddeutsche Metropole, deren Landfläche nahezu der von New York City mit mehr als acht Millionen Einwohnern entspreche. Nach Berechnungen des HWWI benötigt Hamburg in den nächsten 15 Jahren 90.000 zusätzliche Wohnungen.
Insofern liege das Ziel des Senats, pro Jahr 6000 zusätzliche Wohneinheiten zu schaffen, in der richtigen Größenordnung, sagt Otto. Im vergangenen Jahr ist die Zahl der Wohnungsneubauten um gut 2600 auf mehr als 6400 gestiegen. Erhöhter Wohnraumbedarf ergibt sich nach Auffassung der Wissenschaftler schon allein aus der Alterung der Bevölkerung, denn dies lasse die Zahl der Haushalte weiter zunehmen. Der demografische Wandel wirkte sich auch in den vergangenen Jahrzehnten schon aus: Zwischen 1987 und 2012 ist der Anteil der jungen Menschen (bis 24 Jahre) von 26 Prozent auf 21 Prozent zurückgegangen.
Spürbar zugenommen hat die Einwohnerzahl seitdem auf den Elbinseln Veddel und Wilhelmsburg sowie in Altona-Nord und in Lokstedt. Vor allem aber gab es am Stadtrand, etwa in den Walddörfern, den Vierlanden und im Süden Harburgs, deutliche Zuwächse durch den Zuzug von Familien.
Gleichzeitig ist in einigen Stadtrandvierteln inzwischen der Anteil der älteren Menschen besonders hoch. So ist zum Beispiel in Volksdorf, Wellingsbüttel, Niendorf und Blankenese mehr als jeder vierte Einwohner 65 Jahre alt oder älter. Weil seit Jahrzehnten zahlreiche Familien in die Umlandkreise abwandern, die Menschen aber weiter in Hamburg arbeiten, ist die Zahl der sogenannten Einpendler seit 1989 um mehr als ein Drittel auf gut 320.000 pro Tag geklettert. Dies stellt die Verkehrsinfrastruktur vor immer größere Herausforderungen.
Vor diesem Hintergrund sei bei der Stadtplanung über eine engere Verzahnung von Wohnen und Arbeiten nachzudenken, so Otto. Kürzere Pendelzeiten kämen nicht nur der Vereinbarkeit von Beruf und Familie zugute – wobei künftig vermehrt auch alte Menschen betreut werden müssten –, sondern ebenso der Umwelt. Der Strukturwandel, der die Zahl der Beschäftigten in der Industrie seit 1991 um 35 Prozent schrumpfen ließ, schafft prinzipiell gute Voraussetzungen für eine stärkere Durchmischung von Wohn- und Gewerbeflächen. Während das produzierende Gewerbe an Bedeutung verlor, ist Hamburg ein bedeutender IT-Standort geworden; die mehr als 9500 Unternehmen in der Stadt machen mehr als zehn Prozent aller Firmen dieses Sektors im Bundesgebiet aus.
Der Hafen dürfte nach Ansicht der Experten des HWWI auch in den kommenden Jahren eine wichtige Rolle spielen. Die Inbetriebnahme immer größerer Containerschiffe mit größerem Tiefgang lasse die jahrzehntelang vorteilhafte Lage des Hafens weit im Landesinneren allerdings zunehmend zu einem Standortnachteil werden. Ob die lokale Hafenwirtschaft weiterwachsen könne, werde aber maßgeblich davon abhängen, ob die Elbvertiefung umgesetzt und die Hinterlandanbindung verbessert werden könne.
Daneben gelte es, weitere Verbesserungen in der Bildung zu erreichen, damit sich Hamburg im Standortwettbewerb behaupten könne, sagt Vogelsang: „Man kann gar nicht genug in die Bildung investieren.“