Das Bundesverwaltungsgericht hat die Anhörung zur Elbvertiefung beendet. Der Ausgang des Verfahrens ist noch völlig offen. Wird die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs abgewartet?
Leipzig. Am Mittwoch wurde es für die Planer der Elbvertiefung vor dem Bundesverwaltungsgericht noch einmal eng. Die Experten hatten den Richtern des 7. Senats am Dienstagnachmittag nicht hinreichend erklären können, welche genauen Höhen vorgesehene Ausgleichsflächen für die Ansiedlung des Schierlingswasserfenchels in der Stadt haben. Die nur an der Unterelbe wachsende Pflanze spielt bei dem Verfahren eine wichtige Rolle. Die Richter quittierten die Datenlücke mit einem in diesem Prozess äußerst seltenen Unmut.
Die ganze Nacht über hatten die Mitarbeiter der Hamburger Planungsbehörde nun gearbeitet. Am Mittwochvormittag legten sie dem Gericht dann neue Daten und Grafiken vor. Dass der Vorsitzende Richter Rüdiger Nolte den Nachtrag und die damit verbundenen, späten Änderungen des Planverfahrens überhaupt akzeptierte, ersparte den Projektträgern einen herben Rückschlag.
Alexander Porschke, der Vorsitzende des Nabu Hamburg und frühere Hamburger Umweltsenator, nutzte die Vorlage in seiner Erwiderung für die Klägerseite und kritisierte den Nachtrag und die Planänderung in insgesamt zwölf Punkten. „Wir sehen hier eine Reihe von Mängeln, Widersprüchen und Aspekten, die mit dem europäischen Wasserrecht nicht in Einklang gebracht werden können“, sagte er.
Fallstricke für die streitenden Parteien – die Umweltverbände BUND und Nabu klagen gegen die Planfeststellung des Bundes und der Stadt Hamburg – liegen bei diesem hoch komplexen Verfahren überall. Andererseits hatten die Planungsbehörden monatelang Zeit, um sich auf die vom Leipziger Gericht vorgelegten Nachfragen akribisch vorzubereiten. Der Vorsitzende jedenfalls ließ es an Fairness in der insgesamt fünftägigen Verhandlung zu keiner Zeit mangeln.
Hauptsächlich ging es am letzten Tag der Anhörung um das Verhältnis des Planverfahrens zum europäischen Wasserrecht. Die Wasserrahmenrichtlinie der Europäischen Kommission schreibt vor, dass sich der Zustand eines Gewässers im Zuge von Bauprojekten wie etwa der geplanten Vertiefung und Verbreiterung der Elbe nicht verschlechtern darf. „Die ursprüngliche Fassung des Planfeststellungsverfahrens wäre vor diesem Hintergrund nicht genehmigungsfähig gewesen“, sagte Nolte.
Die Planungsbehörden hatten das rund 2600 Seiten starke Planungswerk deshalb Ende 2012 nachgebessert und ergänzt. Die Behörden räumen ein, dass sich die Wasserqualität der Unterelbe nach der Fahrrinnenanpassung verschlechtern könne, etwa durch mehr Schwebstoffe oder einen höheren Salzgehalt. Sie beantragten deshalb im Zuge des Gerichtsverfahrens eine Ausnahmegenehmigung mit Blick auf die hohe öffentliche Bedeutung der Elbvertiefung und -verbreiterung.
Um überhaupt Aussichten auf eine solche Genehmigung zu haben, mussten die Planer dem Gericht akribisch darlegen, mit welchen Methoden sie eine Veränderung der Wasserqualität messen und vor allem, wie sie diese bewerten und einstufen. „Wie eng wird der Verschlechterungsbegriff gefasst“, fragte Nolte unter anderem, „von welchem Ausgangspunkt aus ist eine Verschlechterung der Wasserqualität zu bewerten?“ Die beklagten Behörden erläuterten bis ins Detail ihre Kategorien und Bewertungsmaßstäbe: „Es ist ein System, dass fachgerecht angewandt werden kann“, sagte einer der Experten. Die Klägerseite stellte in Abrede, dass dieses Modell praktisch geeignet sei, um Veränderungen und Verschlechterungen der Wasserqualität adäquat abzubilden.
Mit den Erörterungen zum Wasserrecht endete die inhaltliche Aufarbeitung des Planverfahrens in der öffentlichen Anhörung. In ihren Schlussworten fassten die Streitparteien ihre Positionen zusammen. Deutlich wurde dabei vor allem, dass die klagenden Umweltverbände eine Verbreiterung und Vertiefung der Elbe nach der Anhörung noch dezidierter ablehnen als zuvor. Fast eine halbe Stunde lang fasste Anwalt Rüdiger Nebelsieck die Standpunkte der Kläger zusammen. Die Anwälte Olaf Reidt und Professor Wolfgang Ewer für die Planungsbehörden fassten sich kürzer, sie bekräftigen die Rechtskonformität des Planverfahrens. Ausführliche Schlussplädoyers hatte das Gericht zum Beginn der Anhörung eigentlich vermeiden wollen, der Vorsitzende Richter ließ sich aber auf Schlussworte ein.
Aus Sicht der Planungsbehörden und der Stadt weist die Anhörung wesentliche Unterschiede zum Fall der Weservertiefung auf, der ebenfalls vor dem 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts verhandelt wird, der zur Zeit aber ausgesetzt ist. Das Planungsverfahren zur Außenweser hatten die Richter im vergangenen Jahr schon nach kurzer Anhörung für mangelhaft erklärt und entschieden, offene Fragen zum europäischen Wasserrecht vom Europäischen Gerichtshof in Luxemburg klären zu lassen. Das geschieht voraussichtlich bis zum kommenden Frühjahr. Offen bleibt zunächst, ob auch das Verfahren zur Elbvertiefung dieser ausstehenden Interpretationen bedarf, oder ob in der Anhörung alle rechtlich nötigen Fragen geklärt werden konnten. Die Planer der Elbvertiefung hatten im Vorfeld mehrfach versucht, einen Umweg nach Europa unbedingt zu vermeiden, in einem frühen Stadium des Planverfahrens unter anderem durch eine positive Stellungnahme der EU-Kommission, die in die Planungen eingeflossen war.
Das letzte Wort hat nun das Gericht. Am 2. Oktober will der 7. Senat mit seinen fünf Richterinnen und Richtern bekannt geben, wie es weitergeht, sagte der Vorsitzende Richter Nolte. Dann könnte das Urteil verkündet werden oder aber eine weitere Wartezeit, wenn das Gericht den Spruch des EuGH abwarten will. „Wir hatten eigentlich einen früheren Termin ins Auge gefasst. Aber unter anderem durch die Änderung des Planverfahrens heute Morgen werden wir nun keinen ganz zeitnahen Termin haben.“