Das Verfahren geht zügig voran, Anhörung könnte vorzeitig enden. Fachlich intensiv diskutiert wurde unter anderem das Thema Schierlingswasserfenchel. Urteil schon in den kommenden Wochen?
Leipzig. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig treibt die Anhörung zur Elbvertiefung auch in der zweiten Woche zügig und konzentriert voran. Womöglich endet die öffentliche Erörterung mit den Schlussworten der Streitparteien schon am Mittwoch nach der Präzisierung von Fragen zum europäischen Wasserrecht. Die Stadt Hamburg und der Bund als Beklagte in dem Verfahren sehen für einen Abschluss der Anhörung ebenso klare Indizien wie die klagenden Umweltverbände BUND und Nabu. Der 7. Senat des Gerichts hält sich den Fahrplan, wie in solchen Verfahren üblich, allerdings weiterhin offen. Der morgige Donnerstag als sechster Tag der Anhörung ist bislang als Reservetag vorgesehen.
Entscheidend wird am Mittwoch sein, ob das höchste deutsche Verwaltungsgericht Präzisierungen des europäischen Wasserrechts benötigt oder nicht. Falls ja, würden die Richter entsprechende Ausführungen des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) in Luxemburg abwarten, die im parallel laufenden Verfahren zur Weservertiefung nötig sind. Diese Präzisierungen sind aber nicht vor dem Frühjahr 2015 zu erwarten. Vor allem die beklagten Planungsbehörden sowie die Hamburger Hafenwirtschaft und der Senat hoffen deshalb, dass das Gericht in der öffentlichen Anhörung ausreichend Informationen und Erläuterungen erhalten hat, um schon in den kommenden Wochen ein Urteil sprechen zu können.
Am Dienstag ging es in detailreichen Erörterungen vor allem um die Vorsorgemaßnahmen der Planungsbehörden von Stadt und Bund, der sogenannten Kohärenzsicherung. Im Mittelpunkt stand dabei der Schierlingswasserfenchel, eine bedrohte, streng geschützte Sumpfpflanze und sogenannte endemische Art, die weltweit nur in einer eng umgrenzten Region vorkommt, an der Elbe zwischen Geesthacht und Glückstadt. „Es geht darum, ob die Beeinträchtigung der Pflanze im Rahmen der geplanten Fahrrinnenanpassung überhaupt richtig eingeschätzt wird, woraus abgeleitet sich auch die Gestalt von Kohärenzmaßnahmen ergibt“, sagte der Vorsitzende Richter Rüdiger Nolte eingangs.
Der fünfköpfige Senat zeigte sich erneut exzellent vorbereitet. Der Vorsitzende selbst stellte den Schierlingswasserfenchel in einer kurzen Zusammenfassung vor, was ihm anerkennende Kommentare der Fachgutachter eintrug. „Die Pflanze ist ständig auf der Suche nach neuen Besiedlungsräumen, die durch das Tidengeschehen geschaffen werden“, sagte Nolte. Wo schon anderer Bewuchs sei, setze sich der Schierlingswasserfenchel als „Pionierpflanze“ nicht fest. Dafür bilde die Pflanze, die nur alle zwei Jahre blühe, mit der Einlagerung von Samen im Flusswasser „gewissermaßen Samenbanken, bis sich günstige Gelegenheiten zur Ansiedlung ergeben“, führte der Richter weiter aus.
Fachlich intensiv diskutiert wurde, ob die Planungsbehörden angemessene Ausgleichsflächen für den Schierlingswasserfenchel angesichts der möglichen Folgen der Elbvertiefung vorgesehen haben, ob der Bestand plausibel erfasst und prognostiziert sei, ob letztlich also die Existenz der Pflanze durch eine Vertiefung und Verbreiterung der Fahrrinne gefährdet werde. Die klagenden Umweltverbände fürchten ein Aus für den Schierlingswasserfenchel, die Vertreter der Planungsbehörden führten an, die Situation der Pflanze werde sich durch neue Flächen etwa an der Süderelbe sogar verbessern. Das Gericht wiederum sezierte akribisch Widersprüche in den Aussagen der Gutachter. Das reichte bis hin zur Aufdeckung eines Berechnungsfehlers zur ökologischen Beeinträchtigung aktueller und potenzieller Standorte für den Schierlingswasserfenchel, den ein Gutachter der städtischen Planungsbehörde dann auch einräumen musste.
Die Anwälte der Planungsbehörden hatten am Dienstag zu Beginn der Anhörung angekündigt, dass bestimmte Planungsmaßnahmen nach den ersten Verhandlungstagen noch verändert worden seien, um Bedenken der Kläger und des Gerichts auszuräumen. Dazu zähle unter anderem die Einschränkung von Baggerarbeiten auf der Elbe, um die Belastungen des Flussfisches Finte während dessen Laichzeiten zu verringern. Die klagenden Umweltverbände stellten indes infrage, ob diese Maßnahmen zielführend seien.
Aus Sicht der beklagten Planungsbehörden geht es in der Gesamtschau der Anhörung vor allem darum, ob kritische Punkte des Planverfahrens kurzfristig nachgebessert werden können. Eine Ablehnung des gesamten Planverfahrens durch das Gericht gilt als höchst unwahrscheinlich – wohl aber könnte es dazu kommen, dass einzelne Aspekte inhaltlich oder rechtlich umfassend neu aufgearbeitet werden müssen. Das würde die von der Hafenwirtschaft und der Schifffahrt lange erhoffte Umsetzung der Bauarbeiten weiter deutlich verzögern.
Der Blick auf das europäische Wasserrecht am heutigen fünften Tag ist deshalb eine entscheidende Wegmarke. Die Planungsbehörden haben bereits eingeräumt, dass durch die Fahrrinnenanpassung eine Verschlechterung der Wasserqualität an der Unterelbe eintreten könne, etwa durch verstärkte Bildung von Schwebstoffen oder höhere Salzgehalte im Wasser. Eine schlechtere Wasserqualität durch ein solches Bauprojekt steht aber im Widerspruch zur Europäischen Wasserrahmenrichtlinie. Das Bundesverwaltungsgericht muss deshalb entscheiden, ob das öffentliche Interesse an der Elbvertiefung in Deutschland in diesem Punkt eine Abweichung von den europäischen Vorgaben rechtfertigt. Dafür allerdings benötigen die Leipziger Richter ausreichend Klarheit zur Interpretation aus der europäischen Richtlinie. Finden sie die nicht, wird die Elbvertiefung auf der Zielgeraden doch noch zum Fall für den EuGH in Luxemburg.