Hamburgs Wirtschaftssenator und Ex-Bürgermeister fahren in die Türkei mit einer großen Delegation. Sie hoffen auf eine engere wirtschaftliche Zusammenarbeit – trotz der angespannten politischen Lage.

Hamburg. Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) und sein Pendant aus Schleswig-Holstein, Minister Reinhard Meyer (SPD), werden am Montag zur ersten gemeinsamen Wirtschaftsdelegationsreise der beiden Länder in die Türkei aufbrechen. Unterstützt werden beide von Hamburgs früherem Bürgermeister Ole von Beust.

Der ehemalige CDU-Politiker, der sich früher vehement für einen raschen EU-Beitritt der Türkei ausgesprochen hat, arbeitet heute als Rechtsanwalt und als Berater der türkischen Wirtschaftsförderungsgesellschaft ISPAT. Deren Aufgabe ist es, Investoren bei ihrem Eintritt in den türkischen Markt zu unterstützen. Zusammen mit den ehemaligen Grünen-Staatssekretär Rezzo Schlauch berät Beust die ISPAT bei der Suche nach Investoren aus Deutschland. Von Beust sieht derzeit kaum Auswirkungen der politischen Spannungen auf die wirtschaftliche Entwicklung: „Für Unternehmen ist wichtig, dass sie Rechtssicherheit haben.“ Deshalb sei es ein wichtiges Signal gewesen, dass das Verfassungsgericht die vom türkischen Parlament verhängten Verbote gegen soziale Netzwerke wie Twitter und YouTube wieder aufgehoben hat. „Das zeigt, dass die rechtliche Lage in der Türkei stabil ist“, so von Beust. Er wird Horch auf der Reise begleiten und hat ein Treffen mit dem Präsidenten von ISPAT, Ilker Ayci, organisiert.

Mehr als 60 Vertreter aus der norddeutschen Wirtschaft sowie aus Politik und Forschung gehören zu der norddeutschen Delegation. Ihre Mission ist schwierig, denn angesichts der politisch angespannten Lage in der Türkei, fragen sich viele Unternehmer, wie zuverlässig das Land als wirtschaftlicher Partner noch ist.

Neben Gesprächen mit Vertretern der maritimen Industrie und der erneuerbaren Energien in Ankara und Istanbul steht für Horch auch ein Treffen mit politischen Gruppen sowie dem Herausgeber der „Istanbul Post“ auf der Agenda. Gleichwohl setzt der Senator angesichts der hohen Wirtschaftsdynamik der Türkei auf einen Ausbau der Beziehungen. Das Bruttoinlandsprodukt des Staates nimmt derzeit jährlich um fünf Prozent zu. „Rund 650 Hamburger Firmen haben wirtschaftliche Beziehungen in die Türkei, 130 von ihnen haben dort auch eine Niederlassung. Das ist ausbaufähig“, sagte Horch. „Mit unserer Delegationsreise wollen wir für den Norden bestehende Strukturen festigen und neue Kontakte knüpfen. Im Bereich Schifffahrt, Häfen und maritimer Industrie ist die Türkei klar auf Wachstumskurs. Seeverkehre und Häfen profitieren von der exportorientierten türkischen Wirtschaft sowie der Drehscheibenfunktion des Landes“, fügte er hinzu.

Die jüngsten politischen Differenzen zwischen Deutschland und der Türkei, angefacht durch die Kritik von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan an der Bundesregierung, haben die wirtschaftliche Zusammenarbeit zumindest bisher nicht beeinträchtigt. Im August des vergangenen Jahres vereinbarten die Wirtschaftsministerien der beiden Länder die Gründung einer Wirtschafts- und Handelskommission, der sogenannten JETCO (Joint Economic and Trade Commission). Dazu sind jährliche Treffen unter Leitung beider Wirtschaftsminister geplant. Die erste Sitzung soll im Herbst 2014 stattfinden.

Auch Schleswig-Holsteins Wirtschaftsminister Meyer spricht von einem hohen Interesse der norddeutschen Wirtschaft an der Türkei, ungeachtet der politischen Lage: „Allein die Größe der Delegation von 65 Teilnehmern unterstreicht die Bedeutung und das Potenzial, das beide Länder dieser Reise beimessen. Und ich gehe davon aus, dass wir neben dem Feld der maritimen Wirtschaft vor allem auch im Bereich der Windenergie Kooperationen ausloten und manche Türen öffnen können“, sagte Meyer. „Angesichts der Tatsache, dass die Windenergie in der Türkei rein staatlich organisiert ist, kann gerade eine politisch geleitete Delegation aus meiner Sicht einiges bewegen.“ Als einen Höhepunkt der Reise aus schleswig-holsteinischer Sicht bezeichnete Meyer den gemeinsam mit Kiels Oberbürgermeister Ulf Kämpfer geplanten Besuch in Kiels Partnerstadt Samsun am Schwarzen Meer.