Münchner Finanzinvestor Afinum übernimmt 40 Prozent der Hamburger Schuhkette. Filialnetz soll wieder wachsen
Hamburg. Nach Jahren der Restrukturierung und der Ungewissheit über die unternehmerische Zukunft haben die rund 3200 Mitarbeiter der Schuhhandelskette Görtz wieder eine klare Perspektive: Mit dem Einstieg des Münchner Finanzinvestors Afinum Management verfügt das Hamburger Traditionsunternehmen über neues Kapital, um das Unternehmen für den Wettbewerb fitzumachen. Zugleich bedeutet der Schritt eine Zäsur in der 140-jährigen Unternehmensgeschichte: Die Eigentümerfamilie um die Brüder Ludwig, Friedrich und Thomas Görtz gibt einen Teil ihres Unternehmens in fremde Hand. 40 Prozent werden künftig von München aus gesteuert, und auch der Verwaltungsrat des Schuhhauses wird sich künftig neu zusammensetzen.
Im Stammhaus in der Spitalerstraße wird dieser Teilverkauf mit Erleichterung aufgenommen. „Wir begrüßen diese Lösung sehr und freuen uns auf eine konstruktive Zusammenarbeit mit dem Investor“, sagt der Konzernbetriebsratsvorsitzende Joachim Martens. „Vor allem freuen wir uns, dass wieder Ruhe in das Unternehmen einkehrt und wir uns auf unser eigentliches Geschäft konzentrieren können, nämlich Schuhe zu verkaufen“, so Martens. Mit dem Einstieg von Afinum sei ein weiterer Arbeitsplatzabbau in der Zentrale und dem Hauptlager in Norderstedt vom Tisch. Immerhin gehe es um 300 bis 400 Arbeitsplätze, sagt der Betriebsratschef.
Martens spielte damit auf den zweiten Interessenten an, der in den vergangenen Wochen mit Görtz über einen Einstieg verhandelt hat, die HR Group mit der bekannten Marke Reno. Diese Gruppe war aber an keiner Minderheitsbeteiligung interessiert gewesen, sondern wollte den Hamburger Konkurrenten mehrheitlich übernehmen. Aufgrund der großen Überlappung der Geschäftsfelder, hatten die Arbeitnehmervertreter einen massiven weiteren Stellenabbau befürchtet.
100 Stellen wurden in der Hamburger Görtz-Zentrale bereits gestrichen
Dabei hat Görtz bereits einen Sparkurs hinter sich: 2011 hat das Unternehmen Verluste gemacht. Die allgemeine Krise, der wachsende Konkurrenzdruck im Internethandel, unrentable Engagements sowie ein zu großer Verwaltungsapparat waren die Gründe. In der Folge beschlossen die Geschäftsführer Thorsten Hermelink, Christian Moritz und Jörn Peters ein Restrukturierungsprogramm: 100 Stellen wurden in der Hamburger Zentrale gestrichen, die Schweizer Tochtergesellschaft Pasito-Fricker wurde verkauft, zusätzlich wurden 25 Filialen geschlossen. Von den einst 240 Filialen sind heute noch 170 übrig. Die Schuhkette Görtz konzentriert sich künftig auf ihr Geschäft in Deutschland und Österreich und hat im vergangenen Jahr operativ wieder schwarze Zahlen geschrieben – nicht zuletzt, weil viele Mitarbeiter auf Erfolgsprovisionen verzichtet haben.
Doch allein durch Sparen kann die Hamburger Marke im Wettbewerb nicht bestehen. Vor allem Online-Anbieter wie Zalando haben dem stationären Einzelhandel viel Geschäft abgenommen. Um das abzubremsen und erfolgreich am Markt zu wachsen, braucht Görtz Kapital. Das kommt jetzt aus München. Wie viel Afinum für die 40 Prozent Anteile gezahlt hat, darüber schweigen beide Partner. „Wir sehen mit unserer Beteiligung aber klare Wachstumschancen und eine Unterstützung der strategischen Neuausrichtung bei Görtz“, sagt Jochen Martin, Partner bei Afinum.
Das Beteiligungsunternehmen sammelt seit Jahren Kapital sowohl von privaten wie auch von institutionellen Anlegern wie Versicherungen und Banken ein, um bei Erfolg versprechenden mittelständischen Unternehmen einzusteigen. Im Portfolio der Afinum finden sich Unternehmen aus verschiedensten Branchen von der Industrie bis zu Dienstleistungen. Zuletzt hat sich der Finanzinvestor bei dem Möbelhersteller Thonet eingekauft. An einigen Unternehmen hält Afinum die Mehrheit, an anderen dagegen eine Minderheitsbeteiligung.
Der Finanzinvestor will nicht ins operative Geschäft eingreifen
Nach den Worten von Jochen Martin werde Afinum bei Görtz nicht operativ in die Geschäfte eingreifen. Die derzeitige Führung des Schuhhauses bleibe im Amt. Und der Chef des Verwaltungsrats heißt auch weiterhin Ludwig Görtz. Allerdings wird erwartet, dass Afinum bei der Nachfolgeregelung mitsprechen will. Für den Investor ist das ein „typischer“ Beteiligungsanlass.
Bis dahin will Görtz mit drei Maßnahmen zurück in die Erfolgsspur. Erstens: Das bestehende Netz soll modernisiert werden. Die Filialen erhalten eine höherwertige Ausstattung. Zweitens: In Großstädten will Görtz ausschließlich in Toplagen neue Geschäfte eröffnen. In der vergangenen Woche ist das Unternehmen in Würzburg direkt am Markt mit einer großen Filiale (1500 Quadratmeter) an den Start gegangen. In dieser Woche folgt eine ebenso große Filiale im Ikea-Einkaufcenter in Lübeck. Schließlich will Görtz drittens das Problem mit der Internetkonkurrenz besser in den Griff bekommen und das eigene Onlineangebot stärker mit dem stationären Handel vernetzen. „Wir wollen, dass unsere Kunden sowohl online wie auch in den Filialen einen exzellenten Service bekommen“, sagt ein Unternehmenssprecher. So sollen beispielsweise künftig Schuhe, die online bestellt wurden, aber dann doch nicht gefallen oder passen, in einer Filiale zurückgegeben werden können.
Ludwig Görtz selbst ist wieder optimistisch: „Die Geschäftsführung hat im vergangenen Jahr die richtigen Weichen gestellt, sodass Görtz mit der Unterstützung aller Mitarbeiter erfolgreich den Turnaround geschafft hat. Auch 2014 ist sehr gut angelaufen. Auf dieser starken Grundlage wollen wir aufbauen“, sagte der Patriarch.