Das warme Wetter sorgt für Kauflaune. Frühblüher sind schon im Februar sehr gefragt. Bei der Gärtnerei Martens in Reitbrook werden schon jetzt jeden Tag mehrere Tausend Pflanzen verkauft.
Hamburg Inmitten des Blumenmeeres in den Gewächshäusern von Wolfgang Martens drängeln sich Rollwagen mit Paletten voller Stiefmütterchen und Hornveilchen. Sie stehen für den Abtransport zu den Wochenmärkten bereit, wo derzeit eine Art Ausnahmezustand herrscht: Mitten im Wintermonat Februar überschlägt sich die Nachfrage nach den Frühjahrsblühern geradezu. Martens kommt mit Nachschub kaum hinterher. „Normalerweise verkaufen wir im gesamten Februar nicht mehr als 2000 bis 3000 Pflanzen“, sagt der Gärtnermeister, „aber jetzt sind es jeden Tag mehrere Tausend“. Die Kunden ließen sich von dem warmen Wetter in Frühlingsstimmung bringen und spürten außerdem einigen Nachholbedarf: Im vergangenen Jahr war die Saison der ersten Blühpflanzen wegen der Kälte bis in den Mai hinein komplett ausgefallen.
Durch den ungewöhnlich milden Winter können die Gärtnereien schon jetzt mit einem überdurchschnittlich guten Jahr rechnen. „Wir sehen ein Plus von rund 15 Prozent für dieses Jahr allein durch den hervorragenden Saisonstart“, freut sich Martens, und zwar im Vergleich zum langjährigen Mittel und nicht zum vergangenen Jahr. Damals musste die Gärtnerei, für die Martens gemeinsam mit seiner Schwester Tanja Witzke in der Geschäftsführung verantwortlich ist, drei Viertel der Lagerbestände vernichten.
Bundesweit hatten die Unternehmen 2013 bei „lebendem Grün“, wie es die Statistiker formulieren, ein Umsatzminus von gut zehn Prozent zu verkraften. Im Schnitt gaben die Deutschen 101 Euro pro Kopf für Blumen und Pflanzen aus – das waren fünf Euro weniger als im Vorjahr.
Für das Gartenjahr 2014 prognostiziert die Branche einen Zuwachs bei den Erlösen von 3,5 Prozent im Gesamtmarkt, das heißt inklusive Outdoormöbeln. Diese Prognose geht damit von einem stärkeren Plus als jeweils in den drei Vorjahren aus. Die Verbände erwarten, dass es in den Gärten verstärkt zu Ersatz- und Neubepflanzungen kommt, die von der aktuell milden Witterung nochmals begünstigt werden.
Martens kann diesen Trend für die Hamburger nur bestätigen: „Die Leute investieren wieder mehr in den eigenen Garten“, sagt der 48-Jährige, der selber mit der ganzen Familie auf dem Gärtnereihof wohnt. Dafür gingen Ausgaben in Zimmerpflanzen zurück. „Es stellt sich kaum jemand mehr die Fensterbänke voll“.
Insgesamt 250 Zierpflanzenbetriebe arbeiten in der Hansestadt. Viele in der Nachbarschaft von Martens, in den Vier- und Marschlanden, wo die Böden dafür sorgen, dass die Pflanzen durch ein langsames Wachstum eine gute Qualität erreichen. Die Hälfte der Unternehmen verkauft ihre Produkte über den Großmarkt. Dieses Handelszentrum ist bundesweit führend im Handel mit Blumen, setzt mehr als 80 Millionen Euro im Jahr um, wobei die Hälfte aus der Region stammt.
Martens geht einen anderen Weg. Er verkauft auf Wochenmärkten in Lohbrügge und Bergedorf und direkt in seinem Gartenbaubetrieb. „Viele Kunden wollen auch sehen, wo die Pflanzen herkommen“, sagt Martens und öffnet die Tür zu den Gewächshäusern, die sich auf 3000 Quadratmetern zwischen Deichen und Pferdewiesen bis zum Horizont erstrecken. Die Luft duftet nach Erde, ein paar Grad wärmere Temperaturen sorgen für gesunde Pflanzen. Lange Reihen von Bellis, Primeln und Duftgeranien bilden hier einen grünen Teppich mit bunten Sprengseln, je nach Entwicklungsstand der Blüten. Daneben bringen Orchideen einen Hauch Exotik in den Betrieb in Reitbrook. Tropenpflanzen in den Vier- und Marschlanden? Martens sieht das ganz pragmatisch: „Die Welt verändert sich, und wir verändern uns mit“.
Die Idee, Orchideen als wohl einziger Züchter in der Region anzubieten, kam von seinem Schwager. „Zuerst war ich skeptisch, aber dann funktionierte das Experiment“, sagt Martens. Die Nachfrage sei sehr gut und mit den Pflanzen für acht bis 30 Euro kann Martens auch höhere Erträge erwirtschaften als mit den kleinen Töpfen Stiefmütterchen, die er für 40 Cent verkauft.
Dass die kleinen Blumen, die Martens alle aus eigener Anzucht verkauft, derzeit so gefragt sind, überrascht den Familienvater gerade jeden Tag aufs Neue. Aber er macht den Käufern auch gerne Mut, dass ihre ersten bunten Balkonblüher die nächste Zeit unbeschadet überstehen: „Das Wetter soll so bleiben, und selbst ein paar Grad Minus können den Pflanzen eigentlich nichts anhaben“.