Die Kritiker der Hamburger Handelskammer erzielen bei den Wahlen zum Plenum einen großen Sieg. Etablierte Unternehmer müssen ihren Sitz räumen. Die Suche nach einem neuem Präses wird immer komplizierter.
Hamburg. Einige Unternehmer konnten jubeln, andere waren tief enttäuscht. Am Freitag wurden die Ergebnisse der diesjährigen Wahlen zur Handelskammer bekannt gegeben – und sie haben Folgen: Das Plenum der wichtigsten Hamburger Wirtschaftsvertretung wird sich personell massiv ändern. Denn vor allem Kammer-kritische Unternehmer konnten sich durchsetzen. Andere Persönlichkeiten, die sich schon seit geraumer Zeit im Kammer-Parlament engagieren, wurden nicht wiedergewählt. Und auch die Nachfolgesuche für den scheidenden Präses Fritz Horst Melsheimer wird nicht einfacher.
Insgesamt konnte die Kampagne „Die Kammer sind Wir!“ zwölf der 56 Plätze für ihre Kandidaten besetzen. Davon sind elf das erste Mal dabei. Der Initiator und Sprecher der Kammer-Rebellen, der Unternehmensberater Tobias Bergmann, hat sogar das drittbeste Einzelergebnis aller 97 Manager erzielt, die sich zur Wahl gestellt haben. In einem ersten Kommentar machte Bergmann aus seinem großen Selbstbewusstsein keinen Hehl: „Wir haben jetzt ein starkes Mandat, um die Kammer grundlegend zu reformieren. Wir erwarten, dass das Hauptamt eng kooperiert und zu einer konstruktiven Zusammenarbeit in den nächsten drei Jahren bereit ist.“
Der Hauptgeschäftsführer der Kammer, Hans-Jörg Schmidt-Trenz, muss nun mit Gegenwind rechnen: Bergmann und seine Gruppe plädieren dafür, die hohen Rücklagen der Handelskammer zum Teil aufzulösen und den Mitgliedern Beiträge zurückzuerstatten. Zudem fordern sie deutlich mehr Transparenz. Unter anderem soll das Gehalt des Hauptgeschäftsführers offengelegt werden. Bei den wahlberechtigten 166.000 Kammer-Mitgliedern kam das offenbar gut an.
Eine andere Gruppe von etablierten Handelskammer-Mitgliedern, die eine Gegenbewegung zu den Kritikern gestartet hatten, wurde dagegen bei den Wahlen abgestraft. Dazu gehören der Chef eines Luftfahrtzulieferungsbetriebs, Tom Heinkel, sowie die Medienunternehmerin Martina Julius-Warning. Er war bisher Vorsitzender des Sportausschusses in der Handelskammer, sie gehört zum Vorstand der Versammlung Eines Ehrbahren Kaufmanns. Auch der langjährige Vizepräses Thomas Schünemann, der die Kammer in den vergangenen Wochen öffentlich gegen die Kammer-Rebellen verteidigt hat, fiel bei der Abstimmung durch. Alle drei werden dem Plenum in Zukunft nicht angehören – es sei denn, sie werden nachträglich kooptiert. Das Plenum hat nämlich die Möglichkeit, bis zu zehn Vertreter der Wirtschaft für das Kammerparlament hinzuzuwählen.
Auch andere Unternehmenspersönlichkeiten wie der Chef der Creditreform in Hamburg, Nikolaus von der Decken, der zugleich Vorsitzender des Rechtsausschusses der Kammer ist, und der Filialgeschäftsführer der Karstadt Warenhäuser, Hans-Werner von Appen, scheiterten mit ihrer Wiederwahl. Hingegen hatte die Bewerbung des Geschäftsführers von Parlamentwatch, Gregor Hackmack, gleich beim ersten Mal Erfolg.
Offiziell hielt sich die Führung der Handelskammer am Freitag mit Stellungnahmen zurück, dennoch dürfte das starke Abschneiden der Kammer-Kritiker für den Präses Fritz Horst Melsheimer sowie den Hauptgeschäftsführer Hans-Jörg Schmidt-Trenz ein schwerer Schlag sein. Beide hatten versucht, die Kammer von den neuen Einflüssen fernzuhalten. Mehrfach wurde aus dem Haus am Adolphsplatz der Vorwurf laut, den Kammer-Rebellen gehe es gar nicht um das Wohl der Wirtschaft, sondern um die Durchsetzung politischer Ziele. So mahnte Melsheimer in einem ersten Kommentar zur Einigkeit. „Ich baue auf eine konstruktive Zusammenarbeit im neuen Plenum, damit die Hamburger Wirtschaft auch weiterhin mit einer kraftvollen Stimme sprechen kann“, sagte der Präses.
Ihm fällt in den kommenden Tagen die schwere Aufgabe zu, einen Nachfolger für sich zu finden. Denn Melsheimer gibt im Mai sein Amt ab. Mit dem Globetrotter-Geschäftsführer Andreas Bartmann hat ein Favorit auf den Chefposten bereits abgesagt. Auch Haspa-Vorstand Harald Vogelsang will offenbar nicht ans Ruder. Mit Schünemann ist ein weiterer Kandidat nicht gewählt worden. Aus der Reihe der Vizepräsides bleiben damit nur der Chef des Industrieverbands, Michael Westhagemann, und der Vorstandschef von Hapag-Lloyd, Michael Behrendt, übrig. Letzterer hat sich nicht zur Wahl gestellt, könnte aber ins Plenum kooptiert werden. Eine Krisensitzung der Kammerführung in der kommenden Woche soll Klarheit bringen. Möglicherweise muss aber auch ein anderer Kandidat ran.
Obgleich den diesjährigen Kammerwahlen zum ersten Mal ein richtiger Wahlkampf vorausgegangen war,fiel die Wahlbeteiligung niedrig aus. Nur zehn Prozent der Mitgliedsunternehmen beteiligten sich. Melsheimer bedauerte das: „Auch wenn dies einem gesellschaftlichen Trend entspricht, werden wir alles tun, um künftig mehr Wähler zu mobilisieren.