Buss-Gruppe soll viel Geld für Räumung von Flächen für neues Containerterminal bekommen haben. Die Linke will Rechnungshof einschalten
Hamburg. Ein vor mehr als vier Jahren abgeschlossenes Millionengeschäft im Hamburger Hafen wird wieder aufgerollt. Die Hamburgische Bürgerschaft muss sich mit Entschädigungszahlungen befassen, welche die Hamburg Port Authority (HPA) an Unternehmen im mittleren Freihafen geleistet hat.
Diese Unternehmen sollten, obgleich sie langfristige Pachtverträge haben, ihre Flächen vorzeitig räumen, um Platz für den Central Terminal Steinwerder zu machen, den die Stadt im mittleren Freihafen bauen will. Stein des Anstoßes ist dabei eine Summe von offenbar mehr als 100 Millionen Euro, welche die HPA an den Hafendienstleister Buss-Gruppe gezahlt hat. Die Fraktion der Linken hat im Parlament beantragt, den Rechnungshof den Deal prüfen zu lassen.
Die Buss-Gruppe ist ein traditionsreicher Betrieb im Hamburger Hafen mit einem Jahresumsatz von mehr als 100 Millionen Euro. Nach der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) und Eurogate ist Buss drittgrößter Umschlagbetrieb des Hafens, hat aber auch an anderen Standorten Umschlaganlagen. Zudem betreibt die Gruppe ein Investmenthaus und entwickelt Logistikimmobilien.
In Hamburg hat Buss seine Hafengeschäfte im mittleren Freihafen auf Flächen konzentriert, die der Stadt gehören, aber langfristig an das Unternehmen vermietet sind und zwar bis 2028. Doch Wirtschaftsbehörde und HPA wollen die Flächen vorzeitig zurückhaben, um hier ein neues Central Terminal Steinwerder (CTS) zu errichten. Den nördlichen Teil hat Buss bereits zum Ende des Jahres 2012 räumen müssen. Die Kündigung der verbliebenen Buss-Terminals am Hansa- und am Rosshafen kann kurzfristig erfolgen.
Das alles auf Grundlage eines Vertrags, den Buss 2009 mit der HPA geschlossen hat. Und weil Buss vorzeitig räumen muss, bekommt die Gruppe Geld. Wie viel, darüber schweigen sich die Parteien aus. Doch im Geschäftsbericht 2009 erklärt die HPA, dass sie 128,1 Millionen Euro für Entschädigungsleistungen zur Verlagerung von Unternehmen im Bereich des geplanten Central Terminals Steinwerder ausgewiesen hat. „Wir vermuten, dass über 100 Millionen Euro an Buss gegangen sind. Uns ist völlig unklar, warum das Unternehmen so viel Geld bekommt und vor allem auf welcher Grundlage das geschieht“, sagt Norbert Hackbusch von der Linksfraktion.
Zusammen mit FDP und Grünen hat die Linke deshalb vor über einem Jahr Akteneinsicht beantragt. Doch das Studium der Unterlagen ist für die Oppositionsparteien offenbar nicht besonders erhellend gewesen: „Aus den Akten geht nicht hervor, warum diese Entscheidung gefällt wurde, und unter welchen vertraglichen Bedingungen.“ Aus der Wirtschaftsbehörde seien gar keine Papiere gekommen, und bei den offiziellen Schriftstücken aus der HPA soll es sich mehr um eine lückenhafte Loseblattsammlung gehandelt haben, kritisiert Hackbusch.
Offenbar stießen die parlamentarischen Ermittler aber auf weitere Ungereimtheiten im Zusammenhang mit der entscheidenden Aufsichtsratssitzung der HPA, bei der der umstrittene Deal perfekt gemacht wurde. Diese fand am 9. Juli 2009 statt. Hackbusch rekapituliert aus den Akten, dass das Millionengeschäft mit Buss in einem Hauruckverfahren abgehandelt worden sei. Umfassende Papiere gab es für die Aufsichtsratsmitglieder nicht, lediglich Tischvorlagen.
Im Kreis der Hafenunternehmer wird der Deal seitdem nur noch als „KG-Modell“ bezeichnet, in Anlehnung an die Abkürzung für „Kommanditgesellschaft“. In diesem Fall steht die Abkürzung aber für die Namen der beiden Hauptakteure: Buss-Chef Johann Killinger und Ex-Wirtschaftssenator Axel Gedaschko (CDU), damals Aufsichtsratsvorsitzender der HPA. Dieser sagt heute, er habe mit den Vertragsgestaltung nichts zu tun gehabt: „Das war Sache der HPA. Ich war in die konkreten Einzelheiten nicht eingeweiht“, sagt Gedaschko dem Abendblatt. Und an die betreffende Aufsichtsratssitzung könne er sich gar nicht mehr erinnern.
Völlig ahnungslos dürfte Gedaschko aber nicht gewesen sein: Er hatte die Hoffnung, asiatische Reeder mit eigenen Terminals an Hamburg binden zu können, um das Geschäft so zu beleben. Dazu brauchte er die Flächen von Buss. Der Chef der HPA, Jens Meier, will sich zu den Vorgängen nicht äußern. „Da gibt es jetzt einen parlamentarischen Vorgang. Zudem habe ich die Hintergründe des Vertrags bereits in einem nicht öffentlichen Ausschuss erläutert.“
Entscheidung für Zahlungen fiel, als Schifffahrtskrise schon entbrannt war
Hackbusch reicht das aber nicht: „Das Geschäft wurde in größter Eile genehmigt, und zwar zu einem Zeitpunkt, als die Schifffahrtskrise bereits voll entbrannt und damit klar war, dass auf absehbare Zeit weitere Hafenflächen nicht benötigt würden.“ Die HPA habe selbst in ihrem Jahresbericht 2009 auf den Einbruch der Weltwirtschaft und rückläufige Umschlagzahlen im Hafen verwiesen. „Vor diesem Grund sind die Entschädigungszahlungen, die zum Großteil der Buss-Gruppe zuflossen, nicht plausibel“, sagt Hackbusch. Vom Rechnungshof will die Linke jetzt wissen, ob die Entschädigungszahlungen der HPA an die Buss-Gruppe marktkonform und ordnungsgemäß sind. Zudem soll der Rechnungshof prüfen, ob der Aufsichtsrat und insbesondere Gedaschko seiner Kontrollpflicht gerecht geworden ist.
Die FDP überlegt derzeit, ob sie dem Antrag beitritt. Ja selbst in der Regierungsfraktion der SPD halten immer mehr Abgeordnete eine neue Überprüfung des Deals für notwendig: So der Kreisvorsitzende der SPD in Altona, Mathias Petersen: „Ich finde den Antrag auf jeden Fall unterstützenswert. Bei diesem Geschäft sind noch viele Fragen offen, und ich will die geklärt wissen.“ Er werbe in seiner Fraktion dafür, den Antrag der Linken zu unterstützen. Noch habe sich die Fraktion nicht endgültig entschieden. Ähnlich sehen es die Grünen.
Das Unternehmen versteht hingegen die Aufregung nicht: „Wir haben 2002 aus der Zeitung erfahren, dass wir unsere Flächen räumen sollen. Seitdem war für uns in einem boomenden Hafen Stillstand. Wir verloren massiv Kunden und Geld, sagt Buss-Chef Killinger. Er betont: „2009 wurden dann auf Betreiben der Stadt, nachdem man uns immer wieder hingehalten hat, das vorzeitige Kündigungsrecht und Entschädigungen vereinbart. Deshalb haben wir uns außerhalb der Stadt entwickelt, würden aber auch in Hamburg gerne wieder investieren. Nicht zuletzt, um unseren Terminalmitarbeitern eine sichere Zukunftsperspektive zu geben.“