Der Schreibwarenhändler Schacht & Westerich stemmt sich gegen die Krise. Vor zehn Jahren hat Inhaber Thomas Rasehorn die Kette übernommen. Mittlerweile bedrängt immer mehr Konkurrenz das Geschäft.
Hamburg. Es ist durchaus fraglich, ob Thomas Rasehorn bei seiner Übernahme von Schacht & Westerich 2003 ahnte, wie schwer die kommenden Jahre an der Spitze der Schreibwarenkette werden würden: Rund um den Laden im Hanse Viertel sterben die Fachgeschäfte aus, weil immer mehr Leute im Internet kaufen. Wer schreibt noch Briefe? Wer braucht Kalender auf Papier? Sind Postkarten angesichts von Facebook nicht ein Auslaufmodell, weil im Netz ohnehin jeder sieht, wo man gerade seinen Urlaub verbringt?
Als wenn diese Umwälzungen noch nicht genug Herausforderungen für die Sortimente rund um Schreiben und Papier mit sich brächten, nervten im Hanse Viertel jahrelang Querelen um die Gastronomie am zentralen Rondell des Shoppingcenters, mit Umbaumaßnahmen direkt vor dem Eingang von Rasehorns Geschäft.
Dennoch ist der Kaufmann auf Wachstumskurs in Hamburg und eröffnet im November einen neuen Shop im Elbe EKZ. Auf 160 Quadratmetern werden dort sechs Mitarbeiter die Kunden bedienen. „Die Elbvororte passen zu uns“, findet Rasehorn. Zudem will der Marketingfachwirt den im kommenden Jahr auslaufenden Mietvertrag für den Standort im Hanse Viertel bis 2025 verlängern. „Wir stehen zum Hanse Viertel, auch wenn jetzt wahrscheinlich die Mieten steigen“, sagte Rasehorn. Es kämen nach seiner Beobachtung zwar weniger Hamburger in die City zum Einkaufen, dafür aber steige die Zahl der Touristen merklich. „Die Hälfte unserer Kunden hier sind Hamburg-Besucher“, sagt der 45-Jährige.
Insgesamt ist Schacht &Westerich derzeit an fünf Standorten in Hamburg aktiv, dazu kommen zwei Läden in Bremen und Leipzig und ein Onlineshop, über den Rasehorn rund sieben Prozent seines Umsatzes erwirtschaftet. Ein Laden in Hannover hat sich allerdings als nicht wirtschaftlich erwiesen und wieder geschlossen. Die gesamte Gruppe erzielt Erlöse im einstelligen Millionenbereich und beschäftigt 90 Mitarbeiter.
Die Branche steht angesichts der Umwälzungen durch die digitale Gesellschaft mitten in einem Prozess, sich neu zu erfinden. „Glückwunschkarten, Notizbücher und Leder-Accessoires laufen gut und bescheren uns Zuwächse“, sagt Rasehorn, der bei diesen Produkten allerdings auch weltweit nach überraschenden Trends fahndet, um die Kunden zu halten. Beispiel: Ledertaschen aus Japan beeindrucken mit einer besonders feinen Optik, weil dort die Rinder seltener von Mücken gestochen werden und die Lederproduzenten mit einer extrem glatten Haut begeistern.
Dagegen bringen viele ehemalige Selbstläufer heute weniger Freude: Kalender wie etwa der Klassiker Filofax werden von Programmen fürs Handy abgelöst. Briefpapier kommt höchstens noch in der ersten Verliebtheitsphase oder bei Abschiedsbotschaften zum Einsatz. Für Füllfederhalter haben die Deutschen 2008 noch insgesamt 223 Millionen Euro ausgegeben, im vergangenen Jahr sank dieser Wert auf 145 Millionen. Und selbst notwendige Anschaffungen wie Stifte und Schreibhefte für Schüler werden nicht mehr unbedingt bei Fachgeschäften wie Schacht & Westerich erworben. Auch Ikea, Edeka, Discounter oder Baumärkte überschwemmen zum Schulbeginn den Markt, obgleich sie ansonsten ein völlig branchenfremdes Sortiment anbieten. Ein Tuschkasten von Pelikan kostet bei Aldi und Co. dann auch oft nur die Hälfte des Preises, den der Fachhandel verlangen muss, weil er kleinere Mengen einkauft.
Insgesamt stagniert der Umsatz im Markt für Papier, Bürobedarf und Schreibwaren (PBS). Setzte die Branche 2008 gut 14,6 Milliarden Euro um, pendelt sich dieser Wert seit 2011 um die 14,9 Milliarden Euro ein. Zwar ist das ein Plus von zwei Prozent gegenüber 2008, doch für die Branche ist das erhöhte Marktvolumen kein Grund zur wahren Freude. Denn weder die Marktprognosen noch die Expertenmeinungen in der neuen Studie „Markt:Monitor Papier, Bürobedarf und Schreibwaren 2013“ der BBE Handelsberatung geben Anlass zur Euphorie. Konzentration und Verdrängung würden die Entwicklung der Branche weiter verschärfen, schätzen Experten. Zudem werde der Durchschnittsdeutsche 2013 mit 182,42 Euro weniger Geld für PBS-Artikel ausgeben als noch im Vorjahr, als dieser Wert noch bei 183,59 Euro lag.
Die Hamburger Schreibwarenhändler können sich jedoch über eine offenbar höhere Wertschätzung der Hanseaten für ihre Produkte freuen: So gaben die Hamburger 2012 pro Kopf gut 204 Euro für ihre PBS-Ausstattung aus und damit gut 20 Euro mehr als der Bundesdurchschnitt. Vielleicht ist auch diese Ausgabefreudigkeit ein entscheidender Erfolgsfaktor für Rasehorn. Der Familienvater ist jedenfalls zufrieden, sich vor zehn Jahren mit Schacht & Westerich selbstständig gemacht zu haben: „Ich würde mich wieder so entscheiden“.