Die Hamburger Reederei sieht Wachstumschancen in Kanada – dank Klimaerwärmung, Energiewende und Freihandelszone. Im kanadischen Containerverkehr ist Hapag-Lloyd „mit Abstand Marktführer“.
Montreal Vor 13 Jahren kam Holger Oetjen für Hamburgs Reederei Hapag-Lloyd nach Montreal. Dieser Tage verlässt der Schifffahrtskaufmann die kanadische Ostküstenmetropole, um künftig die Geschäfte der Reederei in Paris zu führen. Während seiner Zeit in Kanada hat sich das Bild für die Schifffahrt vor Ort fundamental gewandelt: Ende 2005 übernahm Hapag-Lloyd die kanadische Reederei CP Ships und stieg damit zum führenden Schifffahrtsunternehmen in dem nordamerikanischen Land auf. Ein globaler Trend könnte die Rolle von Hapag-Lloyd in der Region in den kommenden Jahren weiter stärken: „Als ich hierherkam, waren die Winter bitterkalt, teils bis zu 38 Grad minus. Heutzutage ist es im Winter deutlich wärmer als damals“, sagt Oetjen im Büro von Hapag-Lloyd Canada im Zentrum von Montreal.
Der Klimawandel schreitet voran. Neben den negativen und teils verheerenden ökologischen Folgen, die das mit sich bringt, wird die Erderwärmung auch die Routen der internationalen Schifffahrt verändern. In den Nordpolarregionen geht das Eis zurück. Die Nordwestpassage, die Umfahrung des nördlichen Kanadas vom Atlantik in den Pazifik und retour, könnte schon in einigen Jahren ganzjährig eisfrei sein. „Eines Tages wird die Nordwestpassage durchgehend befahrbar sein, es wird neue Servicestützpunkte im Nordpolarmeer geben“, sagt Oetjen. „Dann wird die Seefahrt von Europa nach Asien um Tausende Kilometer kürzer.“
Gut 21.000 Kilometer lang ist die Route von Europa zu den Wirtschaftsmetropolen an der chinesischen Ostküste durch den Suezkanal, etwa 16.000 Kilometer sind es westwärts durch das Nordpolarmeer und den kanadisch-arktischen Archipel. Kanada bereitet sich bereits intensiv darauf vor, seine Interessen für einen möglichen Boom der Frachtschifffahrt und der Kreuzfahrtbranche in der Region wahrzunehmen, unter anderem mit einer Modernisierung seiner Marine. Bislang spielt das nach Fläche zweitgrößte Land der Erde in der globalen Containerschifffahrt nur eine untergeordnete Rolle. In den kanadischen Häfen an der Atlantik- und an der Pazifikküste werden insgesamt im Jahr gerade einmal 3,5 Millionen Containereinheiten (TEU) bewegt, allein im Hamburger Hafen sind es jährlich neun Millionen TEU.
Hapag-Lloyd hält am gesamten kanadischen Containerverkehr nach eigenen Angaben einen Anteil von 17 Prozent und ist damit „mit Abstand Marktführer“, berichtet der neue Landeschef Wolfgang Schoch Hamburgs Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) bei dessen Besuch im Hapag-Lloyd-Büro. Mit fünf Schiffen bedient die Reederei einen wöchentlichen Dienst von Montreal ins Mittelmeer. Obendrein gibt es Verbindungen nach Nordeuropa mit Anläufen auch in Hamburg. Hapag-Lloyd setzt dafür Schiffe mit 2800 und 4400 TEU Kapazität ein, die – für diese Größenordnung sehr ungewöhnlich – eisgängig sind. „Die Schiffe werden in Montreal komplett ent- und wieder beladen, weil die Stadt der einzige Hafen in der Region ist“, sagt Schoch.
Wirtschaftlich erlebt Kanada eine schwierige Zeit. Steigende Löhne und der starke Kurs des Kanadischen Dollar setzen die Industrie des Landes unter Druck. Der Trend zur Deindustrialisierung wird in der Provinz Québec mit ihrer Hauptstadt Montreal noch dadurch verstärkt, dass die Frankokanadier ihre französischsprachige Kultur bewahren und ausbauen wollen.
„Viele Unternehmen sind deshalb in den vergangenen Jahren vor allem in das englischsprachige Toronto abgewandert“, sagt der deutsche Generalkonsul in Montreal, Walter Leuchs. Kanada insgesamt setze derzeit sehr stark auf seine Rohstoffe, sei es das Schweröl, das in der Provinz Alberta im Tagebau gefördert wird, seien es Holz und Agrarprodukte.
„Asien und Europa werden für Kanada wichtiger“, sagt Leuchs. „Auch deshalb, weil die USA, Kanadas wichtigster Wirtschaftspartner, bei der Versorgung mit Öl und Erdgas durch Eigenförderung unabhängig von Importen werden wollen.“ Neue Perspektiven für den Handel zwischen Kanada und Europa bietet das geplante Freihandelsabkommen zwischen Nordamerika und der Europäischen Union. Dessen Details müssen allerdings erst noch verhandelt und beschlossen werden.
„Es könnten künftig mehr Agrarprodukte wie etwa Fleisch aus Kanada in die EU kommen. Umgekehrt entstehen der deutschen Industrie neue Möglichkeiten für Exporte in das Land“, sagt Wirtschaftssenator Horch. Die Auswirkungen eines Freihandelsabkommens hat er während seiner zehntägigen Delegationsreise in New York und Boston wie auch in Montreal und in der kanadischen Hauptstadt Ottawa mit Vertretern von Wirtschaft und Politik diskutiert. „Unternehmen der deutschen Windkraftindustrie wie Repower Systems und Enercon betreiben hier in Kanada bereits intensiv Geschäfte“, sagt er. „Das ist gut für die Wirtschaft in der Metropolregion Hamburg und in Norddeutschland.“
Für Hapag-Lloyd geht es vor allem darum, dass möglichst viele Güter in Container verpackt werden. „Das Potenzial für ein wachsendes Transportvolumen ist riesengroß“, sagt Landeschef Schoch. „Schnittholz von der kanadischen Westküste wird nach Asien in Containern transportiert, aber auch Linsen nach Europa und selbst Heuballen.“ Die riesigen Ausmaße des nur dünn besiedelten Landes, das vom Atlantik zum Pazifik rund 5000 Kilometer Entfernung misst, stellen die Reederei vor große logistische Herausforderungen: „Es macht einen Unterschied, ob man Container in wirtschaftlichen Ballungsgebieten bewegt, oder ob man sie weitab von Städten zu Agrarerzeugern etwa in den kanadischen Prärien bringt“, sagt Schoch. „Seit der Übernahme von CP Ships haben wir eine besondere Verantwortung für das gesamte Transportspektrum in Kanada. Und die nehmen wir wahr.“